Schabbat Schalom | MDR Kultur | 24.03.2023 Wochenabschnitt: Paraschat Wijkra - Dankbar sein und bereuen können
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Dankbarkeit zeigen, für all das, was man hat und Dinge bereuen, die man falsch gemacht hat - auch spirituell - das empfiehlt die Leipziger Religionslehrerin Michal Natovich in ihrer Auslegung des Wochenabschnitts Paraschat Wijkra.
Stellen Sie sich vor, dass Sie sich für all die guten Sachen bedanken wollen, die Sie in Ihrem Leben haben. Ihre Gesundheit, Ihren Job, Ihren Partner, Ihre Kinder und gute Beziehungen zu anderen Menschen. Vielleicht auch für die Tatsache, dass Sie in einem friedlichen Land leben. Sollten Sie dafür nicht dankbar sein? Wie können Sie Ihre Dankbarkeit zeigen?
Was werden Sie tun, wenn Sie etwas getan haben, das furchtbar falsch ist und Sie sich deswegen sehr schlecht fühlen? Wie können Sie es besser machen?
Stellen Sie sich weiter vor, Sie wollen den spirituellen Bereich des Lebens erforschen, sich mit Gott verbinden? Wie machen Sie das?
Dankbarkeit für die Dinge, die man hat, oder Reue für die Dinge, die man falsch gemacht hat und die Verbindung zu Gott sind Thema des Wochenabschnitts dieser Woche, Paraschat Wijkra, der die Eröffnungsparascha für das Buch Wajikra (Levitikus) ist.
Aber auf den ersten Blick sieht es nicht so aus. Was wir tatsächlich in dem Wochenanschnitt lesen können, ist eine sehr lange, detaillierte Liste von Opfern, die die Menschen in den Tempel bringen sollten. Was waren diese Opfer? Die Opfer stammen von Tieren wie Schafen oder aus der Landwirtschaft, von Früchten und so weiter. Die Opferrituale wurden von der Zeit Israels in der Wüste bis zur Zerstörung des zweiten jüdischen Tempels durch die Römer praktiziert. Seit dieser Zeit praktizieren die Juden keine Opfergaben mehr.
Warum eigentlich haben die Juden Gott Opfer erbracht? Ist es nicht so, dass die Gottesvorstellung im Judentum die eines abstrakten Gottes ist, der über aller Materie steht? Ein solcher Gott hat es sicher nicht nötig zu essen!
Zweck des Opferns ist symbolisch
Rabbi Nachmanides aus dem 13. Jahrhundert argumentiert, dass der Zweck dieses Opfers im Judentum ein symbolischer ist. Die Opfer dienten nicht dem Wohlgefallen Gottes, sondern damit wir Gott näherkommen können. Das hebräische Wort "Opfer" ("Korban") hat die gleiche Wurzel wie "nahe" ("Karow"). Mit anderen Worten: Wir wollen mit Gott in Kontakt kommen, also geben wir etwas, das für uns wertvoll ist. Er erklärt weiter, dass die verschiedenen Arten von Opfern, die in der Tora beschrieben werden, jeweils ihre eigene, einzigartige Symbolik und Bedeutung haben und dass sie alle dazu dienen, den Anbetenden auf sinnvolle Weise mit Gott zu verbinden.
Aber wenn wir Gott näherkommen wollen, reicht es dann wirklich aus, nur ein schönes Geschenk mitzubringen? Laut Rabbi Jonathan Sachs reicht der physische Akt des Opferns eines Tieres nicht aus, um eine sinnvolle Verbindung mit Gott herzustellen. Vielmehr muss der Akt des Opferns von einem tiefen Gefühl der Absicht und des Zwecks begleitet sein, um den Anbeter dem Göttlichen wirklich näher zu bringen. Die Intention, die hinter dem Opfer steht, verleiht ihm seine spirituelle Bedeutung.
Andere Wege, um Dankbarkeit zu zeigen
Seit der Zerstörung des zweiten Tempels praktizieren wir Opferung nicht mehr. Die Juden fanden andere Wege, um Dankbarkeit und Reue zu zeigen und sich mit Gott zu verbinden. Eine davon sind die Gebete, eine andere, die Tora zu lernen. Trotzdem kann man sich von der Idee der Opferung inspirieren lassen, einen Moment innezuhalten und über unser Leben nachzudenken. Was schätzen wir in unserem Leben? Für was sollten wir dankbar sein? Was sollten wir besser machen?
Wir können reflektieren und sehen, ob wir etwas zurückgeben können, etwas von uns selbst, dass wir anbieten können. Es könnte Geld für wohltätige Zwecke sein, oder Menschen zu helfen, die weniger Glück haben als wir, oder einfach nur, um zur richtigen Zeit ein gutes Wort zu jemanden zu sagen.
Es gibt viele Möglichkeiten, wie wir etwas zurückgeben können. Jeder von uns kann seinen Weg finden. Es ist ein Weg, Gott näher zu kommen, und vielleicht auch, um uns selbst näher zu kommen.
Schabbat Schalom!
Zur Person: Michal Natovich
Michal Natovich wurde 1979 in Israel geboren und wuchs in einer modernen orthodox-jüdischen Familie auf. Sie studierte Literatur auf Lehramt und arbeitete nach ihrem Diplom-Abschluss mehrere Jahre als Lehrerin für Hebräische Sprache und Literatur an einer israelischen Schule.
Seit 2012 wohnt sie mit ihrer Familie in Leipzig. Dort war sie als Hebräisch-Dozentin in verschieden Institutionen tätig. Seit 2020 arbeitet sie als Lehrerin für Jüdische Religion in Leipzig und Dresden.
Schabbat Schalom bei MDR KULTUR
Die Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.
Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.
"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 24. März 2023 | 15:45 Uhr