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Der Chemnitzer Justin Sonder (1925-2020) bei den Dreharbeiten für das "Glaubwürdig"-Porträt (2016). Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Holocaust-GedenkenJustin Sonders Vermächtnis: "So etwas dürft ihr nie wieder zulassen"

30. Januar 2023, 14:00 Uhr

Der ehemalige Kriminalkommissar hat in seinem Leben viele Leichen gesehen, aber die wenigsten davon im Dienst. Justin Sonder überlebte das Konzentrationslager Auschwitz. Trotzdem kehrte der Chemnitzer nach dem Krieg in seine Heimatstadt zurück, die ihn zuletzt zum Ehrenbürger machte. Viele Jahre schwieg er, aus Scham überlebt zu haben, über seine Erfahrungen. Dann wurde er zum Mahner. Er starb im November 2020 kurz nach seinem 95. Geburtstag. Nun soll er ein Denkmal in Chemnitz bekommen.

Als 17-Jähriger wurde Justin Sonder 1943 deportiert. Dabei fühlte er sich als ganz normaler deutscher Junge. Er wuchs in Chemnitz auf, begann eine Lehre zum Koch. Er wurde sogar erfolgreich gemustert und ermuntert, sich freiwillig der Waffen-SS anzuschließen. Jemand hatte übersehen, dass er aus einer jüdischen Familie stammt.

Mit 17 Jahren nach Auschwitz deportiert

1938 wird er Augenzeuge der Pogromnacht. Er beobachtet von der Wohnung, wie die Scheiben im jüdischen Kaufhaus Schocken gleich gegenüber in der Brückenstraße eingeschlagen werden: "Ich habe Angst gehabt, ich wusste nicht, was da los war. Das hat geklirrt und gekracht. Ich sah, wie SS-Leute in schwarzer Uniform, SA-Leute in brauner Uniform und viele Männer in Räuberzivil mit Beilen bewaffnet die großen Schaufensterscheiben von Schockens zertrümmerten."

Damit ändert sich sein Leben radikal. Vom Hof der heutigen Universität aus werden die Chemnitzer Juden etappenweise in die Vernichtungslager deportiert. Justin Soner erinnert sich an schreckliche Szenen.

Im Hof der heutigen Universität Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Hier spielten sich schreckliche Szenen an. Sie kamen ja zu hunderten - Männer Frauen und teilweise auch Kinder. Ich habe es erlebt, wie sich eine Frau aus dem dritten Stock in den Tod gestürzt hat. Der Leiter der Gestapo Chemnitz, Tümmler, hat sich einen Spaß gemacht mit den mitgebrachten Rucksäcken und Koffern. Er schmiss sie auf einen Haufen und rief dann beim Sortieren: 'Wo ihr hinkommt – das braucht ihr nicht, das braucht ihr nicht, das braucht ihr nicht, das braucht ihr nicht!'

Justin Sonder

Last der Erinnerung

Im März 1943 kommt Justin Sonder mit einem Viehwaggon in Auschwitz an. Als Häftling Nummer 105027.

Ab jetzt zählt für das Überleben nur noch die Arbeitskraft. Kranke und Schwache werden bei Selektionen regelmäßig "aussortiert".

Justin Sonder erlebt so etwas 16 Mal.

Gezeichnet: Im März 1943 kam Justin Sonder mit einem Viehwaggon in Auschwitz an und bekommt die Häftlingsnummer 105027 eintätowiert. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Wir haben warten müssen, bis die Selektionen los gingen. Kürzeste Wartezeit war für mich 30 Minuten, die längste vier Stunden. Da stehen die nackten Männer rum, alle mit dem Gedanken: 'Schaffst du es noch einmal, dass du weiter Arbeitssklave bleiben kannst, wenn nicht geht es die nächsten zwei Stunden in die Gaskammer.

Justin Sonder

Dass er heute noch am Leben ist, verdankt Justin Sonder dem Rat eines älteren, erfahrenen Häftlings aus Chemnitz: "Immer hinter einem latschen, der nicht mehr kann. Aber wenn du als nächster kamst und so kräftig marschiert bist, gerade aus, so, dann täuschst du die Leute, indem du damit sagst: 'Ich kann noch arbeiten. Ich bin kräftig.'"

Diese Erinnerung lastet schwer auf ihm, er fühlt sich schuldig – so paradox das klingt:

Ich habe auch nach der Befreiung Jahrzehnte nicht über diese Geschichte gesprochen, aus Scham.

Justin Sonder

Stolperstein erinnert an die Mutter

Denn er habe gewusst, dass ein anderer in den Tod gehen musste und ich habe mich so – gerettet – möchte ich sagen. 22 seiner Verwandten sind von den Nazis ermordet worden, auch seine Mutter Zita. An sie erinnert ein Stolperstein vor dem Wohnhaus der Familie in Chemnitz.

1945 kehrt Justin Sonder in seine Heimatstadt Chemnitz zurück. Er wird Kriminalkommissar, gründet eine Familie und setzt sich für Antifaschismus und Aufklärung ein.

Ein Stolperstein erinnert an die Mutter. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Rückkehr nach Chemnitz

Justin Sonder ist einer der wenigen Überlebenden von Auschwitz – und einer der letzten, der heute noch als Augenzeuge über die Verbrechen berichten kann: "So etwas dürft ihr nie wieder zulassen." Das ist seine Mahnung an die Nachgeborenen.

Auch wenn seine Lebensbilanz eher düster ausfällt: "Aus der Geschichte wurde selten gelernt."

Mahnmal im Hof der heutigen Universität Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Jüdisches Leben in Chemnitz

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Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Glaubwürdig | 30. Januar 2016 | 18:45 Uhr