Wittenbergs große Chance Leipziger Teilung von 1485

Wittenberg verdankt die Entscheidung, dort das Schloss mit der Schlosskirche auszubauen sowie die Universität Leucorea zu gründen, der "Leipziger Teilung" von 1485. An die Tür der Schlosskirche heftete Luther der Legende nach seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel. An der Leucorea fand sich ein Netzwerk zusammen, das die reformatorischen Ideen vorantrieb. An sowas hatten die Verantwortlichen der Leipziger Teilung nicht im Entferntesten gedacht.

Fürstenzug am Dresdner Schloss, hier in der Mitte: Ernst (Regierungszeit 1464–1486), Friedrich der Sanftmütige (Regierungszeit 1428 – 1464) und Albrecht der Beherzte (Regierungszeit 1464-1500)
Fürstenzug am Dresdner Schloss, hier in der Mitte: Ernst (Regierungszeit 1464–1486), Friedrich der Sanftmütige (Regierungszeit 1428 – 1464) und Albrecht der Beherzte (Regierungszeit 1464-1500) Bildrechte: dpa

Nach dem Tod des sächsischen Kurfürsten Friedrich II. (1412-1464) verwalteten und regierten seine Söhne Ernst und Albrecht das Erbe lange gemeinsam. Der Ältere von beiden, Ernst, hatte das Vorrecht der Kurfürstenwürde. Irgendwann aber war Schluss mit der Harmonie. 1485 – Martin Luther lernte gerade in Mansfeld Laufen und Sprechen – einigte man sich in der "Leipziger Teilung" auf neue Verhältnisse.

Albrecht und Ernst erhielten jeweils eigene Territorien. Nur wenige kleinere Gebiete standen weiterhin unter gemeinsamer Verwaltung (Storkow/Beeskow in Brandenburg und Socrau/Sagan, heute in Polen). Albrecht residierte in Dresden, seine Universität war Leipzig. Ernst hatte zwar die Kurfürstenwürde und residierte in Torgau (Schloss Hartenfels), hatte aber keine eigene Universität. Für die weitere Erbfolge hieß das: Es gab nun die ernestinische und die albertinische Linie.

Der älteste Sohn von Kurfürst Ernst, Friedrich III., sah ein, dass er eine Universität zwecks Ausbildung für die eigene Landesverwaltung brauchte. Das hieß vor allen gute Juristen, doch auch Theologen und Mediziner. So verfiel er auf Wittenberg und beschloss, die Stadt zur Residenz und zum Universitätsstandort auszubauen.

Erst Streitigkeiten, dann Seitenwechsel

Friedrich III., später der Weise genannt, entschied sich bemerkenswerterweise wieder zur Doppelregentschaft im Kurfüstentum. Den zweiten Part übernahm sein Bruder, Johann der Beständige (1468-1532). Erst nach dem Tod Friedrichs 1525 regierte Johann allein.

Die Zwistigkeiten in den beiden sächsischen Häusern gingen trotz der Teilung nicht nur weiter, sondern wurden noch komplizierter. Während der ernestinische Kurfürst Friedrich III. die Reformation unterstützte, wehrte der albertinische Herzog Georg der Bärtige sie ab. Dann geht es erst recht durcheinander. Sein Bruder Heinrich der Fromme (1539-1541) führt in seiner kurzen Regierungszeit die Reformation auch im albertinischen Sachsen ein.

Dennoch waren die Konflikte damit nicht beigelegt. Zwar ist Moritz von Sachsen (1541-1553) Protestant, doch im Schmalkaldischen Krieg schlägt er sich 1546 auf die Seite von Kaiser Karl V. und stellt sich damit gegen die protestantischen Glaubensgenossen auch in der eigenen Familie. Der Schmalkaldische Bund wird von seinem Vetter Johann Friedrich geführt. Für seinen Schwenk wird Moritz von Karl V. belohnt: 1547 erhält er an Stelle der Ernestiner, sprich Johann Friedrich, die Kurfürstenwürde und erhebliche Teile der ernestinischen Ländereien.

Die Folgen sind enorm und vielschichtig. Drei Punkte seien hier genannt: Nun waren die Albertiner die führende Linie des Gesamthauses Wettin. Aber beide Linien existierten weiter. Ständige Erbteilungen schwächten das ernestinische Haus weiter und weiter.

Verwirrende Zahl von "Linien"

Nicht nur ganz nebenbei sei hier angemerkt, dass hier die Ursache für die verwirrenden Bezeichnungen der Familien liegt, wenn es um Sachsen und heutige Boulevard-Geschichten aus Adelshäusern geht: Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg, Sachsen-Coburg und Gotha, Sachsen-Gotha, Sachsen-Eisenach, Sachsen-Hildburghausen, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Weimar und andere Kombinationen mehr.

Erst 1918 mit dem Ende der Monarchie in Deutschland ist auch Schluss mit der Dauerteilerei und Vermehrung der "Linien".

Die weitreichendste Folge ist, so sehen es viele Historiker, dass Sachsen damit den Aufstieg Preußens ermöglichte und seine Rolle im Reich machtpolitisch selbst geschwächt hat. Außerdem gehören heute weite Teile des sächsischen Preußens zu Sachsen-Anhalt. Wird die immer wieder diskutierte Neuordnung der Länder der Bundesrepublik das eines Tages ändern? Dann jedenfalls kehrt die Erinnerung an die "Leipziger Teilung" von 1485 durch die Hintertür zurück.

Marktplatz, Stadtkirche und  Rathaus in der Lutherstadt Wittenberg.
Hören Sie hier den Beitrag von "MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir" zur OB-Wahl in Lutherstadt Wittenberg. Bildrechte: IMAGO / Steffen Schellhorn