Vorgestellt Dresdner Theologin Julia Enxing: Die Neue beim "Wort zum Sonntag"

Mehr als eine Million Menschen schauen jede Woche "Das Wort zum Sonntag" am Samstagabend im Ersten. Es ist die zweitältesten Sendung im deutschen Fernsehen, die jetzt ein neues Gesicht bekommt: Die katholische Theologin Julia Enxing aus Dresden spricht zum ersten Mal zum Publikum. Wir haben mit ihr über Glauben, Gesellschaft und Politik gesprochen.

Als katholische Theologin an der Technischen Universität Dresden hatte es Julia Enxing bisher mit einem recht überschaubaren Kreis an Zuhörerinnen und Zuhörern zu tun. Das ändert sich, wenn sie am Samstagabend nun mit das "Wort zum Sonntag" im Ersten spricht  – und also die Fernsehbühne betritt. Wobei es Bühne vielleicht nicht ganz trifft, denn zwischen Samstagabendshow, Tagesthemen und dem Krimi zur Nacht wirkt "Das Wort zum Sonntag" eher wie eine kurze Pause im bunten Abendprogramm. Das aber stört sie nicht:

"Ich sehe Theologie und Kirche auch ein bisschen als Provokation oder Intervention, auf jeden Fall als eine Unterbrechung im Alltag und so verstehe ich auch das "Wort zum Sonntag".

Julia Enxing Katholische Theologin aus Dresden

Was ist soziale Gerechtigkeit?

Insofern sieht Julia Enxing großes Potenzial in dieser doch eher nüchternen, gleichförmigen Studiosendung von vier Minuten Länge. Da der formale Gestaltungsspielraum gering ist, setzt die Theologieprofessorin umso mehr auf Freiheit bei der Wahl ihrer Themen:

"Mir ist wichtig, zu hinterfragen: Was ist soziale Gerechtigkeit, was ist eigentlich ein gutes Leben und zwar ein gutes Leben für möglichst alle. Verbunden damit sind Fragen der ökologischen Gerechtigkeit, der politischen Teilhabe und der Gleichberechtigung der Geschlechter." Heißt:

Wie können wir unser Zusammenleben so gestalten, dass es gelingt und nachhaltig ist.

Julia Enxing Katholische Theologin aus Dresden

"Mensch nicht die Krone der Schöpfung"

Diese Frage berührt auch die Bereiche, in denen Julia Enxing als Wissenschaftlerin forscht, etwa zum Verhältnis von Mensch und Tier oder besser gesagt, des Menschen zum Tier. Biblisch, so betont sie, ließe es sich zumindest nicht belegen, dass die Spezies Mensch die Krone der Schöpfung sei:

"Wir brauchen uns gegenseitig, wir bevölkern diese Erde, aber die Tiere waren vor uns da und haben auch vor uns den Auftrag bekommen: 'Seid fruchtbar und mehret Euch." Doch wir sehen ein Menschen gemachtes Artensterben. Das ist keine Theologie des Lebens."

Biografisches: Julia Enxing

Julia Enxing, geboren 1983 im spanischen Zaragoza geboren, ist Professorin für Systematische Theologie am Institut für Katholische Theologie der Technischen Universität Dresden.

Zunächst studierte Enxing Veterinärmedizin, dann Theologie und Philosophie. Ihre beruflichen Stationen führten sie an die Universitäten Mainz, Münster, Bamberg, Osnabrück und St. Georgen in Frankfurt / Main sowie an die Katholische Akademie St. Jakobushaus in Goslar.

In ihre theologischen Reflexionen beschäftigt sie u.a. die Frage, wie heute von Gott gesprochen werden kann, was Christ-Sein in Kirche und Gesellschaft heißt und was es bedeutet, die Schöpfung zu bewahren.

Julia Enxing setzt sich für eine lebensnahe Theologie ein. Dabei ist ihr ein intensiver ökumenischer und internationaler Austausch besonders wichtig. Für sie ist Theologie ein partizipatives, inklusives, kritisches, lebensnahes, unabgeschlossenes und politisches Geschehen.

Als Theologin erhebt sie ihre Stimme gegen rassistische, antisemitische, speziesistische und andere Diskriminierungstendenzen.

Seit 2016 ist Julia Enxing Redaktionsmitglied beim theologischen Online-Feuilleton "feinschwarz.net". Besonders am Herzen liegt ihr das jüngst gegründete European Research Network "Transcending Species – Transforming Religion".

Erst Studium der Tiermedizin, dann Theologie und Philosophie

Tiere haben in ihrem Leben immer eine prominente Rolle gespielt. Eigentlich wollte Julia Enxing Tierärztin werden. Tatsächlich hatte sie auch mit einem Veterinärmedizin-Studium in Leipzig begonnen, es sei ihr zu verschult gewesen. Dann wechselte sie 2004 an die Universität Mainz, um katholische Theologie, Pädagogik und Philosophie zu studieren.

Keine Angst vor heiklen Themen

Es folgten Promotion, Habilitation, 2020 dann die Professur für Systematische Theologie an der TU Dresden. Die ist lediglich eine Kurzfassung der Karriere einer Frau, die mit großer Selbstverständlichkeit gendert, und die sich nicht scheut, heikle Themen anzusprechen wie etwa das der Schuld. Was mit Blick auf den Umgang mit den Missbrauchs-Fällen aktueller ist denn je. "Das Licht anknipsen", so hat Julia Enxing es einmal in einem Interview genannt.

Ich will Menschen ermutigen, Hoffnung zusprechen, aber auch Dinge kritisch benennen dürfen, die nicht gut laufen.

Julia Enxing Katholische Theologin aus Dresden

Ostdeutsche Perspektive einbringen

Zudem möchte Julia Enxing, die im Rhein-Main-Gebiet aufgewachsen ist, auch spezifisch ostdeutsche bzw. sächsische Perspektiven einfließen lassen, die sie in Dresden, wo sie lebt, wahrnimmt. Die Arbeit als "Wort zum Sonntag"-Sprecherin ist eine weitere Aufgabe in ihrem ohnehin schon gut gefüllten Terminkalender. Dennoch nimmt sie sich auch gelegentlich Auszeiten und dann ist sie vor allem draußen, in der Natur, wie sie erzählt:

"Ich bin ein absoluter Draußen- Mensch. Ich würde am liebsten auch meine Schöpfungstheologie-Vorlesungen im Wald machen und nicht im Hörsaal. Das wäre organischer: Sächsische Schweiz, Elbsandsteingebirge, mit meiner Hündin und Rucksack. Da setze ich mich der Schöpfung aus."

Premiere für Julia Enxing beim "Wort zum Sonntag", zu sehen in der ARD-Mediathek.

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Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 30. Januar 2022 | 09:15 Uhr