Blick in die Kreuzkirche
Blick in die Dresdner Kreuzkirche Bildrechte: Kreuzkirche Dresden

Wo die Kruzianer singen Die Kreuzkirche - ein Haus mit wechselvoller Geschichte

18. August 2023, 10:10 Uhr

Die Dresdner Kreuzkirche ist die evangelische Hauptkirche der Stadt. Zentral auf dem Altmarkt gelegen, durchlebte sie eine wechselvolle Geschichte. Fünfmal brannte sie, fünfmal wurde sie im Zeitgeist wiederaufgebaut. Nur eines blieb sie seit acht Jahrhunderten: die Heimstätte des Kreuzchores.

Es ist der 13. November 1955, als Menschen aus ganz Dresden dem dröhnenden Geläut einer Kirche folgen und zum Dresdner Altmarkt strömen. Es ist die Kreuzkirche, die zehn Jahre nach ihrer Zerstörung mit einem Gottesdienst wieder eingeweiht wird. Zehntausende nehmen am Weihegottesdienst und an zwei Aufführungen des "Dresdner Requiems" von Rudolf Mauersberger teil. Der Kreuzchor singt, dessen jüngste Chormitglieder gerade zehn Jahre alt sind. Mauersberger, damals Kreuzkantor, schreibt das Werk 1947/48 eigens für die Kreuzkirche unter dem Einfluss seiner Erlebnisse bei der Bombardierung und Zerstörung Dresdens in der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1945. Gewidmet ist das Requiem den Toten des Zweiten Weltkrieges.

Der Kreuzchor in der Kreuzkirche in Dresden.
Kruzianer in der Kreuzkirche Bildrechte: IMAGO / epd

Bewegte Vergangenheit

Durch die Bombenangriffe im Februar 1945 brannte die Kreuzkirche aus. Stand sie bisher inmitten von Häusern, umgab sie nun eine Trümmerwüste. Doch es war nicht das erste Mal, dass sie zerstört war - die Kirche hat eine bewegte Vergangenheit. Fünfmal brannte sie teilweise oder vollständig ab oder wurde in Kriegen zerstört.

Die Kreuzkirche gilt als früheste Dresdner Stadtkirche. Bereits im frühen 14. Jahrhundert erwähnen Urkunden eine Kreuzkapelle an einer Nikolaikirche, in der eine Reliquie aufbewahrt wird: ein Splitter des Heiligen Kreuzes, das Konstanze von Österreich ihrem Mann Markgrafen Heinrich 1234 zur Hochzeit schenkte. Die Pilger, die in Scharen kommen, um die Reliquie zu verehren, übertragen den Namen der Kapelle zunehmend auf die Kirche. Das veranlasst 1388 den Bischof von Meißen, die Kirche erneut zu weihen - und umzubenennen in die Kirche "Zum heiligen Kreuze".

Es ist 1491, als ein Stadtbrand erstmals die Kirche zerstört. Sofort beginnt der Wiederaufbau, in dessen Ergebnis eine spätgotische dreischiffige Hallenkirche am Platz steht. In der Renaissance wird die Kirche erheblich umgebaut. Es kommen ein 92 Meter hoher Turm, Renaissanceportal und -altar dazu. Und seitdem 1539 in der Kirche der erste lutherische Gottesdienst gefeiert wurde, ist die Kreuzkirche die evangelische Hauptkirche der Stadt.

Zwischen Barock und Klassizismus

1689 durch einen Stadtbrand erneut in Mitleidenschaft gezogen, wird die Kirche 1760 während der Belagerung Dresdens durch preußische Truppen im Siebenjährigen Krieg so stark beschossen, dass Langhaus und Chor zerstört werden. Es beginnt ein Ringen um die architektonische Ausrichtung der Kirche zwischen Befürwortern des Barock und dessen Gegnern, die dem Klassizismus zugewandt sind. Die Lösung: Ein Neubau der Kirche im Stil des Barocks mit klassizistischen Elementen. 32 Jahre dauert es, bis 1792 die Kirche in vollkommen neuer Gestalt wiederaufgebaut ist und ein spätbarocker-frühklassizistischer Neubau eingeweiht wird. Noch heute zeigt sich der Sakralbau in dieser äußeren Gestalt. Die Baupläne stammten in der Hauptsache von Johann Georg Schmidt, einem Schüler von George Bähr, dem Baumeister der barocken Frauenkirche. Das Kircheninnere wird nach spätbarocken Plänen fertiggestellt.

Das schlichte Innere

Etwas über hundert Jahre bleibt die Kreuzkirche so bestehen, bis 1897 wieder ein Brand wütet. Dabei wird das Kirchenschiff völlig zerstört. Der Wiederaufbau geht zügig voran. Schon im Jahre 1900 wird das im Jugendstil neu errichtete Kirchenschiff vollendet. Emporen werden eingezogen, Altar, Kanzel, Orgelempore und Stuckarbeiten sind in der typischen Ornamentik des Jugendstils ausgeführt. Ein nun stählerner Glockenstuhl beherbergt fünf neue Glocken, die 1899 in Apolda neu gegossen wurden, um die beim Brand zerstörten Vorgänger zu ersetzen.

