Reformationsorte in Mitteldeutschland: Eisenach "Keine andere Stadt kennt mich besser"

Das Wahrzeichen Eisenachs ist die Wartburg, ein nationales Symbol der Deutschen. Schon von der Autobahn 4 aus kann man sie sehen. Ein paar Stichworte zu Eisenach und der Burg genügen: Ort der Heiligen Elisabeth, Hort des "Sängerkrieges" im 13. Jahrhundert, Geburtsstadt Johann Sebastian Bachs, Sterbeort des Dichters Fritz Reuter, Stadt des Automobilbaus von Dixi über BMW, IFA und Wartburg bis Opel, UNESCO-Welterbe und Telemann-Tage. Und vor allem: Zufluchtsort Martin Luthers, der hier die Bibel übersetzte.

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360°: Lutherstube auf der Wartburg

Luthers Schulzeit in Eisenach

Martin Luther lernte Eisenach als Schüler kennen, als er sich noch Martin Luder nannte. Nachdem er in Mansfeld und in Magdeburg in die dortigen Lateinschulen gegangen war, schickten ihn seine Eltern 1497/98 nach Eisenach. Denn dort wohnten Verwandte der Mutter, zum Beispiel der Küster der Nikolaikirche Konrad Hutter. Martin war damals 14 Jahre alt.

Luthers Schulgebäude stand bis 1507 am Lutherplatz 8, südlich der Georgenkirche. Die Georgenschule besuchte Luther als Lateinschüler. Wie damals allgemein üblich, sang er in einer sogenannten Kurrende, einem Chor, der durch die Stadt zog und um einen Obolus bat oder auch zu privaten Anlässen gebucht werden konnte.

Die Gebäude, auch das heutige Lutherhaus, gehörten der Patrizierfamilie Cotta. Frau Cotta war so angetan vom Gesang des Schülers Martin Luder, dass sie ihn in ihrem Haus aufnahm. Luther erinnerte sich später offenbar gern an Eisenach und sprach von dem Ort oft als "meine liebe Stadt".

In Eisenach sitzt nämlich fast meine ganze Verwandtschaft, und ich bin daselbst bei ihr bekannt und ... wohlangesehen; keine andere Stadt kennt mich besser.

Martin Luther

Luther erlebte Eisenach als Stadt des späten Mittelalters mit seinen kirchlich-sozialen Strukturen: Rund zehn Prozent der Bevölkerung gehörten in der einen oder anderen Weise dem geistlichen Stand an. 1501 wechselte Luther von Eisenach zum Studium nach Erfurt.

Aus Martin Luther wurde Junker Jörg

Martin Luther als Junker Jörg, Holzschnitt von Lucas Cranach d. Ä., 1522
Martin Luther als Junker Jörg Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Damals konnte Luther nicht ahnen, dass und wie es ihn auf die Wartburg verschlagen würde, mit deren Anblick er als Heranwachsender vertraut war. Eine der Folgen seiner Wittenberger 95 Thesen gegen den Ablasshandel war, dass er der Ketzerei angeklagt wurde. Am Ende stand sein Auftritt im April 1521 vor dem Reichstag in Worms und dem jungen Kaiser Karl V., indem er den Widerruf seiner Thesen verweigerte: "Hier stehe ich. Gott helfe mir, Amen."

Nun aber verfiel er sowohl der "Reichsacht" als auch dem Kirchenbann und war somit vogelfrei. Das hieß, jeder hätte ihn töten können, ohne dafür belangt zu werden. Allerdings hatte Luther einen Beschützer in der Person des sächsischen Kurfürsten Friedrich des Weisen. Und Eisenach lag auf dem Gebiet Kursachsens. Sowohl auf dem Hinweg nach Worms als auch auf dem Rückweg hatte Luther in Eisenach Station gemacht und in "seiner" Georgenkirche gepredigt.

Gleichwohl wollte Friedrich der Weise nicht als derjenige Provokateur dastehen, der die "Reichsacht" unterläuft. Dazu kam eine List ins Spiel. Zum Schein ließ er Luther auf dem Rückweg von Worms überfallen und auf die Wartburg bringen, wo er am Abend des 4. Mai 1521 ankam. Nun nahm Luther eine neue Identität an: Junker Jörg.

Die Übersetzung der Bibel: Eine Meisterleistung eigener Art

Damals gehörte wenig dazu, sich zu verwandeln. Schließlich gab es keine Konterfeis wie Fotos, die über eine Identität Auskunft gaben. Luther ließ sich einen vollen Bart und die üppige Haartracht eines Ritters wachsen, trug vornehme Gewänder und an der Seite ein Schwert. So sah kein Augustiner-Mönch oder Universitätsprofessor aus. Die Wartburg war damals ein wenig vernachlässigt und nicht in dem feinen Zustand, wie wir sie heute als Besucher kennen. Vergessen längst die Zeiten, als sie Hort des legendären "Sängerkrieges" im 13. Jahrhundert war.

Insgesamt lebte Luther vom 4. Mai 1521 an 300 Tage, also rund zehn Monate auf der Wartburg. Und er schrieb ein Pamphlet nach dem anderen. Sein Zimmer, die "Lutherstube", kann heute auf der Wartburg besichtigt werden. In nur gut zehn Wochen übersetzte er hier zur Winterszeit mit kurzen Tagen das Neue Testament aus dem griechischen Urtext, der sogenannten "Septuaginta", ins Deutsche. Eigentlich ein Wunder. Übersetzungen des Neuen Testaments hatte es zwar schon etliche gegeben, doch keine sprachgestaltend "aus einem Guss" und allein an der "Septuaginta" ausgerichtet – der ältesten durchgehenden Übersetzung der hebräisch-aramäischen Bibel in die altgriechische Alltagssprache.

Mit einem Tintenfass gegen den Teufel?

Aus Luthers zahlreichen Briefen geht hervor, wie wenig ihm das abgeschiedene Leben auf der Wartburg lag und er unter Einsamkeit litt. Viele Legenden ranken sich um diese Zeit. Die bekannteste ist, Luther habe, als ihm der Teufel erschien, mit einem Tintenfass nach dem bösen Geist geworfen.

Zwar gab es zu Luthers Zeiten noch gar keine Tintenfässer, aber die Geschichte war bei seinen Verehrern so beliebt, dass der vermeintliche Tintenfleck an der Wand bis zum Ende des 19. Jahrhunderts immer wieder aufgefrischt wurde. Auch an anderen Orten wie in Wittenberg wurden später solche Tintenflecke Lutherscher Selbstverteidigung entdeckt. Jahre später, 1540, war Luther noch einmal in Eisenach. Drei Wochen lang logierte er im Hause des Superintendenten Justus Menius.

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