Nah dran | MDR FERNSEHEN | 02.08.2018 | 22:35 Uhr Auf dem Weg zum Cyborg?

Chancen und Risiken technischer Implantate

18. Juli 2023, 15:23 Uhr

Die Technik ist in den vergangenen Jahren immer weiter an den Menschen herangerückt, macht das Leben einfacher. Einige Menschen gehen nun den nächsten Schritt: Cyborgs  verschmelzen ihre Körper mit Technik, um ihre Fähigkeiten zu steigern und ihre Sinne zu erweitern.

Sie lassen sich Magnete in die Finger spritzen, mit denen sie elektromagnetische Felder wahrnehmen können; Chips unter die Haut pflanzen, mit denen sie Türen öffnen; Geräte in den Schädel implantieren, mit denen sie ihre Sinne schärfen. Ein Haufen Nerds oder Vorreiter unserer technischen Zukunft? Wer sind diese Menschen? Und was treibt sie an?

WLAN direkt aus der Hüfte?

Oliver Waack-Jürgensen aus Berlin trägt zwei künstliche Knie und eine künstliche Hüfte im Körper. Weil er an einer Knochenkrankheit leidet, wird er in den kommenden Jahren eine weitere Hüfte eingesetzt bekommen. So weit, so normal. Doch die neue Hüfte soll mehr können: sein Handy drahtlos aufladen zum Beispiel, über seine Bewegungsenergie. Seine Körperdaten messen und analysieren. Daten speichern und per Bluetooth übertragen. Und vielleicht sogar einen Freifunk-Router beherbergen: WLAN direkt aus der Hüfte.

Farben hören?

Neil Harbisson ist da schon einen Schritt weiter. Der Brite ist der erste offiziell anerkannte Cyborg der Welt. Er ist farbenblind und kann die Welt nur in Grautönen wahrnehmen. Durch den "Eyeborg", eine Antenne in seinem Kopf, kann er jedoch Farben hören. Ein Sensor scannt die Farben in Neils Sichtfeld, ein Chip in seinem Kopf wandelt diese in Töne um. So hat jede Farbe in seinen Ohren ihren ganz individuellen Klang. Doch Neil kann nicht nur die für uns sichtbare Farbpalette hören: Er nimmt damit auch Ultraviolett und Infrarot wahr.

Mal eben chippen lassen?

Während in Deutschland wohl noch die meisten Menschen über solche Ideen den Kopf schütteln, ist man in Schweden schon ein Stück weiter. Für Stockholms öffentlichen Nahverkehrsbetrieb gibt es bereits die Überlegung, nicht mehr mit Ticket oder Smartphone, sondern per Chip im Körper zu bezahlen. Mitten in Stockholm gibt es mit dem Epicenter einen großen Bürokomplex, in dem die Mitarbeiter bereits Chips unter der Haut tragen. Damit öffnen sie Türen, bedienen die Kopierer, tauschen untereinander Kontaktdaten aus. Initiator war Hannes Sjöblad, der die Kreativen Stockholm auch schon mal zu einer Implantierparty lädt. Er geht davon aus, dass man nur Angst vor dem hat, was man nicht kennt bzw. nicht versteht.

Ich will einfach nur eine Gemeinschaft von klugen Menschen kreieren, die verstehen, wie es funktioniert. Denn wenn eines Tages einer der Internetgiganten ein Implantat launcht oder das schwedische Finanzamt sagt: 'Wir werden jeden chippen', dann gibt es zumindest Menschen, die die Technologie verstehen und Dinge in Frage stellen können. Für mich ist das die Demokratisierung von Technik: Nicht nur zu verstehen, wie sie funktioniert, sondern auch, wie sie gegen dich verwendet werden könnte.

Helena Jungwirth will sich unbedingt chippen lassen. Sie meint, das könne ja auch nicht schlimmer sein, als ein Kind zu bekommen. Sie wäre dankbar, wenn sie künftig keine Haustürschlüssel mehr bräuchte, da sie ständig auf der Suche danach sei. Ein Chip als Türöffner wäre ein Traum für sie.

Nicht alle auf der Party wissen so genau wie Helena Jungwirth, was der Chip unter der Haut so kann. Sie lassen sich zeigen, wie man Passwörter oder die eigene Visitenkarte darauf speichert - und durch eine Handbewegung mit dem Smartphone teilt. Sicherheitsaspekte stehen nicht im Vordergrund, eher die Versicherung, dass alle, die mitmachen, weit vorn sind und der Zweck ein ehrenwerter.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Nah dran | 02. August 2018 | 22:35 Uhr