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Schabbat Schalom: Wochenabschnitt Beha‘alotchaElija Schwarz: Wie die Tora Inspiration für alle Juden sein kann

04. März 2022, 12:00 Uhr

Die Tora kann eine Inspiration für das Leben aller Juden sein. Dafür muss sie jedoch immer wieder neu und zeitgemäß ausgelegt werden, um auch Menschen zu erreichen, die der Religion fern stehen, meint Kantor Elija Schwarz in seiner Auslegung des Wochenabschnitts.

Aaron erhält die Anweisung, dass und wie er im Mischkan, im Heiligtum, die aus einem Stück Gold gefertigte Menora zu entzünden hat.

Durch einen aufwendigen Einweihungsakt werden die Leviten in ihre Pflichten eingeführt. Sie werden nun im Alter von 25 bis 50 Jahren den Dienst im Heiligtum versehen. Ursprünglich waren die Erstgeborenen für diesen Dienst vorgesehen.

Über dem Mischkan, dem Wüstenheiligtum, schwebt tagsüber eine Wolken- und nachts eine Feuersäule. Diese geben jeweils das Zeichen des Ewigen zum Marsch oder zur Rast. Erhebt sich die Wolke, zieht das Volk weiter. Sinkt die Wolke, richtet das Volk sich sein Lager ein.

Der Bau von silbernen Trompeten wird beschrieben. Auch sie sollen, jeweils von den Kohanim (das sind Aarons Söhne) geblasen, als Signal ertönen. Manchmal senkt sich die Wolke über dem Mischkan nur für eine Nacht hinab, manchmal für Tage, Monate oder ein Jahr. Hier beschreibt die Tora das erste Erheben der Wolke und damit das erste Weiterziehen des Volkes, beinahe ein Jahr nach seiner Ankunft am Sinai. Das Volk glaubte zu diesem Zeitpunkt, dass in Kürze die Eroberung des versprochenen Erez Jissra‘el, des gelobten Landes, bevorstünde.

Nach dem Sinai ist quasi vor dem Sinai, denn es geht mit dem Murren des Volkes sofort weiter. Diesmal beschwert sich das Volk, dass es in Ägypten besser gelebt habe, und dass es in der Wüste kein Fleisch zu essen gäbe. Mosche betet für Fleisch, und der Ewige gibt es. Mosche ist entmutigt, ausgebrannt, zur Amtsaufgabe gestimmt und beklagt sich bei Gott ob seiner schweren Aufgabe. Darauf stellt Gott ihm 70 Weise, Berater, die prophetische Inspiration empfangen haben, zur Seite.

Als Antwort auf das Fleischbegehren geht rings um das ganze Lager der Jissra‘eliten vom Seewind getrieben eine ungeheuer gewaltige Zahl Wachteln in Schwärmen nieder. Die Menschen stürzen sich auf die Vögel und damit auf das Fleisch. Doch die, die von den gefangenen Wachteln essen, sterben an dem Fleisch.

Die Geschwister Mosches reden über dessen Frau Zippora. Sie greifen auch Mosche an und werfen ihm vor, die Beziehung zum Ewigen für sich zu monopolisieren und dabei sein eigenes Familienleben mit Zippora zu vernachlässigen.

Der Ewige sieht darin Laschon HaRa, also üble Nachrede, lässt Mosches Schwester Mirjam mit Zara‘at aussätzig werden und sendet sie für sieben Tage aus dem Lager zur Heilung. Mosche betet für ihre schnelle Genesung und das jüdische Volk wartet und zieht nicht ohne Mirjam weiter.

Wenn wir in unseren Synagogen einen Gottesdienst mit Tora-Lesung besuchen, werden wir sie immer vernehmen, die Ladesprüche, die aus unserer dieswöchigen Parascha Beha‘alotcha stammen. Wir hören und singen sie, beim Ein- und Ausheben der Tora aus dem Aron HaKodesch, der je nach Übersetzung gerne mal auch als Toraschrein oder Heilige Lade bezeichnet wird.

In Bemidbar Kapitel 10, Vers 35 und 36 stehen diese Zeilen über die Bundeslade, die unsere Toralesungen rahmen, in einem recht kriegerischen Zusammenhang. Martin Buber und Franz Rosenzweig, von denen die folgende Verdeutschung der Bibel stammt, geben den Gottesnamen hier mit einem großgeschriebenen DU wieder. „Es geschah: Wann der Schrein auszog, sprach Mosche: Steh auf, DU, dass zerstieben deine Feinde, dass entfliehen deine Hasser vor deinem Antlitz! Und wann er ruhte, sprach er: Kehr ein, DU, in die Mengen der Tausende Jissraels!“

Und tatsächlich wird unser jüdisches Volk, trotz allem Antisemitismus, nicht mehr in erster Linie von äußeren Feinen bedroht, sondern durch den Verfall unserer Religionspraxis. Da geht es vielen Juden so, wie ihren christlichen Nachbarn. Für diese Juden ist ihre Religion zu einer Nebensächlichkeit geworden, der sie gelegentlich in ihrem Lebens- und Jahreszyklus begegnen.

Gleichgültigkeit und Unwissenheit sind die inneren Feinde und sie können zerstieben und zerstreut werden, wenn die Tora, das Gesetzeswerk unserer Religion, so wie in unserem Vers beschrieben, tatsächlich aufbricht und durch Raum und Zeit geht. Die Bundeslade mit den in ihr ruhenden Gesetzestafeln war hochportabel, da sie mit Tragestangen ausgerüstet war. Diese waren kein Extra, kosteten auch nicht mehr, sondern wurden schon in der Grundausstattung mitgeliefert!

Die Tora kann eine ständige Beeinflussung, nennen wir es ruhig Inspiration, für das Leben aller Juden sein und diese inneren Feinde vertreiben. Aber dafür muss sie aufbrechen. Das bedeutet, dass das Gesetz nie stehenbleiben darf und sich weiterentwickeln muss, um seine wahre Kraft zu entfalten und auch den unserer Religion Fernstehenden Antworten auf ihre entscheidenden Lebensfragen zu geben.

Schabbat Schalom!

Zur Person: Elija SchwarzElija Schwarz (*1969) arbeitet als Kantor und Religionslehrer für den Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen und betreut auch das Jüdische Seniorenheim Hannover. Zuvor war er fünf Jahre lang Kantor der Etz-Chaim-Synagoge in Hannover. Parallel dazu leitet seit er 2003 Gottesdienste im Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein. Wenn er nicht dienstlich unterwegs ist, lebt Elija Schwarz in Halle an der Saale.

Schabbat Schalom bei MDR KULTURDie Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 09. Juni 2023 | 15:45 Uhr