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Jenny und ihr Team kümmern sich aktuell um ca. 1.000 Roma-Kinder in Rumänien. Bildrechte: MDR/Alea Horst

Web-Serie über ein zehnjähriges ProjektJenny und die Roma-Kinder: Veränderung ist machbar!

19. Dezember 2023, 09:45 Uhr

2007 entdeckt Jenny Rasche während einer Rumänienreise eine Roma-Siedlung. Noch nie hat die junge Frau aus Stapelburg im Harz solche Armut gesehen. Vor allem die Kinder leiden, sie sind unterernährt, ohne Wasser, ohne Strom, ohne Bildung. Die damals 23-Jährige ist schockiert – und handelt. Was sie vor Ort alles in Bewegung setzt und wie sich das Leben der mehrfachen Mutter seitdem wandelt, zeigt eine zweiteilige Dokumentation und eine fünfteilige Web-Serie in der ARD-Mediathek.

Als Jenny Rasche 2007 einen deutschen Hilfstransport auf den Balkan begleitet, kommt es in Sibiu (Hermannstadt) in Rumänien zu einer denkwürdigen Begegnung, die ihr Leben komplett auf den Kopf stellt. Bei winterlichen Temperaturen entdeckt sie an einer Straßenkreuzung eine Bettlerin mit einem fast nackten Baby im Arm.

Sie entschließt sich, Mutter und Kind nach Hause zu bringen. Doch dieses zu Hause, nahe dem Dorf Sura Mare entpuppt sich als ein Slum. Mitten in Europa. 37 Roma-Familien vegetieren hier in Ruinen, Blechhütten und Erdlöchern. Es gibt weder Strom noch fließend Wasser, dafür Müll, Gestank und Hoffnungslosigkeit. So viel Armut hat Jenny noch nie zuvor gesehen. Die Begegnung ist für die damals 23-Jährige ein Schock.

Ein Leben in bitterster Armut Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Von dem Moment an wusste ich, dass wir nie wieder ein normales Leben führen würden, weil es einfach nicht mehr gehen würde.

Jenny Rasche

Helfen in in Sura Mare

Jenny will helfen. Zurück im heimatlichen Stapelburg (Sachsen-Anhalt) gründet sie eine Hilfsorganisation, sammelt Geld und Sachspenden. Ihre Eltern und ihre Schwester unterstützen sie dabei. In Wernigerode, Halberstadt und den umliegenden Harz-Dörfern richten sie Sammelstellen für warme Kleidung, Decken, Medikamente und Lebensmittel ein.

Film starten!

2007 zieht sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern nach Rumänien. Sie will die Hilfsgüter vor Ort selbst verteilen. Jenny konzentriert sich vor allem auf die Kinder – und gründet eine Schule. Der Deal mit den Eltern heißt: Wenn die Kinder nicht betteln gehen, sondern zur Schule kommen, gibt es Essen. Für die gesamte Familie. "Ein Deal im Brecht’schen Sinne: Erst das Fressen, dann die Moral."

So fand Jenny Rasche die Roma-Siedlung vor Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Doch Moral ist hier etwas Anderes, als im wohlhabenden Westeuropa. Die Menschen hungern und tun oft fragwürdige Dinge, nur um zu überleben: "Nie vergessen werde ich zum Beispiel den Fall von Flavia. Er treibt mir heute noch tausend Tränen in die Augen", meint Jenny Rasche.

Flavia, ein vierjähriges Mädchen, verbrennt in ihrer Hütte – alleingelassen von ihrer Mutter, die tagelang auf Betteltour ist.

Aufbau eines Tageszentrums und einer Schule für die Roma Kinder

Schule für Jennys Roma-Kinder Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Jenny macht diesen Fall öffentlich. Viele Menschen sind erschüttert und spenden. Mit diesen Geldern will Jenny vor Ort ein Tageszentrum für vernachlässigte Roma-Kinder aufbauen. "Für Flavia kann ich nicht mehr kämpfen, ich kann aber für Kinder wie Flavia kämpfen."  2011 wird das Zentrum eröffnet. Jenny gelingt es, fast alle Kinder der Roma-Siedlung in eine Ganztagsschule und somit in einen geregelten Alltag zu integrieren.

