Katia Novominski
Katia Novominski ist Rebbetzin der Jüdischen Gemeinden in Halle und Dessau. Bildrechte: Privat

Schabbat Schalom mit Katia Novominski | 15.07.2022 Balak: Jeder Mensch hat eine Hauptrolle

04. März 2022, 12:00 Uhr

Diese Woche lesen wir den Wochenabschnitt Balak. Die Geschichte, die dort passiert, gehört zu den berühmtesten aus der Tora. Balak, der König Moaws, erspäht in der Ferne das jüdische Volk und möchte es besiegen, obwohl es nicht einmal annähernd seine Ländereien passiert. Doch inzwischen hat sich herum gesprochen, dass G´tt Wunder vollbracht hat und dass Er Sein Volk beschützt. Balak jedoch findet einen genialen Weg: Er lässt Bileam rufen, um das jüdische Volk zu verfluchen, auf, dass es besiegbar werde.

Balak spielt die Nebenrolle - vermeintlich

Wer war Bileam, dass Balak solche Hoffnungen in ihn setzte? Nicht mehr und nicht minder als einer der größten nichtjüdischen Propheten aller Zeiten. Sein Niveau wird mitunter mit Mosche verglichen. Am Anfang der Parascha lesen wir über den langen Überredungsprozess von Bileam und die berühmte Geschichte mit einer Eselin, die zu ihm gesprochen hat. Mehr dazu kann man in den Kapiteln 22 bis 24 des 4. Buches Moses (Bemidbar) nachlesen.

Denn allem voran steht die Frage, weshalb ein Wochenabschnitt in der Tora nach einem nichtjüdischen Bösewicht benannt ist. Hauptakteur und Hauptstar der Parascha ist der große Prophet Bileam. Die ganze Geschichte dreht sich um ihn. Über Balak lernen wir kaum etwas. Und trotzdem heißt die Parascha Balak und nicht Bileam. Zur Erklärung dafür zeigt der siebte Lubawitscher Rebbe Rabbi Menachem Mendel Schneerson in den Sichot Kodesh von 5733 einen sehr interessanten Gedanken: Balak ist derjenige, der die eigentliche Idee hatte. Er ist derjenige, der mit seiner Aufforderung, das jüdische Volk zu verfluchen, den Stein ins Rollen versetzt. Daher ist er auch derjenige, der zur Verantwortung herangezogen werden soll.

Sich aktiv in die Gesellschaft einbringen

Soll es damit für uns heißen, dass wir uns zurückhalten sollen, um ja nicht zu viel zu sagen oder zu machen? Nein, ganz im Gegenteil!  Man mag denken, dass man keine wichtige Position in der Gesellschaft oder nicht so viel erreicht hat. Man mag manchmal denken, nur eine Nebenrolle zu spielen. Doch: Falsch gedacht! Die Geschichte von Balak zeigt uns, dass eine Idee, eine Anregung schon sehr viel in der Welt verändern kann. Man kann und soll sich in die Gesellschaft, in die Gemeinschaft einbringen. Man kann einen guten Rat erteilen, man kann Impulse geben, man kann die Mitmenschen auf viele Arten unterstützen.

Kein Mensch spielt in diesem Leben eine Nebenrolle. Jeder, unabhängig von seiner Herkunft, seiner Bildung, seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten, ist Hauptakteuer in seinem Leben und kann Einfluss nehmen.

Mögen wir alle immer daran denken und die Welt um uns zum positiven verändern!

Schabbat Schalom!

Zur Person: Katia Novominski Katia Bruria Novominski, geboren 1985 in Kiew, aufgewachsen in Dresden. Studierte Gymnasiallehrerin für Physik und Russisch. Vor 20 Jahren fing sie mit jüdischer Jugendarbeit in Sachsen an, später arbeitete sie sechs Jahre im Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Dresden und leitete Bildungsprojekte bei der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST). Geschäftsführerin der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe, anschließend Leiterin der Repräsentanz der Jewish Agency for Israel in Berlin, jetzt Geschäftsführerin des Bundes traditioneller Juden in Deutschland (BtJ), Rebbetzin der jüdischen Gemeinden in Halle und Dessau, Religionslehrerin in Sachsen-Anhalt und – das ist ihr am wichtigsten - Ehefrau von Rabbiner Portnoy und Mutter von drei Söhnen.

Schabbat Schalom bei MDR KULTUR Die Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 15. Juli 2022 | 15:45 Uhr

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