Kindererziehung zu Luthers Zeiten Schon beim kleinsten Fehler setzte es Hiebe

Der ehrgeizige und aufstiegsbewusste Vater Luder investierte in die Bildung seiner Kinder, so auch in Martin. Er schickte den erst Viereinhalbjährigen in die Mansfelder Stadtschule – wie die Schulen der Zeit eine Lateinschule. Dort lernte Martin Luther Lesen, Schreiben, Rechnen, Singen und die Grundlagen des Lateinischen – damals die praktizierte Gelehrten- und Theologensprache Europas.

Selbst im Alter noch ein gutes Gedächtnis

Martin lernte Teile der lateinischen Bibel auswendig, dazu viele Gebete, das "Ave Maria" und das "Vaterunser". Die zehn Gebote und das Glaubensbekenntnis mussten die Kinder fehlerfrei und ohne Nachdenkpausen aufsagen können. Noch im Alter konnte Luther die als Kind mühevoll geübten Texte runterrasseln, weil sie "saßen".

Schulische und kirchliche Erziehung waren damals Eins. Im Chor der Mansfelder St. Georg-Kirche sang Martin im weißen Gewand als Ministrant die Psalmen, Litaneien, das Magnifikat oder gregorianische Gesänge, natürlich alles in Latein. Auf Prozessionen außerhalb der Kirche kamen religiöse Volkslieder auf Deutsch hinzu.

Die mittelalterlichen Lehrmethoden, denen auch Luther ausgesetzt war, muten heute teils archaisch und barbarisch an. In der Schule setzte es bei kleinsten Fehlern Hiebe. Zu Hause sah es nicht viel anders aus. Auch Luther berichtete später von Schlägen, sowohl vom Vater als von der Mutter, aus – für unsere Begriffe – läppischen Anlässen.

Gerechtigkeitsfördernd oder abstoßend?

Die Wirkung der überaus harten Methoden auf Luther wird in der Literatur unterschiedlich gesehen. Manche Autoren meinen, sie hätten in Luther ein tiefes Gerechtigkeitsempfinden verstärkt und ihn geradezu zu einem Vorläufer von Reformpädagogik gemacht.

Dagegen steht, dass Luther selbst gegenüber seinen eigenen Kindern nicht minder hart war. Der Luther-Biograph Heinz Schilling meinte, Luther habe eine Art gepflegt, die auch denjenigen "abstößt, der sich bereitfindet, die Erziehungsprinzipien des 16. Jahrhunderts nicht mit anachronistischen Maßstäben zu messen".

1497 endete die Kindheit in Mansfeld für Luther. Der Vater schickte den 13-Jährigen auf eine Schule in Magdeburg. Zwischendurch besuchte Martin Luther seine Familie in Mansfeld immer wieder. Hier sah er selbst seine entscheidende Prägung. In einem Brief im Jahr vor seinem Tod schrieb er 1545: "Ich bin ein Mansfeldisch Kind."

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