EIn Schild mit der Aufschrift "Foodsharing"
Foodharing, also Lebensmittel-Teilen, läuft in Halle über mehrere Wege: unter anderem eine private Facebook-Gruppe. Bildrechte: Maike Grabow

Facebook-Gruppe zum Foodsharing Wie in Halle Lebensmittel vor dem Wegwerfen gerettet werden

01. April 2020, 10:25 Uhr

Mitglieder der Facebook-Gruppe "foodsharing Halle (Saale) – Die Essensretter" verhindern, dass noch essbare Lebensmittel in den Mülltonnen landen. Dafür treffen und organisieren sie sich privat. Ein Gastbeitrag.

Masterstudentin MMA Maike Grabow
Bildrechte: Maike Grabow

Zu viel eingekauft oder zu viel gekocht? Manchmal findet man für Lebensmittel keine Verwendung mehr. Doch statt sie wegzuwerfen, können sie auch verschenkt werden. Nach diesem Prinzip handelt eine kleine Gruppe von Hallensern. Doch wie wechseln in Halle Lebensmittel und ganze Mahlzeiten den Besitzer? 

Es gibt zum einen die App "Too Good to Go", die gegen die Lebensmittelverschwendung kämpfen will, indem Menschen kostengünstig übrig gebliebenes Essen von Läden in der eigenen Umgebung kaufen können. Zum anderen gibt das Geschäft "Crummes Eck" Lebensmitteln, die Supermärkte aufgrund ihrer Form, Farbe oder Herkunft nicht anbieten, eine zweite Chance. Zu den Fairteilern am Club Hühnermanhattan sowie an den Franckeschen Stiftungen können Menschen Essen bringen und kostenlos von dort mitnehmen. Fairteiler sind Gemeinschaftskühlschränke oder Regale an öffentlichen Orten, aus denen jeder Lebensmittel herausnehmen oder in sie hineinlegen kann.

Das sind verschiedene Wege zur Lebensmittelrettung in Halle. Hinter diesen Konzepten stecken Menschen, die die Verantwortung und Organisation übernehmen. Doch auch privat organisieren sich Hallenser in den sozialen Medien, um für übrig gebliebene oder erst kürzlich abgelaufene Lebensmittel einen neuen Besitzer zu finden. So wurde die Facebook-Gruppe "foodsharing Halle (Saale) – Die Essensretter" von der Halleschen Foodsharing-Gruppierung gegründet, die sich auch um die Fairteiler kümmert.

Lebensmittelverschwendung eindämmen

Sophie Pollée (links) bei einer Veranstaltung von Foodsharing-Halle.
Sophie Pollée (links) von Foodsharing Halle. Bildrechte: Foodsharing-Halle

Halles Foodsharing-Gruppe gibt es seit Oktober 2013. Kurz nach der Gründung wurde auch eine Facebook-Gruppe erstellt. "Foodsharing ermöglicht sowohl das Teilen von Lebensmitteln aus dem Haushalt als auch das legale Abholen und Verteilen von Lebensmitteln bei Händlern und Produzenten", erklären Sophie Pollée und Marco Pellegrino von Foodsharing-Halle. Die Gruppe sei gegründet worden, um den nachlässigen Umgang mit Lebensmitteln einzudämmen.

In Halle gebe es momentan zehn kooperierende Betriebe wie Bäckereien, Lebensmittelgeschäfte, Bioläden und Cafés, erklären Pollée und Pellegrino. Etwa 34.200 Kilo Lebensmittel seien auf diese Weise in Halle vor der Tonne gerettet worden. Zur Kommunikation und Organisation nutzen die Lebensmittelretter sowohl die Internetplattform foodsharing.de als auch die Facebook-Gruppe "foodsharing Halle (Saale) – Die Essensretter".

Weitgehend autonome Gruppe

Die Gruppe ist zwar auf "privat" gestellt, es kann jedoch jeder eintreten. Aktuell hat die Gruppe 5.681 Mitglieder. Die Gründer lassen die Mitglieder autonom arbeiten, schreiten allerdings ein, wenn Fehlverhalten auffällt oder von anderen Usern gemeldet wird.

Dafür gibt es fünf Administratoren der Foodsharing-Gruppe, die reagieren, wenn Diskussionen entstehen, die nicht zum Thema passen, die diskriminierend oder rassistisch sind. "In Extremfällen müssen Mitglieder aus der Gruppe entfernt werden, das kommt allerdings eher selten vor", berichten die beiden. Neben dem Austausch von Lebensmitteln werden dort auch themenbezogene Artikel, Veranstaltungen oder Hinweise zu aufgefüllten Fairteilern gepostet.

