Glauben und glauben lassen? Wie in Dresden über einen Moscheebau gestritten wird

03. September 2023, 04:00 Uhr

Spätestens mit dem Zuzug tausender Muslime in den letzten Jahren gehört der Islam zum Leben in unserer Region dazu – doch ihr Glauben und ihre Moscheen sind noch immer kaum in der Öffentlichkeit sichtbar. In Dresden könnte sich das bald ändern, denn dort plant das Marwa Elsherbiny Zentrum den Bau eines größeren Gotteshauses in der Innenstadt. Dagegen gibt es Protest – nicht nur durch Rechtsextreme. Und der islamische Verein wird – wie auch manch Islam-Kritiker – vom Verfassungsschutz beobachtet. Wie also das Prinzip der Glaubensfreiheit mit dem Extremismusverdacht vereinen?

Freitagsgebet zwischen Hochhäusern und bei hochsommerlicher Hitze. Hunderte Männer in bunten Gewändern neigen ihre Köpfe auf grünen Filzmatten zu Boden – im Freien, mitten im Dresdner Stadtzentrum. Denn ihre Moschee, das  Marwa Elsherbiny Zentrum, ist zu klein, wie Sprecher Samy Ibrahim erklärt: "Hundert Leute können hier ihre Gebete tätigen. Zum Freitagsgebet kommen aber um die 1.500 Leute zu uns."

Marwa Elsherbiny Zentrum plant seit vier Jahren größere Moschee

Samy Ibrahim führt in den grünen Flachbau – sogar im Keller müssen Gläubige beim Freitagsgebet beten. Oder eben draußen – selbst bei Hitze und Schnee, wie er weiter erzählt:

Die Stadt muss was tun, damit diese Leute auch ihre Religionsfreiheit ausüben können – das ist ein gutes Recht.

Samy Ibrahim Sprecher Marwa Elsherbiny Zentrum

Deshalb will das Marwa Elsherbiny Zentrum bereits seit vier Jahren eine größere Moschee bauen – Ende Juni legte sie der Gestaltungskommission der Stadt Dresden erste Entwürfe vor. Noch ist nichts genehmigt. Doch es gibt schon Protest.

Ängste, Protest und Unterschriftensammlung gegen Neubau-Pläne

Der Gesang des Freitagsgebets mischt sich mit den Reden der rund 50 Demonstranten, die sich Ende letzter Woche zur gleichen Zeit auf der Straßenseite gegenüber der Moschee versammeln. Einer der Redner meint: "Auch die da drüben können sich zu ihrem Glauben bekennen, da hat kein Mensch ein Problem damit. Aber was wir nicht zulassen werden, dass die Scharia hier Raum greift. Und ich sage Euch und ich bin fest davon überzeugt: Dieser Wahnsinn hier wird ein Ende haben. Und dann werden wir alle zur Verantwortung ziehen, die jetzt gegen Recht und Gesetz arbeiten." Er bekommt Applaus.

Eine Bürgerinitiative beginnt an diesem Tag mit der Sammlung von Unterschriften für ein Bürgerbegehren: Gegen den Bau einer das Stadtbild prägenden Moschee. Es weht die Fahne der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Freien Sachsen, auf einem Plakat steht "Fuck Islam". Moscheebesuchern macht der Protest Angst – auf der anderen Seite stehen Menschen aus der Nachbarschaft bei der Demonstration, die ebenfalls Ängste haben.

Eine Frau berichtet, sie habe sechs Familien aus Syrien betreut, sich immer gekümmert, aber keine guten Erfahrungen gemacht: "Bissel Ängste hab ich schon." Ein Mann entgegnet, er finde es nicht förderlich, ein Schild "Fuck Islam" hinzustellen: "Dann verprellen wir ja die Menschen, die friedlich sind und mit denen man Dialog führen möchte und die auch integrationswillig sind." Dennoch sieht auch er den geplanten Moscheebau skeptisch: "Es fühlt sich ein bisschen so an, als sollte unser Land übernommen werden."

Verfassungsschutzbericht: Imam Elgazar unter Islamismus-Verdacht

Es fehlt Vertrauen, es gibt Ängste – und die haben eine gewichtige Quelle: Den sächsischen Verfassungsschutz. Der wirft dem Imam der Moschee, Saad Elgazar, im Bericht für 2022 wie schon in den Jahren zuvor die Unterstützung der islamistischen Muslimbrüder vor – obwohl Elgazar betont, sich auch für den Dialog mit anderen Religionen einzusetzen. So heißt es in dem Bericht: "Getarnt unter diesem Deckmantel ist das Marwa Elsherbiny Kultur- und Bildungszentrum Dresden jedoch vielmehr bestrebt, den hier lebenden Muslimen die extremistische Ideologie der Muslimbruderschaft nahe zu bringen und zu verbreiten. (…) Ziel der Muslimbruderschaft ist die Errichtung eines politischen und gesellschaftlichen Systems auf der Grundlage der Scharia."

Sprecher Ibrahim: "Wir akzeptieren das Grundgesetz"

Das Urteil des Verfassungsschutzes basiert auf Wortmeldungen des Imams in Sozialen Netzwerken und bei Predigten – gegenüber Medienvertretern will sich die Gemeinde nur ungern äußern. Ihr Sprecher Samy Ibrahim erklärt zu den Vorwürfen: "In jedem Freitagsgebet bei uns wird zu einem respektvollen Miteinander aufgerufen, dass wir die Gesetze hier respektieren, dass wir das Grundgesetz hier akzeptieren."

Der Imam Saard Elgazar steht bei diesem Bekenntnis stumm daneben. Selbst öffentlich Position beziehen – für die Demokratie oder gegen das islamistische Konzept der Muslimbrüder –  will er nicht.

Es ist noch viel tun, bis das wichtigste Fundament für den Moscheebau gelegt ist: Vertrauen.

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Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 03. September 2023 | 09:15 Uhr