ÜberblickSynagogen in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen
Die älteste erhaltene Synagoge Europas steht in Erfurt. Heute ist sie Museum und Begegnungstätte – und seit September 2023 UNESCO-Welterbe. In Dessau und Magdeburg wurden ebenfalls 2023 zwei neue Synagogen eröffnet. Ein Überblick über historische und neue Orte jüdischen Lebens in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen.
Inhalt des Artikels:
Synagogen in Sachsen
Geweiht wird die Synagoge in Görlitz 1911. Damals leben etwa 600 jüdische Bürger in Görlitz. Durch glückliche Umstände wird der Jugendstilbau in der Pogromnacht im November 1938 nur leicht beschädigt, ein Feuer kann rechtzeitig gelöscht werden. Die Gemeinde muss sich 1939 auflösen, viele Mitglieder werden deportiert und kommen in den Vernichtungslagern ums Leben. In den 1960er-Jahren geht die Synagoge in das Eigentum der Stadt über und verfällt zusehends. Nach der Wende engagiert sich ein Förderverein für den Wiederaufbau.
Nach 30 Jahren der Sanierung wird die Görlitzer Synagoge am 12. Juli 2021 wiedereröffnet, als Kulturzentrum und sakraler Raum. Bund, Land und Stadt haben 12 Millionen Euro investiert in einen Ort, der beitragen soll zu mehr Wissen und Verständnis der jüdischen Kultur sowie zur Stärkung einer lebendigen Gemeinschaft der Jüdinnen und Juden in Sachsen.
Neue Synagoge in Chemnitz: Im September 2020 feiert die jüdische Gemeinde Chemnitz ihr 135-jähriges Bestehen. Nur acht Überlebende des Zweiten Weltkries haben sich 1945 wieder zu einer Gemeinde formiert. 1961 bekommt sie ein eigenes Gemeindehaus, 2002 den markanten Neubau.
Der eigentliche Gebetsraum für 300 Menschen ist eine nach unten konisch zulaufende Ellipse und von einem Glasdach überspannt. Das Gebäude ist von zwei Flachbauten umrahmt. Der Entwurf des Gotteshauses stammt vom Architekten Alfred Jacoby aus Frankfurt am Main. Die Stadt Chemnitz hatte ihn 1998 damit beauftragt. Zuletzt realisierte er den Neubau in Dessau. Übrigens befindet sich in der Chemnitzer Synagoge auch die erste öffentliche Hörbuch-Bibliothek in russischer Sprache. Wegen Sanierungsarbeiten ist das Gotteshaus bis Sommer 2025 geschlossen.
Neue Dresdner Synagoge: Zehn Jahre lang lagert der goldene Davidstern der Alten Dresdner Synagoge versteckt auf einem Dachboden. Gerettet haben ihn Dresdner Feuerwehrmänner während des Pogroms am 9. November 1938. Einer von ihnen, Alfred Neugebauer, übergibt ihn 1949 an den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde. Heute schmückt der Stern den Eingang der 2001 geweihten Neuen Dresdner Synagoge. Diskutiert wird derzeit über ein Dokumentationszentrum für jüdische Geschichte in Dresden.
"Brodyer Synagoge" in Leipzig: Bevor die Doppelhaushälfte in der Keilstraße 4-6 ab 1904 als Synagoge des Leipziger Talmud-Tora-Vereins genutzt werden kann, muss die Decke zwischen Erd- und erstem Obergeschoss entfernt und der Fußboden abgesenkt werden. Die Bezeichnung "Brodyer Synagoge" Leipzig geht auf die in der heutigen Ukraine gelegenen Stadt Brody zurück. Von dort stammen jüdische Pelzhändler, die sich im 18. Jahrhundert in Leipzig niederlassen.
Synagogen in Sachsen-Anhalt
Mit der Weill-Synagoge entsteht in Dessau der erste Neubau einer Synagoge in Sachsen-Anhalt nach dem Zweiten Weltkrieg. Die äußere Gestalt der Synagoge soll an eine Tora-Rolle erinnern. Namensgeber ist der frühere Kantor der jüdischen Gemeinde und Vater des Komponisten Kurt Weill, Albert. Die Gemeinde hat sich 1994 neu gegründet, bis zur Eröffnung des Neubaus am 22. Oktober 2023 trifft sie sich im Gemeindehaus mit Gebetsraum.
Das denkmalgeschützte Rabbinerhaus wird auch als Kantorhaus bezeichnet, in dem Kurt Weill (1900-1950) aufwächst, sein Vater Albert ist von 1898 bis 1920 Kantor der damals rund 600 Mitglieder starken Gemeinde. Mit dem Pogrom vom 9. November 1938 erlosch das jüdische Leben in der Stadt. Durch den Zuzug durch Jüdinnen und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion wurde es neu begründet, heute hat die orthodoxe Gemeinde rund 260 Mitglieder.
