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Conny Böttger rettet seit acht Jahren Kühe vor dem Schlachter. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

ARD-Doku jetzt in der Mediathek ansehenMehr als Milch und Fleisch: Wie Conny Böttger im Erzgebirge Kühe rettet

31. Mai 2023, 04:00 Uhr

Tieren in Not zu helfen, ist für hunderttausende Menschen in Deutschland eine Herzensangelegenheit. Sie adoptieren Hunde aus Rumänien, füttern wilde Katzen, kümmern sich um Igel oder spenden an Tierheime. Conny Böttgers Tierliebe hat eine andere Dimension: Seit acht Jahren rettet die 48Jährige im Erzgebirge Kühe vor dem Schlachter. Gemeinsam mit ihrem Verein "Tierparadies Muhrielle" e.V., Tierpatinnen und Tierpaten. Mehr als 40 Kühe, Bullen und Kälbchen fanden so auf dem Gut Börnchen bei Glashütte tatsächlich ein ganz neues Leben.

"Das ist Alvin. Der stand alleine im Stall. Dem waren die Ketten eingewachsen. Der hat versucht in die Wand zu beißen, um den Kalk da raus zu holen, damit er die Mineralien bekommt. Er war wie ein verhungernder Mensch, als wir ihn gefunden haben". Jedes Tier auf dem Hof in Börnchen im Erzgebirge hat seine eigene Leidensgeschichte. Conny Böttger sorgt dafür, dass sie ein glückliches Ende nimmt. Seit acht Jahren rettet sie Nutztiere vor dem Schlachthof. Auf ihrem Lebenshof sind inzwischen mehr als 40 Kühe, Bullen und Kälbchen untergebracht.

Vorher/Nachher Alvins Rettung

Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK | MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Alles begann mit der letzten Kuh des Großvaters

Angefangen hat sie mit der letzten Kuh ihrer Großeltern. Auf deren Bauernhof bei Bautzen wuchs die heute 48-Jährige auf, dort liegen die Wurzeln für ihre Tierliebe und ihre Mission. Sie weiß noch, wie die Kühe im Stall gehalten wurden, an einer 70 Zentimeter langen Kette, allein ohne Artgenossen: "Nur stehen und fressen, nicht mal ein Umdrehen war möglich, geschweige denn ein Springen oder Laufen." Als der Betrieb schließlich aufgelöst werden sollte, lieh sie sich Geld und kaufte für 800 Euro die letzte Kuh vom Schlachter zurück.

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Kühe retten: "Tierparadies Muhrielle" e.V.

Bella war das erste Tier ihrer Glücksherde. Sie merkte bald, dass sie allein nicht weit kommt und gründete den Verein "Tierparadies Muhrielle", um Mitstreiterinnen zu gewinnen. Bald nahmen immer mehr Menschen Kontakt auf, die Tiere retten wollten. So begann sie, nach einem passenden Stall zu suchen und fand einen landwirtschaftlichen Betrieb im Erzgebirge, der über freie Stallungen verfügte, weil ein Geschäftszweig eingestellt worden war. Sie dort auf dem Gut Börnchen unterzubringen, kostet 120 Euro im Monat für Kost und Logis. Tendenz steigend angesichts der Energiekrise, steigender Kosten auch für Futtermittel, Tierarzt, Tierseuchenkassen oder Klauenpflege. Um das Geld, immerhin rund 60.000 Euro im Jahr, aufzubringen, wirbt Conny Böttger um Patinnen und Paten, die sie auch regelmäßig einlädt aufs Gut zu den Tieren. Inzwischen sind es immerhin mehr als 150. Dazu sagt Thomas Hubald, landwirtschaftlicher Verwalter auf dem Versuchsgut Börnchen: "So eine Glücksherde zu halten, ist auch ein gewisser Luxus. Es würde nicht funktionieren, wenn wir nicht nebenbei noch so einen konventionellen Betrieb hätten, der wirtschaftlich arbeitet."

In einem Stall auf dem Gut Börnchen bei Glashütte fand Conny Böttger eine Möglichkeit, die Tiere unterzubringen. Sie sieht darin mehr als Milch- und Fleischlieferanten. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Fulltime-Job in Dresden, Mutter, Vereinschefin

Conny Böttger gründete den Verein "Tierparadies Muhrielle", was auch eine Menge Büro-Arbeit bedeutet. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Funktionieren würde es wohl auch nicht ohne die eine oder andere Nachtschicht zur Spenden-Akquise und für die Bürokratie, die die Vereinsarbeit mit sich bringt. Dabei hat Conny Böttger einen Fulltime-Job als Sekretärin an der Uniklinik in Dresden. Sie erinnert sich noch, wie erstaunt die Kolleginnen und Kollegen anfangs auf ihre spezielle Mission reagierten. Auch ihr Chef, der Oberarzt Christian Vogelberg: "Am Anfang dachte ich, das ist ein Tier und das hat sie jetzt vielleicht besonders ins Herz geschlossen und um dieses Tier kümmert sie sich jetzt. Und dann wurden das immer mehr." Einige begannen, sich dafür zu interessieren oder wurden Paten. Aus Überzeugung, nicht weil sie sich gezwungen fühlen. Nicht jeder müsse Kuhretter werden, sagt Connys Sohn Julien, auch wenn der 17-Jährige natürlich weiß, was die Kühe seiner Mutter bedeuten: "Sie rettet Lebewesen und das macht sie und viele andere Menschen glücklich. Das ist ihr Sinn im Leben."

Große Tiere, Mut zum Risiko

Inzwischen melden sich immer mehr Menschen, die Kühe oder Bullen auf dem Gut unterbringen wollen. Als Tierpaten können sie sich weiter darum kümmern. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Doch hat es überhaupt Sinn, einige Kühe zu retten, während hunderttausende geschlachtet werden? Conny Böttger beantwortet das mit einem klaren Ja: "Eine Kuh zu retten verändert nicht die ganze Welt, aber die ganze Welt verändert sich für diese eine Kuh!" Und manchmal verändern sie eben auch die Welt für einige Menschen – so wie für Henry Susa, inzwischen der zweite Vorsitzende im Verein "Tierparadies Muhrielle". Als vor einem Jahr seine Frau Annett starb, fand er Trost bei seiner Arbeit mit den Tieren: "Ich kam den Weg hochgefahren zur Weide, die Herde war nicht da, aber Carina stand da und guckte mich an. Sie war auch so ein Herzenstier von Annett, als ob sie sagen wollte: Schön, dass du da bist.'", erzählt er bewegt.

Bisher bereut Conny Böttger ihr Wagnis nicht, auch wenn die Verantwortung groß ist. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Sie brauchte eine Menge Mut, sagt Conny Böttger, um die Verantwortung für solche großen Tiere für die nächsten zwanzig, dreißig Jahre zu übernehmen. Sie findet, das Risiko hat sich gelohnt: "Wir haben hier ein Weltklasseteam dahinter und sind so wie eine Familie hier mit den Tieren zusammengewachsen. Die Menschen kommen uns so gerne besuchen, wenn so eine Herde über die Wiese tobt, das ist doch einfach nur pure Energie und Lebensfreude, oder?"

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Dieses Thema im Programm:Das Erste | 31. Mai 2023 | 23:35 Uhr

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