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Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Stephan Schulz

MDR Fernsehen | 05.05.2024 | 10 UhrLive aus Friedensau: Gottesdienst zum 125jährigen Jubiläum der Theologischen Hochschule

22. April 2024, 10:01 Uhr

Seit 1899 werden in Friedensau Menschen für den Dienst am Menschen ausgebildet. Aktuell sind dort rund 258 Studierende aus 42 Nationen eingeschrieben. So ist das Dorf im Jerichower Land zugleich ein internationaler Campus. Träger der staatlich anerkannten Hochschule ist die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten. Zum 125. Gründungsjubiläum der Theologischen Hochschule Friedensau überträgt der MDR den Gottesdienst aus dem Ort unweit der Landeshauptstadt Magdeburg in Sachsen-Anhalt.

von MDR Religion und Gesellschaft

Mitten in der ländlichen Idylle liegt Friedensau, 30 Kilometer östlich von Magdeburg im Jerichower Land. Mehr als die Hälfte der rund 450 Einwohnerinnen und Einwohner sind Studierende: 258 junge Menschen aus 42 Nationen. Neben den theologischen Bachelor- und Masterstudiengängen werden deutsch- und englischsprachige Studienprogramme in Musiktherapie, Soziale Arbeit, Counseling, International Social Work und Development Studies angeboten.

"Mache Dich auf und werde Licht!"

Träger der staatlich-anerkannten privaten Hochschule ist die Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten. Die Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten zählt weltweit knapp 22 Millionen Gläubige, in Deutschland gibt es rund 34.000 Mitglieder. Sie stehen den anderen christlichen Kirchen nahe, feiern aber am Samstag und nicht am Sonntag Gottesdienst. Außerdem prägt weniger eine feste Liturgie den Charakter adventistischer Gottesdienste, sondern vielmehr kommunikative Elemente. Die Übertragung aus der Kapelle Friedensau lädt ein, diese Besonderheiten zu erleben.

Die Predigt zum Thema "Mache dich auf und werde Licht!" (nach Jes 60,1) hält der Kirchenhistoriker Dr. Johannes Hartlapp. Es singen und musizieren der Internationale Chor der Studierende der Theologischen Hochschule Friedensau unter Leitung von Itje Zepnik und Matej Luksic. Ein interaktiver Kindermoment zu Beginn des Gottesdienstes wird von der Erlebnispädagogin Cordula Hartmann gestaltet. Durch die Liturgie führt der Praktische Theologe und Dekan der Theologischen Fakultät Dr. Alexander Schulze.

Otto-Lüpke-Haus, benannt nach dem ersten Schulleiter. Bildrechte: Ralph Spiegler

Stichwort: Was glauben und wie leben Siebenten-Tags-Adventisten?

  • Siebenten-Tags-Adventisten glauben an die Wiederkehr Jesu Christi, heilig halten sie den siebenten Tag – nach abrahamitischer Zählung ist das der Samstag (Sabbat). Deshalb wird auch am Samstag und nicht am Sonntag Gottesdienst gefeiert.
  • Zentrales Element des adventistischen Gottesdienstes ist die Predigt. Weitere Bestandteile sind Musik, Textlesungen, Gemeindegesang, das Bibelgespräch und ein interaktiv gestalteter Kindermoment.
  • Grundlage der Glaubensüberzeugungen der Siebenten-Tags-Adventisten ist die Bibel, zentral für die Glaubenspraxis sind die wöchentlichen Bibelgespräche, in die aktuelle Themen einfließen können.
  • Die Taufe setzt ein gründliches adventistisches Bibelstudium voraus, getauft werden können deshalb nur Erwachsene.
  • Ihre Aufgaben in der Gemeinschaft sehen die Adventisten hauptsächlich in sozialer Arbeit und in der Entwicklungshilfe.
  • Das Advent-Wohlfahrtswerk e.V. (AWW) ist Gründungsmitglied des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, außerdem Träger von Kindertagesstätten, einer Heilpädagogischen Tagesstätte, einer Einrichtung für Suchtberatung und Suchtbehandlung in Chemnitz sowie einem Übernachtungshaus für wohnungslose Frauen in Leipzig. Darüber hinaus werden Seniorenheime, Hospize, eine Wohneinrichtung für Menschen mit Behinderung und eine Schule in Oranienburg betrieben.
  • Global gesehen leben die meisten der 22 Milionen Adventisten in Afrika (9,8 Millionen), Lateinamerika (6,2 Millionen) und Asien (4,2 Millionen).
  • Viele Adventisten ernähren sich sehr bewusst und verzichten auf Fleisch, Alkohol oder Tabak.


Quellen: AWW, APD

Siebenten-Tags-Adventisten im Jerichower Land: Mühle, "Industrie- und Missionsschule", moderner Campus

Entstanden ist die Glaubensgemeinschaft Mitte des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten, sie breitete sich schnell nach Europa aus. Die erste Gemeinde der protestantischen Freikirche in Deutschland entstand 1876 in Wuppertal. Am Flüsschen Ihle im Jerichower Land kaufte die Deutsche Vereinigung der Siebenten-Tags-Adventisten 1899 zunächst eine alte Mühl, um dort eine "Missions- und Industrieschule" zu bauen.