Die ab 1787 errichtete Synagoge am Rande des Wörlitzer Schlossgartens wird schon ab 1900 nicht mehr als solche genutzt. Inzwischen ist sie denkmalgerecht saniert. Ebenfalls erhalten ist die Mikwe im Unterbau – ein rituelles Tauchbecken, wie es sie in der Region kaum noch gibt. Seit 2003 befindet sich in der Synagoge eine Ausstellung über die Geschichte der Juden in Anhalt. Darüber informiert auch der Bildband "Jüdisches Leben in Anhalt". Die Idee dazu hatte der inzwischen pensionierte Dessauer Pfarrer Dietrich Bungeroth.
Synagoge in Halle: Nach dem Zweiten Weltkrieg wird das Taharahaus, in dem die Leichenwaschung verstorbener Juden stattfindet, auf dem jüdischen Friedhof in Halle zur Synagoge umgebaut. 1953 wird sie geweiht. In Halle haben nur 49 Jüdinnen und Juden die NS-Zeit überlebt, 1933 sind noch etwa 1.200 Menschen jüdischen Glaubens in der Saalestadt zuhause. Zu Jom Kippur 2019 wird die jüdische Gemeinde Ziel eines Anschlags, während rund 50 Menschen den Gottesdienst zum Versöhnungsfest feiern. Glücklicherweise hält die Tür den Schüssen Stand. Zum 5. Jahrestag gab es in der Synagoge ein stilles Gedenken.
Am 6. Mai 2022 erfolgt der erste Spatenstich für die neue Synagoge in Magdeburg, 85 Jahre nach der Zerstörung der alten in der Pogromnacht 1938. Der Förderverein "Neue Synagoge Magdeburg" unter Leitung der evangelischen ehemaligen Dompredigerin Waltraut Zachhuber hat sich viele Jahre für den Neubau im Stadtzentrum eingesetzt. Schon im September 2019 beschließt der Stadtrat die Schenkung des Grundstückes Julius-Bremer-Straße 3. Der Neubau wird am 10. Dezember 2023 eingeweiht. Insgesamt hat der Bau der neuen Synagoge 7,6 Millionen Euro gekostet. Davon entfielen 2,8 Millionen Euro allein auf die Sicherheitstechnik. Neben der Unterstützung von Land und Bund hat die Gemeinde selbst 300.000 Euro aufgebracht. Der Förderverein hat 500.000 Euro an Spenden für das Projekt gesammelt. In Magdeburg gibt es heute zwei jüdische Gemeinden, eine orthodoxe und eine liberale.
1933 hatte die jüdische Gemeinde rund 2.300 Mitglieder, 1945 waren es nur noch 83. Seit den 1960er Jahren residierte die kleine Gemeinde in einem bescheidenen Provisorium am Neustädter Bahnhof in Magdeburg. Dort wurde ein Wohnhaus zur Synagoge umfunktioniert. Nichts erinnerte mehr an die Pracht der 1938 zerstörten Synagoge mit den orientalisch anmutenden Türmen. Seit 1990 wuchs die Gemeinde vor allem durch Übersiedler aus der ehemaligen Sowjetunion auf etwa 500 Mitglieder. Die liberale Gemeinde, die der Union Progessiver Juden angehört, will den Neubau nicht nutzen, weil dort Gottesdienste nur nach orthodoxem Ritus gehalten werden sollen, was etwa bedeutet, dass Männer und Frauen getrennt beten.
Mitte des 18. Jahrhunderts wird die Synagoge in Gröbzig gebaut. 1934 wird sie zum Heimatmuseum umfunktioniert, was sie wahrscheinlich vor der Zerstörung in der Pogromnacht 1938 schützt. Am 3. November 1988 wird das Ensemble als Museum Synagoge Gröbzig wiedereröffnet. Es besteht aus der Synagoge, einem Gemeindehaus, dem Cheder - der jüdischen Grundschule, der Remise und dem jüdischen Friedhof. Zum Museumskomplex gehört ein Jugendbildungszentrum. Seit 2019 laufen Umbauarbeiten, die 2023 beendet sein sollen. Trotzdem lohnt sich ein Besuch vorab: Es werden noch Stadt- und Friedhofsführungen und pädagogische Programme angeboten, die Einblicke erlauben ins jüdische Leben in Anhalt.
