Ausstellung Wie die Chemnitzer Ahmadiyya-Gemeinde Ängste und Vorurteile abbauen will
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Obwohl immer mehr Zuwanderer aus muslimischen Ländern ihre Religion mitbringen, bleiben diese Gemeinden in Ostdeutschland meist klein und unter sich. In der Mehrheitsgesellschaft artikulieren sich Ängste oder gar Ablehnung gegenüber dem Islam besonders laut. Da fällt es auf, wenn die muslimischen Ahmadiyya-Gemeinden ganz bewusst in die Öffentlichkeit gehen. In diesem Jahr feiern sie ihr 100-jähriges Bestehen in Deutschland – in Chemnitz präsentierten sie sich zum Geburtstag mit einer Islamausstellung auf den Markt.
Koran-Verse auf dem Chemnitzer Neumarkt: Gleich neben den Ständen des Wochenmarktes und im Schatten des Rathauses – das lässt aufhorchen. Manche Einkäufer schauen neugierig in das weiße Zelt der Islam-Ausstellung – andere ärgerlich. Rashid Nawaz bittet alle gleichermaßen freundlich herein, denn er akzeptiert auch andere Meinungen.
Dialogangebot auf dem Chemnitzer Neumarkt
Vier Tage lang stand die Chemnitzer Ahmadiyya-Gemeinde in der letzten Woche auf dem Chemnitzer Marktplatz, trotz Kälte und Schnee. Es sollte eine Einladung an die Chemnitzer sein – gerade auch an die anders- und nichtgläubigen Menschen, so der Imam der sächsischen Ahmadiyya-Gemeinden Umer Malik.
Es ist uns sehr wichtig, dass wir uns austauschen und nicht Mauern und Grenzen aufziehen, sondern die Hand reichen und immer im Gespräch bleiben.
Diese Toleranz ist eine Lehre aus der Geschichte der Ahmadiyya-Gemeinde: Ihren Gründer verehren rund zehn Millionen Gläubige als Messias und ordnen sich streng einem Kalifen unter – in vielen muslimischen Ländern werden sie dafür als Abtrünnige verfolgt.
Im Zelt der Islamausstellung auf dem Chemnitzer Marktplatz spielen diese inner-islamischen Differenzen keine Rolle. Hier sollen prachtvolle Koran-Ausgaben, Schautafeln und Filme über den Islam informieren, wie ihn die Ahmadiyya-Gemeinde sieht, so ihr Chemnitzer Vorsitzender Rashid Nawaz.
In erster Linie möchten wir informieren, weil sehr viel Desinformation über den Islam vorhanden ist. Unsere Absicht ist es, die wahre, friedliche Lehre des Korans den Leuten zu präsentieren.
Die Ahmadiyya-Gemeinden gehen oft in die Öffentlichkeit – manche Beobachter fürchten eine aggressive Missionierung. Diese Angst hält der Erfurter Islamwissenschaftler Tom Bioly für unbegründet: "Die Ahmadiyys sind überzeugt, dass sie die reine Botschaft des Islams vertreten und dass diese in sich schlüssig ist."
Gegen Gewalt und Islamismus
Rund 50.000 Mitglieder hat die Ahmadiyya derzeit in Deutschland – die vier sächsischen Gemeinden zählen nur rund 400 Gläubige. In Hessen und Hamburg beispielsweise sind sie Körperschaften des öffentlichen Rechts und somit juristisch den Kirchen gleichgestellt. Denn die Ahmadiyya-Gemeinschaft ist nicht nur straff organisiert – sie spricht sich auch gegen Islamismus und Gewalt aus, betont der sächsische Imam Umer Malik: "Unser Kalifat ist ein spirituelles Kalifat, es gibt keine politischen Interessen. Wir stehen zum Grundgesetz und das Grundgesetz gibt uns viele Freiheiten, zum Beispiel die Religionsfreiheit“.
Das hält der Islamwissenschaftler Tom Bioly für nachvollziehbar: "Das hat historische Gründe. Dass man von Anfang an darauf gesetzt hat: Wir wollen ein gutes Verhältnis zum Staat, um unsere Missionstätigkeit frei entfalten zu können.“
Offen auch Unterschiede ansprechen
Die Spannungen zur deutschen Mehrheitsgesellschaft liegen woanders – im Zelt auf dem Chemnitzer Marktplatz spricht sie der Imam Umer Malik auf Nachfrage offen an: "Dass wir Geschlechtertrennung zwischen Männern und Frauen haben und natürlich das Thema Homosexualität: Dass diejenigen, die homosexuell sind und ihre Homosexualität auch leben, dass das eben nicht unseren Vorstellungen entspricht."
In der Islamausstellung wird darüber gesprochen, aufmerksam zugehört, auch diskutiert – die Zahl der Übertritte zum Ahmadiyya-Islam ist in Sachsen bislang aber verschwindend gering. Dafür ist die Abwehrhaltung gegenüber jeder Art von Religion zu groß.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 19. März 2023 | 09:15 Uhr