Doch nur 45 Jahre behält die Kreuzkirche dieses Gesicht - bis zum Bombeninferno im Februar 1945, als sie vollständig ausbrennt. Schon ein Jahr nach dem Krieg beginnt der Wiederaufbau. Da jedoch das Geld fehlt, um die einst reich geschmückte Kirche wiederherzustellen, steht erst einmal die äußere Rekonstruktion im Vordergrund. Das Kircheninnere wird mit einem Rauputz, der zunächst nur als Unterputz für eine spätere Ausgestaltung gedacht ist, und einer modernen Ausstattung bewusst schlicht gehalten. Der relativ unversehrt erhalten gebliebene große Altar wurde dafür abgebrochen. Nur wenige Ausstattungsstücke, die die Zerstörung 1945 überdauerten, finden einen Platz in der Kirche. Darunter ist auch das mit Brandspuren erhalten gebliebene Altarbild "Golgatha", das der Maler Anton Dietrich im Jahre 1900 schuf. Auch das Geläut und die beiden Schlagglocken in der Turmspitze, die den Krieg überstanden, bleiben erhalten. 1963 baut die Orgelbaufirma Jehmlich für die zerstörte große Orgel ein neues Instrument mit 76 Register auf vier Manualen und Pedal mit 6.111 Pfeifen. Eine Erweiterung erfolgte 2008 auf 80 Register und 6.293 Pfeifen. Damit ist es die größte Orgel in Dresden.

Treffpunkt einer alternativen Friedensbewegung

In der DDR der 1980er-Jahre wird die Kreuzkirche zum Treffpunkt für oppositionelle Friedens-, Menschenrechts- und Umweltgruppen. Schützende steht der damalige Superintendent Christof Ziemer vor ihnen, denn dem Staat sind sie ein Dorn im Auge. Und so wird jede ihrer Aktionen von der Staatssicherheit überwacht. Trotzdem können die Machthaber den 13. Februar bald nicht mehr allein für sich als Gedenktag an die Bombenangriffe auf Dresden beanspruchen. An jenem Tag im Jahr gehen die Menschen nach dem Gedenkgottesdienst in der Kreuzkirche nicht nach Hause, sondern laufen mit Kerzen in der Hand zur Ruine der Frauenkirche. Das wiederholt sich seitdem jährlich. Konkrete politische Veränderungen formulieren die Mitglieder der Friedensbewegung erstmals im April 1989 im Rahmen einer ökumenischen Versammlung. Im Herbst wird die Kreuzkirche zum Zentrum der friedlichen Revolution in Dresden. Als es Anfang Oktober 1989 wegen der durch Dresden durchfahrenden Züge mit Botschaftsflüchtlingen aus Prag zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften der DDR kommt, gründet sich am 8. Oktober bei einer Demo unverhofft aus den Reihen der Friedensbewegung die "Gruppe der 20". Schon einen Tag später geben sie eine Informationsveranstaltung über ihre Arbeit - die Kirche ist überfüllt.

Behutsame Sanierung

Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre gibt es Überlegungen, das alte Innere wieder zu rekonstruieren. Es wird sogar ein Architekturwettberwerb durchgeführt. Doch Kirchgemeinde und Denkmalpflege entscheiden sich dagegen. Erst zwischen 2001 und 2004 wird die Kreuzkirche überholt. Behutsam geht man dabei vor, denn der Wiederaufbauleistung nach dem Krieg wird nun ein Denkmalwert beigemessen. Der einst als Provisorium aufgetragene Rauputz wird nun ausgebessert und aufgehellt. Neue Kalksteinplatten ersetzen den alten PVC-Fußboden. Im Altarraum werden Reste der noch vorhandenen alten Marmorplatten verlegt.

Ständiger Begleiter - der Kreuzchor

Die Geschichte der Kreuzkirche ist nicht von der des Kreuzchores zu trennen. 1216 wurde die Kreuzschule als Lateinschule wohl im Zusammenhang mit der Kreuzkirche gegründet. Die Schüler gestalteten die zahlreichen Gottesdienste musikalisch. Und das ist so geblieben - noch heute singen 150 Kruzianer im Kreuzchor.

Kreuzchor in der Kreuzkirche Dresden
Der Kreuzchor während eines Konzertes in der Kreuzkirche Dresden. Bildrechte: IMAGO / momentphoto/Robert Michael

Entdeckungen in der Kreuzkirche * Wertvolles Abendmahlsgefäß
Die Kreuzkirche bewahrt das älteste Abendmahlsgefäß Sachsens auf. Die Renaissance-Arbeit aus vergoldetem Silber stammt von 1540.

* Die höchsten Glocken
Unter der Kupferzwiebel des 94 Meter hohen Turmes sind die Schlagglocken (Seigerschellen) von 1787. Sie werden aller 15 Minuten angeschlagen.

* Die Stahlpforte
Durch die neobarocke Stahltür gelangen die Kruzianer in ihren Probenraum im Turm und die Chorempore.