Energiekrise Kirchliche Wohlfahrtsverbände fordern bedarfsgerechte Entlastungen
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Steigenden Energiepreise und die hohe Inflation entwickeln sich zunehmend auch zur Belastungsprobe für private Haushalte. Menschen mit geringen Einkommen leiden besonders unter den enormen Preissteigerungen. Kirchliche Wohlfahrtsverbände zeigen sich alarmiert. Michael Hollenbach berichtet.

Kosten teilweise verdreifacht
Silke Schwab ist Schuldnerberaterin bei der Caritas Erfurt. Bei ihrer Arbeit sieht sie inzwischen viele Menschen, die vor existentiellen Problemen stehen. Die Kosten für Strom und Gas hätten sich verdoppelt, die für Fernwärme gar verdreifacht. Daher rechnet sie mit steigenden Überschuldungsproblemen bei vielen Menschen. "Das Problem ist: Sie haben ein bestimmtes Budget zur Verfügung und wenn die Kosten steigen, dann müssen sie sich entscheiden, was sie zahlen. Wir sagen: zuerst Miete und Strom, aber dann bleibt zum Leben nicht mehr viel übrig." Silke Schwab beobachtet, dass die Preissteigerungen gerade die Alleinerziehenden mit Arbeit besonders hart treffen.
Das heißt, jemand der arbeitet, kann sich das Alltägliche nicht mehr leisten. Das ist verheerend. Wenn sie Alleinerziehend sind und überlegen, kaufe ich meinem Kind was zu essen oder zahle ich weniger Miete, dann ist klar, wofür ich mich entscheide.
Caritas kritisiert Gießkannenprinzip bei Entlastungen
Mit allen Mitteln versucht die Politik derzeit die Bevölkerung zu unterstützen. Drei Entlastungspakete im Umfang von insgesamt 95 Milliarden Euro hat die Bundesregierung zu diesem Zweck bereits auf den Weg gebracht. Monika Funk, Vorstandsvorsitzende der Caritas im Bistum Erfurt, kritisiert dabei jedoch das die Unterstützungen nach dem Gießkannenprinzip ausgeschüttet werden. "So beziehen auch Menschen mit einem höheren Einkommen die gleiche Pauschale wie andere. Uns wäre es lieber, wenn passgenau Lösungen gefunden werden mit einer sozial-gerechten Staffelung."
Soziale Infrastruktur unter Druck
Doch nicht nur Privathaushalte, auch die soziale Infrastruktur steht zunehmend unter Druck. "Wir sehen, dass Einrichtungen neue Energieverträge abschließen müssen mit bis zu 500 Prozent Steigerung und damit in die roten Zahlen rutschen. Es darf nicht passieren, dass ein Altenpflegeheim oder Krankenhaus, das nicht mehr zahlungsfähig ist, die Dienste einstellen muss", sagt Christoph Stolte, Vorsitzender der Diakonie Mitteldeutschland. Gefährdet seien auch Beratungsstellen, die nicht über Krankenkassen oder andere Kostenträger refinanziert werden.
Wir fordern einen Rettungsschirm für alle Einrichtungen, die pauschal finanziert werden, von den Beratungsstellen über die Tafel bis zu Wohnungsloseninitiativen, damit sie alle am Netz bleiben. Da sehen wir eine reale Gefahr, dass es wirklich zu Einbrüchen kommt.
In der Bevölkerung steigt derweil die Unzufriedenheit. Dies schlägt sich zunehmend in Protesten nieder. Stolte äußert Verständnis für die Sorgen und Ängste der Menschen, warnt aber vor einer möglichen Instrumentalisierung der Proteste. "Wir sehen auch die Gefahr, dass die realen Ängste von nicht-demokratischen Parteien instrumentalisiert werden und zu Protesten aufgerufen werden, um ganz andere Ziele zu verfolgen. Das ist eine reale Gefahr und ein Missbrauch der Straße." Wolle die Politik dem entgegenwirken, brauche es bedarfsgerechte Entlastungen, so die Hoffnung der Kirchen.
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mbe
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Religion und Gesellschaft | 09. Oktober 2022 | 09:15 Uhr