Einige Kinder begleitet Jenny von Anfang an, zum Beispiel Daniel und Milut. Seit der ersten Klasse sind die beiden in Jennys Schulprogramm. Zuerst sind sie nur Banknachbarn, später werden sie beste Freunde. Das ist bis heute so geblieben.

Beide Jugendliche leben ohne Eltern, schlagen sich alleine durch. Dani muss auch seine zwei kleinen Schwestern versorgen. Jenny gibt ihnen Essen, schickt sie zur Schule, hilft im Alltag.

Ich habe mein ganzes Leben auf die Kinder hier ausgerichtet, sie sind mir genauso wichtig wie meine leiblichen Kinder.

Jenny Rasche

Web-Doku "Jenny und die Roma-Kinder" Sura Mare: Was aus den Roma-Kindern wurde

Seit 2007 kümmert sich Jenny Rasche aus Stapelburg im Harz um Kinder aus Roma-Siedlungen in Siebenbürgen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Das Elend, was sie hier vorfand, war unvorstellbar.. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Von Anfang an konzentrierte sich Jenny auf die Unterstützung der Mütter und vorallem ihrer Kinder. Bildrechte: MDR, Werkblende
Über viele Jahre begleitete sie die Kinder mit ihrer Hilfsaktion. Ihre Bildung stand für Jenny immer an erster Stelle. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Den regelmäßigen Schulbesuch erreichte sie über einen Umweg: sie ermöglichte den Kindern eine warme Mahlzeit am Tag... Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Doch dafür mussten sie die Schule besuchen... Bildrechte: MDR ,/ Werkblende
Heute ist die erste Generation der Kinder erwachsen.... Bildrechte: MDR, Werkblende
Sie haben Schulabschlüsse und arbeiten in verschiedenen Berufen.... Bildrechte: MDR, Werkblende
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Bildung als Schlüssel für ein besseres Leben

2015 schaffen die ersten Roma-Kinder ihren Schulabschluss. Sie können nicht nur schreiben und rechnen, sie begreifen auch, dass sie ihr Leben selbst organisieren müssen. Die großen Kinder und Jugendlichen zeigen ihren Eltern, wie ein strukturiertes Leben funktionieren kann. Sie säubern die Siedlung, sie bauen eine Kanalisation und feste Häuser mit Strom. Keiner denkt hier mehr an Bettelflucht in den "reichen Westen".

Hilfe zur Selbsthilfe: Roma-Kinder übernehmen Bauarbeiten in der Siedlung Bildrechte: MDR, Werkblende

Das klingt rückblickend so leicht, das war es aber nicht. Es gab und gibt Rückschläge!

Jenny Rasche

Aufgeben kommt für Jenny jedoch nicht in Frage. Um professioneller zu werden, holt sie - neben der Arbeit - das rumänische Abitur nach und studiert in Sibiu Theologie und Soziale Arbeit.

Zu wenig Zeit für die Familie

Oft ist Jenny nur noch zum Schlafen zu Hause. Philipp, ihr Mann, kümmert sich um die eigenen Kinder und den Haushalt. Ein Punkt, an dem Jenny nachdenklich wird: "Muttersein, das kann man nicht nachholen. Ich habe da einiges versäumt. Mein ältester Sohn zum Beispiel ist jetzt 18 und lebt wieder bei den Großeltern in Deutschland. Es war zu viel für ihn. Es ist schwer für mich, aber ich kann die Kinder da draußen auch nicht im Stich lassen.“

Durch ihre Arbeit rettet Jenny Leben. Manchmal jedoch auf Kosten ihrer eigenen Familie.