Die Barocksynagoge von Halberstadt ragt einst so hoch über die Dächer der Altstadt, dass sie auch vom Domplatz deutlich zu erkennen ist. Heute wächst am Standort wildes Grün. Nicht, weil es am Gärtner fehlt. Es ist eine Art grüne Synagoge, belebt von Pflanzen, die schon in der Bibel vorkommen. Die Idee und die Umsetzung stammt vom Künstler Olaf Wegewitz. Von der Synagoge selbst ist nur noch eine Ruinenwand übrig. 1712 lässt der Hofjude Berend Lehmann sie erbauen. Die Unternehmerfamilie Hirsch modernisiert den Bau am Ende des 19. Jahrhunderts, der nun über eine Eingangshalle mit Kupferbecken zur rituellen Handwaschung verfügt. In der Pogromnacht 1938 wird die Synagoge geplündert, die Thorarollen werden auf der Straße verbrannt. Die jüdische Gemeinde muss aufgrund einer baulichen Verfügung der Stadt den Abriss der Synagoge wenige Wochen später selbst finanzieren. 70 Jahre nach der Auslöschung der jüdischen Gemeinde erinnert das Kunstprojekt "DenkOrt" von Olaf Wegewitz an diesen zerstörten Ort des Glaubens und des Gebets.
Die bedeutende Rolle, die Halberstadt in der Geschichte der Juden im heutigen Mitteldeutschland gespielt hat, zeigt sich bei einem Stadtrundgang. Deutlich wird sie auch im Berend Lehmann Museum für jüdische Geschichte und Kultur oder beim Blick auf die drei jüdischen Friedhöfe, die es in Halberstadt gibt.
Die Synagoge von Eisleben wird 1850 von dem Rabbiner Ludwig Philippson eingeweiht, ein bedeutender Wortführer für die Rechte der Juden. 1938 wird die Synagoge enteignet, entweiht und geschändet. Lange verfällt sie. Im Jahr 2010 erwirbt der Verein Eisleber Synagoge e.V. Gebäude und Grundstück. Seitdem bemüht sich das Bürgerprojekt um Sicherung und Rekonstruktion. So konnte in Kooperation mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft das Dach erneuert und mit Unterstützung des Kultusministeriums die Vorderfront des Hauses wiederhergestellt werden, nachdem im Jahr zuvor die Hinterfront repariert wurde.
Die bauliche Hülle ist damit komplett wiederhergestellt. Danach steht der Innenausbau an. Doch die Sanierung stockt wegen fehlender finanzieller Mittel.
Ziel ist es, dabei die noch vorhandenen Spuren zu bewahren, ein Museum und kulturelles Begegnungszentrum aufzubauen. Schon jetzt finden Veranstaltungen in dem noch unfertigen Synagogensaal statt, jedes Jahr beteiligt sich der Verein am Tag des offenen Denkmals.
Die rund 30 Mitglieder des Vereins forschen außerdem zur jüdischen Regionalgeschichte. Durch die Verlegung von Stolpersteinen, Ausstellungen und pädagogische Angebote und Projekte vermitteln sie dieses Wissen über das jüdische Leben im heutigen Landkreis Mansfeld-Südharz. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit der antijudaistischen Einstellung des berühmtesten Sohnes der Stadt, Martin Luther. Im September 2021 wird der Verein für sein Wirken mit dem Werner-Sylten-Preis für christlich-jüdischen Dialog ausgezeichnet.
Die Synagoge in Haldensleben wird Anfang des 19. Jahrhunderts als israelitischer Tempel direkt in der bürgerlichen Nachbarschaft erbaut, für eine Gemeinde, die erst seit 1809 in Haldensleben existiert. Die Synagoge wird 1907 an die Neuapostolische Gemeinde verkauft. 2002 übernimmt der Landkreis Börde die vom Verfall bedrohte Synagoge samt Kirche. Als Kulturdenkmal gehört sie nun zum Museum Haldensleben. 2007 kommt es zur großen Neueröffnung der Gebäude unter dem Namen "Haus der anderen Nachbarn". Es soll ein Ort sein der Begegnung zwischen Menschen verschiedenster Religion und Herkunft, die in Haldensleben lebten und immer noch leben. Zwar liegt der Fokus liegt auf dem jüdischen Glauben; vor allem auf der Geschichte der Gemeinde und des Tempelbaus. Ziel ist es aber, interreligiöses Wissen zu vermitteln. Das Haus befindet sich in der Steinstraße 18 und kann im Rahmen einer Führung oder während der vom Museum veranstalteten pädagogischen Programme besucht werden.
Synagogen in Thüringen
In Erfurt finden Feierlichkeiten der jüdischen Gemeinde seit 1952 in der Neuen Synagoge statt. Es handelt sich um den einzigen Neubau einer Synagoge in der DDR.