"Nicht unser Geschmack"

Ein Post in der Foodsharing-Halle Facebook-Gruppe.
So sehen Posts in der Facebook-Gruppe aus. Bildrechte: Maike Grabow

Doch wie sieht die Kommunikation in der Gruppe aus? Es finden sich Beiträge, bei denen bereits zubereitete Nahrungsmittel angeboten werden. Wie zum Beispiel: "Es ist noch Tomatensuppe (vegan) übrig. Kann sehr gern abgeholt werden. Bitte Behältnis mitbringen und vorher eine PN schreiben. Abholung in der nördlichen Innenstadt Nähe Reileck."

Aber auch Lebensmittel, die Mitglieder nicht mehr brauchen oder nicht mögen, werden verschenkt. Wie etwa ein Stollen mit diesem Hinweis: "MHD 26.1.20. Geschenkt bekommen. Nicht unser Geschmack. Ungeöffnet. Abholung Südstadt."

Außerdem gibt es Gesuche: "Hallo Ihr lieben, Ich nehme gerne getrocknetes Brot und Brötchen für die Pferde entgegen! Lieben Dank", schreibt ein Mitglied. Täglich werden in der Facebook-Gruppe Lebensmittel und Essen zum Abholen angeboten oder Lebensmittel gesucht.

Lieber retten statt wegschmeißen

Aus welchen Gründen treten Hallenser der Gruppe bei? Franzi ist seit gut einem Jahr Mitglied. Sie findet die Verschwendung von Lebensmitteln furchtbar und hofft, dass es sich durch die Gruppe verbessert und ein Umdenken erfolgt. Bevor sie Lebensmittel wegschmeiße, gebe sie diese lieber jemand anderen oder nehme selbst welche, erklärt sie. Sie rettet ungefähr im gleichen Maß, wie sie gibt.

Wenn Franzi Lebensmittel anbietet, vereinbart sie mit den Leuten einen Treffpunkt oder sie kommen zu ihr nach Hause. "Dann geh ich aber herunter, ich möchte nicht, dass Fremde in meiner Wohnung sind", erklärt Franzi. Sie habe auch schlechte Erfahrungen gemacht. So sei sie bereits sitzen gelassen worden.

Angebote sind schnell vergeben

Selina hat noch keine schlechten Erfahrungen gemacht. Bisher sei alles, was sie in die Gruppe gestellt habe, von netten Leuten zeitnah nach privater Absprache abgeholt worden. Ihr sei es nur schon öfters passiert, dass sie ein passendes Angebot gesehen habe, das dann vergeben war – obwohl sie sich in den ersten 20 Minuten nach Hochladen des Posts gemeldet habe. Das wertet Selina als Grund zur Freude, "weil es zeigt, dass die Idee der FB-Seite aufgeht und die Lebensmittel super schnell neu verteilt und somit vor der Mülltonne gerettet werden."

Selina ist seit circa einem Jahr in der Gruppe: "Ich finde es super einfach und bequem, Beiträge zu erstellen oder zu verfolgen, es ist kostenlos und man muss nicht Mitglied in irgendeinem Verein oder so dafür sein – jeder kann mitmachen. Wer noch nicht ganz überzeugt ist, bleibt erstmal der stille Mitleser, das ist ja alles kein Problem." Sie findet es schön, durch die Gruppe zu wissen, dass sich so viele Menschen Gedanken über Lebensmittelrettung machen.

Mehr Wertschätzung von Lebensmitteln

Das kann auch die Facebook-Administratorin Sophie Pollée in Hinblick auf Foodsharing-Halle bestätigen: "Was mit einer kleinen Gruppe begann, hat sich zu einer großen Community mit vielen fleißigen Helfern entwickelt."

Die Gruppe würde sich wünschen, dass ihre Arbeit irgendwann überflüssig wird, wie seltsam das auch klingen mag. Denn: Es gebe viele Stellschrauben, an denen man etwas ändern kann und muss, um die Wertschätzung von Lebensmitteln nachhaltig zu verbessern, sagt Pollée. Als Beispiel nennt sie das nach ihrer Meinung typisch deutsche Problem, dass alles in Plastik oder Netzen angeboten wird. Außerdem würden Konsumenten durch Netze gezwungen, mehr zu kaufen, als sie tatsächlich verbrauchten. Wenn eine einzelne Orange in einem Zwei-Kilo-Netz schimmele, müsse das gesamte Netz entsorgt werden. Da müsse dringend ein Umdenken stattfinden, meint Pollée.

Masterstudentin MMA Maike Grabow
Bildrechte: Maike Grabow

Über die Autorin Maike Grabow studiert seit Oktober 2019 den Master "Multimedia und Autorschaft" in Halle. Bevor
es sie nach Sachsen-Anhalt verschlug, absolvierte sie ihren Bachelor in Theaterwissenschaft und Komparatistik an der Ruhr-Universität Bochum. Dort war sie als Redakteurin bei der Bochumer Stadt- und Studierendenzeitung tätig. Inzwischen hat sie sich auf kulturelle und gesellschaftliche Themen spezialisiert und arbeitet als freie Journalistin unter anderem für die Deutsche Bühne.

Quelle: MDR/mh