Web-Doku "Jenny und die Roma-Kinder" Die Siedlung der Roma im Wandel

Vergessene Kinder, mitten in Europa... Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Jenny Rasche entdeckt sie zufällig auf einer Rumänienreise... Bildrechte: MDR, Werkblende
Sie bleibt, um den Roma zu helfen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Jenny holt die Kinder aus dem Slum und will, dass sie eine Chance bekommen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Zu Besuch in ihrem Heimatdorf Stapelburg im Harz: Jenny nutzt die Zeit, um mit ihrem Vater Spenden und Hilfsgüter zu sammeln, die sie nach Rumänien bringt.. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Das Ziel: Sura Mare, ein Dorf kurz hinter Sibiu - Hermannstadt. Hier arbeitet Jenny zurzeit... Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Dort werden die Hilfsgüter schon sehnsüchtig erwartet... Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
In Rumänien gibt es rund zwei Millionen Roma. Schätzungsweise die Hälfte von ihnen lebt unter dem Existenzminimum. Bildrechte: MDR, Werkblende
Die Roma leben normalerweise vom Betteln oder von dem, was sie im Müll finden. Die meisten Frauen sind so unterernährt, dass sie ihre Babys nicht stillen können. Das regelmäßige Essen soll ihnen helfen, ihr Leben besser in den Griff zu bekommen. Bildrechte: MDR, Werkblende
Nach anfänglichem Widerstand der Behörden eröffnet Jenny in der Dorfschule für die Roma eine altersgemischte Analphabeten-Klasse - mit Hortbetreuung. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Nach dem Unterricht gibt es ein warmes Essen. Geliefert von einer Suppenküche in Sibiu. Für die meisten ist es die erste Mahlzeit des Tages. Eine Portion kostet einen Euro. Bezahlt wird es mit Spenden aus Deutschland und der Schweiz. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Doch leider kann Jenny nicht allen Kindern helfen... Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Die kleine Flavia überlebt ein Feuer in einer der Siedlungen nicht... Bildrechte: MDR, Werkblende
Sie war allein mit ihren Geschwistern, als das Feuer ausbrauch... Bildrechte: MDR ,/ Werkblende
Jenny sammelt Spendengelder, um in Sibiu ein Tageszentrum für die Kinder aus den Armen-Siedlungen zu eröffnen. Bildrechte: MDR ,/ Werkblende
Etwa 5.000 Euro kostet das Tageszentrum im Monat. Das meiste zahlt eine Stiftung aus der Schweiz. Jenny gibt in den Klassen 2 bis 4 Förderstunden in Rumänisch und Mathe. Die Kinder sollen so den Sprung auf eine normale Schule schaffen. Bildrechte: MDR ,/ Werkblende
Um das alles stemmen zu können, stellt Jenny drei Mitarbeiterinnen ein. Nach der Schule bekommt jedes Kind ein warmes Essen. Bildrechte: MDR ,/ Werkblende
Das alles kann Jenny nur stemmen, weil sich ihr Mann Philipp derweil um die eigenen Kinder kümmert. Außerdem kocht er für das neue Tageszentrum. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Seit der ersten Klasse ist Dani (re.) in Jennys Schulprogramm. Hier wurden er und sein Banknachbar Milut beste Freunde. Das ist bis heute so geblieben. Bildrechte: MDR, Werkblende
Die Kinder aus der Siedlung fahren zum ersten Mal in ein Feriencamp... Bildrechte: MDR, Werkblende
Jennys Überraschung: Es geht ans Meer! Es beginnt das Abenteuer ihres Lebens in einer komplett anderen Welt... Bildrechte: MDR, Werkblende
Der Aufenthalt im Ferien-Camp hat die Kinder verändert. Sie beginnen, es sich auch in ihrer Siedlung schön zu machen. Bildrechte: MDR, Werkblende
20 Familien bauen Häuser. Sogar einen Kanalisationsgraben und eine Wasserleitung gibt es seit kurzem. Jenny unterstützt die Roma mit Spenden und Baumaterial. Bildrechte: MDR, Werkblende
Etwas entscheidendes hat sich in der Roma-Siedlung verändert: Es herrscht Zuversicht... Bildrechte: MDR, Werkblende
Und auch die ersten Resultate können sich sehen lassen... Bildrechte: MDR, Werkblende
Heimlich haben einige Roma für Jenny ein Geschenk gebastelt. "Jennys Siedlung" steht auf dem Schild. Das Wagenrad ist das Volks-Symbol der Roma. Bildrechte: MDR, Werkblende
In Brüssel ehrt der Verband "European Movement" jährlich die stärksten Frauen Europas. In verschiedenen Kategorien stehen Angela Merkel, Greta Thunberg und Jenny Rasche auf der Liste der Nominierten 2021. Die Freude ist groß: Jenny gewinnt den Preis.... Bildrechte: MDR, Werkblende
Was für eine Anerkennung für ihre Leistung! Doch das schönste Geschenk haben die Roma sich und Jenny bereitet: Eine Siedlung, die aus Ruinen auferstanden ist... Bildrechte: MDR, Werkblende

Die fünfteilige Web-Serie zeigt zehn bewegte Jahre aus dem Leben von Jenny Rasche. Eine Frau, die im Dezember 2021 für ihr Engagement - neben Angela Merkel und Greta Thunberg - mit dem European Women Award geehrt wird. Eine Frau, die uns zeigt, dass Veränderung möglich ist.