Historisches Gebäude auf dem Campus der Theologischen Hochschule Friedensau, heute gibt es hier rund 250 Studenten und Studentinnen aus 40 Ländern. Bildrechte: Alexander Schulze

Der erste Schulleiter Otto Lüpke begann den Unterricht in Friedensau mit sieben Schülern. Vor dem Ersten Weltkrieg absolvierten hier bis zu 257 junge Menschen aus 14 Nationen ihre Ausbildung. Schon damals hatte die Hochschule Bedeutung weit über die Region hinaus. Im Verlauf der beiden Weltkriege kam der Lehrbetrieb zum Erliegen, die Gebäude wurden als Lazarett genutzt. In der NS-Zeit war die Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten zeitweise verboten, der Schulbetrieb unterbrochen. Erst 1947 ging die Schule wieder in Betrieb, wiedereröffnet wurde sie als erste kirchliche Ausbildungsstätte in der SBZ. 1982 immatrikulierten sich erste ausländische Studierende aus Afrika und Osteuropa. In der DDR konnte sich das Theologische Seminar in Friedensau als Ausbildungsstätte behaupten. Daraus entstand die private Hochschule, die seit 1990 staatlich anerkannt ist. 1999 wurde ein neues Wohnheim gebaut, 2008 der Neubau der Hochschulbibliothek eingeweiht.

Stichwort: Theologische Hochschule Friedensau

  • Heute ist die Theologische Hochschule Friedensau neben der Hochschule für Kirchenmusik in Halle eine der beiden kirchlichen Hochschulen in Sachsen-Anhalt.


  • In den Fachbereichen Christliches Sozialwesen und Theologie können derzeit zehn B.A.- und M.A.-Studiengänge – zum Teil berufsbegleitend, online oder in Teilzeit – belegt werden. Rund 260 Studierende aus über 40 Nationen sind eingeschrieben.
  • Pro Semester sind Studiengebühren zwischen 2.000 und 3.000 Euro zu entrichten. Ausgelobt werden Stipendien und Preise, wie der Blomstedtpreis für besondere Leistungen, der auf den früheren Gewandhauskapellmeister Herbert Blomstedt und dessen Frau zurückgeht und mit 500 Euro dotiert ist.


  • Die meisten Studierenden sind Adventisten, dies ist jedoch keine Voraussetzung für ein Studium in Friedensau.


  • Der Hochschule ist es wichtig, dass die Studierenden sich neben ihrer theoretischen Ausbildung auch praktisch betätigen. Zum Beispiel nehmen die Theologiestudentinnen und -studenten Aufgaben in den Kirchgemeinden in Friedensau und der Umgebung wahr und testen damit ihre künftigen Einsatzgebiete. Ebenso die Studierenden des Fachbereichs Christliches Sozialwesen, die sich in sozialen Einrichtungen vor Ort oder im Landkreis zum Beispiel in der Kinder- und Jugendhilfe engagieren, "um Lehre mit Leben und Wissen mit Verantwortung" zu verbinden.


  • In Friedensau ist alles über kurze Wege erreichbar: Lehr- und Seminarräume, Aula, Bibliothek, Sport- und Freizeiteinrichtungen, wie Freiluftschach, Tennisplatz, Reiterhof und Naturschwimmteich, aber auch das Ladencafé und die Post.


  • In der Lehre ist eine enge Verbindung zwischen Lehrenden und Studierenden gegeben, seltene Studiengänge wie M.A. Musiktherapie, M.A. Counseling (Ehe-, Familien und Lebensberatung) und englischsprachige Studiengänge (wie Development Studies) werden angeboten. Die moderne Hochschulbibliothek hält aktuell 150.000 Medien zur Ausleihe bereit und ist online an internationale Bibliotheksverbünde und Rechercheportale angeschlossen.

Die Kapelle wird vom Rosettenfenster, der hohen Holzdecke und umlaufender Empore geprägt. Bildrechte: Simone Kittel/MDR

Kapelle mit Rosette und fragilem Netzwerk

Die Kapelle wurde 1904 gebaut. Auf der Empore befindet sich eine Schuke-Orgel. An der Stirnseite zum Süden hin dominiert ein großes Rundfenster in Form einer Rosette den Raum. In deren Mitte platziert ist das Christusmonogramm, darum herum, von einer Dresdner Künstlerin neu gestaltet, zeigt sich ein stilisiertes Netz aus unregelmäßigen Rauten, das symbolhaft die Welt umspannt. Dass es an manchen Stellen zerrissen wirkt, soll Sinnbild sein für eine Kirche, die Menschen ruft, ihnen Heimat gibt und selbst nie vollkommen ist. 

Dieses Thema im Programm:Das Erste | 05. Mai 2024 | 10:00 Uhr

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