In Erfurt steht zudem eine der ältesten erhaltenen Synagoge Europas. Das 900 Jahre alte Gebäude firmiert heute als Museums- und Begegnungsstätte: Alte Synagoge. Im September 2023 wird sie mit den jüdisch-mittelalterlichen Zeugnissen in der Stadt zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt.
In Thüringen wird am 22. Mai 2022 eine neue Synagoge in Eisenberg geweiht. Gedacht ist sie v.a. als Gebetsraum für jüdische Patientinnen und Patienten der Waldkliniken Eisenberg. Neben dem Gebetsraum bietet die Klinik ihnen auch koscheres Essen und eine auf die jüdischen Religionspflichten ausgelegte Ausstattung. Laut dem Thüringer Landesrabbiner Alexander Nachama ist die Eisenberger Synagoge auch für Jüdinnen und Juden aus der Region gedacht. Die Frage sei allerdings, inwieweit es dort überhaupt Gottesdienste geben könne, sagte Nachama. Nach den jüdischen Regularien müssten für einen Gottesdienst mindestens zehn jüdische Männer anwesend sein.
Möglicherweise bis ins 16. Jahrhundert geht die Entstehung der jüdischen Gemeinde von Berkach zurück. 1838 wird eine Synagoge erbaut. Die jüdische Kultusgemeinde muss die Synagoge 1939 verkaufen. Sie soll eigentlich abgerissen werden. Immerhin gelingt es, eine der sechs Tora-Rollen zu retten. Das ausgeplünderte Gebäude geht 1943 in das Eigentum der Raiffeisenbank über. Nach dem Krieg wird sie kurzzeitig als Kommandantur der Sowjetarmee genutzt, später als Schmiede, Werkstatt und Lagerraum der LPG. Die Synagoge wird 1990 restauriert und am 3. November 1991 feierlich wiedereingeweiht. Seitdem kann sie von der Landesgemeinde wieder als Betraum genutzt werden.
An der ehemaligen jüdischen Schule gleich neben der Synagoge erinnert eine Tafel an den Kantor, Lehrer und Herausgeber der "Liturgischen Zeitschrift", Hermann Ehrlich, der dort auch wohnte. Wie die Synagoge an der Mühlfelder Straße bleibt das kleine Ritualbad als eine der wenigen sakralen Bauten der Südthüringer Landjuden erhalten, genutzt als Geräteschuppen.
In Aschenhausen bei Kaltennordheim gibt es bis 1938 eine jüdische Gemeinde. Ihre Entstehung geht in die Zeit um 1700 zurück. 1843 wird eine Synagoge geweiht, die sich am klassizistischen Stil der Dresdner Sempersynagoge orientiert. Deren äußere Hülle ist erhalten geblieben. Die Synagoge gilt als einer der interessantesten Sakralbauten des deutschen Landjudentums überhaupt.
1936 findet ein letzter Gottesdienst statt. Danach wird sie vom neuen Eigentümer als Scheune genutzt und deswegen in der Progromnacht 1938 vermutlich nicht angezündet. Zu DDR-Zeiten gibt es Überlegungen, in der einstigen Synagoge eine Stätte der Begegnung einzurichten. 1987 beginnt die Restaurierung, die mit Hilfe vieler Freiwilliger 1991 abgeschlossen wird. Seither wird sie als Stätte der Begegnung und Erinnerung genutzt.
Die Synagoge in Meiningen wird Ende des 19. Jahrhunderts in der Altstadt direkt am Mühlgraben, einem Nebenarm der Werra gebaut, als ein prachtvoller Bau im byzantinischen Stil. In der südthüringischen Stadt leben damals etwa 450 Jüdinnen und Juden, die sich erst ab 1866 überhaupt in der Stadt und Umgebung haben niederlassen dürfen. 1936 hält die Israelitische Kultusgemeinde dort ihren letzten Gottesdienst. In der Pogromnacht wird die Synagoge geplündert. Ende 1938 muss die Gemeinde sie verkaufen, 1939 wird sie komplett abgetragen. 1988 wird an dem Platz eine Gedenkstätte eingerichtet, wo alljährlich am 9. November an die systematische Verfolgung und Vernichtung jüdischen Lebens erinnert wird. Derzeit saniert die Stadt die einstige Villa der jüdischen Bankiersfamilie Strupp. Eine Stiftung, gegründet von den Nachkommen, will das Gedächtnis an berühmte jüdische Meininger wachhalten. Dazu gehörten Persönlichkeiten wie Ludwig Chronegk als Reformer des Regietheaters, Friedrich Gernsheim als Komponist und Dirigent, Moses Sachs als erster Deutsch-jüdischer Auswanderer 1830 und Fritz Bernstein, einer der ersten Minister Israels, der 1948 auch die Unabhängigkeitserklärung des neuen Staates unterzeichnet.