Die Folgen:

Folge 1: Slums – mitten in Europa

Während einer Rumänienreise im Winter 2007 findet Jenny Rasche eine Frau mit Baby an einer Straßenecke.

Sie bringt die beiden nach Hause – in einen Roma-Slum bei Sibiu. Die Menschen hausen teilweise in Erdlöchern. Jenny ist geschockt. Sie beschließt, zu helfen, organisiert Spendensammlungen und den Transport von Hilfsgütern für die Roma-Kinder und wandert schließlich mit ihrer Familie nach Sibiu aus. Sie eröffnet in Sura Mare für die Roma-Kinder eine Klasse für Analphabeten mit einer täglichen warmen Mahlzeit. Sie ist immer zur Stelle, wenn sie gebraucht wird…

Folge 2: Es brennt an allen Ecken

Jenny versorgt die Roma-Kinder nicht nur mit Essen und warmer Kleidung. Sie kümmert sich auch um erkrankte Kleinkinder und beschafft für sie notwendige Medikamente. Als sie glaubt, die schlimmste Not sei überstanden, findet sie nahe einer Müllhalde eine weitere Roma-Siedlung. Hier leben vor allem Kriminelle und viele Kinder. Jenny entdeckt während ihrer ersten Hilfsaktion in Kaskada fünf Kinder, die bei minus 20 Grad in einer ungeheizten Hütte hocken. Der Vater ist im Gefängnis, die Mütter psychisch krank. Jenny kümmert sich fortan um die fünf Geschwister. Sie erholen sich langsam – nur die vierjährige Flavia nicht. Sie ist extrem traumatisiert. Dann bricht ein Feuer in Kaskada aus…

Folge 3: Zwei Kinder sterben

Die vierjährige Flavia überlebt die Brand-Katastrophe in Kaskada nicht. Jenny und Philipp richten Flavias Beerdigung aus. Mittlerweile kümmert sich Jenny um mehr als 50 Roma-Kinder. Für die eigenen sieben Kinder bleibt kaum Zeit, doch ihr Mann Philipp entlastet sie. Jenny beschließt, zusätzlich ein Tageszentrum für die Kinder aus Sura Mare und Kaskada zu eröffnen. Im größten Stress wird Jenny schwanger. Mit Zwillingen! Doch die ärztliche Untersuchung ergibt: Ein Kind wird mit einem Gendefekt zur Welt kommen. Jenny beschließt, in Deutschland zu entbinden. Im Juni 2013 werden Jadon und Lillith geboren. Jadon ist gesund, doch Lillith stirbt...

Folge 4: Hier ist ihre Heimat

Jennys Vater hofft, dass seine Tochter in Deutschland bleibt, um sich von diesem Schicksalsschlag zu erholen. Doch Jenny kehrt schnell nach Sibiu zurück: Eine Fahrt ans Meer für ihre Roma-Kinder soll nicht ausfallen. Diese Reise verändert alles. Die Kinder begreifen, dass sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen können. Sie beginnen, ihre Siedlung zu säubern und in Ordnung zu bringen. Alle Kinder gehen inzwischen zur Schule. Ein Junge hat es sogar auf ein Elitegymnasium für Kunst in Sibiu geschafft. Auch die Behörden arbeiten zunehmend mit Jenny zusammen. Für besondere Härtefälle eröffnet Jenny ein Kinderhaus. Hier wohnen Kleinkinder, deren Leben zu Hause in akuter Gefahr wäre…

Folge 5: Wie Phönix aus der Asche

Eine neue Generation wächst heran. Alle Roma-Kinder gehen regelmäßig zur Schule. Manche sogar auf ein Gymnasium. In den Siedlungen herrscht Aufbruchsstimmung: Hier gibt es inzwischen neue Häuser, befestigte Wege, Strom, eine Kanalisation und Wasserleitungen. Die Kinder lehren ihre Eltern das Lesen und Schreiben. Hilfe zur Selbsthilfe. Jennys Konzept geht auf. Aus Dank erhält sie von den Roma-Familien ein Geschenk, das sie zu Herzen rührt…

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Nah dran | 07. April 2023 | 06:10 Uhr