20. November 2024Woran der Buß- und Bettag erinnert: "Fehler eingestehen"
Der Buß- und Bettag gehört dem stillen Gebet. Als gesetzlichen Feiertag gibt es ihn nur noch in Sachsen. In den anderen Bundesländern wurde er ab 1995 zugunsten der Finanzierung der Pflegeversicherung gestrichen. Was also bleibt für die evangelischen Christinnen und Christen? Sachsens Landesbischof Tobias Bilz ruft dazu auf, das Eingestehen von Schuld und Fehlern als Chance und nicht als Last zu sehen. Dazu wird er in der Kreuzkirche in Dresden predigen. Wo es in Sachsen zum Buß- und Bettag am 20. November 2024 außerdem Gottesdienste und Konzerte gibt:
Inhalt des Artikels:
Der Buß- und Bettag ist ein Feiertag der evangelischen Kirche und fällt in diesem Jahr auf den 20. November 2024. Erinnern sollen sich die Gläubigen an diesem Tag daran, dass das Scheitern zum Leben gehört, zugleich soll der Tag Mahnung sein, sich immer wieder neu auf das Leben zu besinnen. Leitwort ist die vierte Bitte des Vaterunsers: "Und vergib uns unsere Schuld".
Sachsens Landesbischof: Fehler und Schuld eingestehen als Chance
Für Sachsens Landesbischof Tobias Bilz eröffnet der Buß- und Bettag Möglichkeiten, ehrlich auf eigene Fehler und Schuld zu schauen – nicht als Last, sondern als Chance. Eine gelebte Fehlerkultur könne gesellschaftlich sinnvoll und heilsam zu sein, so Bilz. Eigene Schwächen anzuerkennen, schaffe zudem Raum für Neuanfänge.
Eine gelebte Fehlerkultur scheint mir auch gesellschaftlich sinnvoll und heilsam zu sein.
Sachsens Landesbischof Tobias Bilz
Gottesdienst, Konzert, Gespräch in Dresden, Chemnitz oder Leipzig
Da der Buß- und Bettag auch den Abschluss der Ökumenischen FriedensDekade bildet, spielt das diesjährige Motto "Erzähl mir vom Frieden" in den Gottesdiensten eine besondere Rolle. In Dresden wird Landesbischof Tobias Bilz in der Kreuzkirche predigen. In der Dresdner Frauenkirche findet traditionell das Forum Frauenkirche mit dem Johann-Amos-Comenius-Club Sachsen statt. Diesmal wird Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum in Bonn, über seine Sicht auf das Pandemie-Geschehen sprechen.
Ebenso gibt es in Sachsen zahlreiche Konzerte, die den Feiertag zum Anlass nehmen. So erklingt in der Radebeuler Lutherkirchgemeinde ein Chor- und Orchesterkonzert, in der Martin-Luther-Kirche Dresden-Neustadt führt der Dresdner Bachchor mit der Elbland Philharmonie Sachsen und Solisten Brahms' Requiem auf. Im Bautzner Dom St. Marien führen die Sächsische Bläserphilharmonie und der Kammerchor der Leipziger Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" ein Konzert unter dem Titel "Bruckner 200" auf. Der sonst in Bautzen ansässige Kirchenmusikdirektor Michael Vetter gibt ein Orgelkonzert in der Schlosskirche Chemnitz. In der Leipziger Peterskirche gestaltet das Ensemble TonArt eine Andacht zum Buß- und Bettag 2024.
In Leipzig lädt die PAX-Jugendkirche – wie in jedem Jahr schon am Abend vor dem Buß- und Bettag – zur "Nacht der Lichter" ein. Am Buß- und Bettag gibt es außerdem ein Zeitzeugengespräch mit Rolf Isaacsohn, der das KZ Theresienstadt überlebte und sich in der Israelitischen Kultusgemeinde engagiert.
Seit 1995 nur noch in Sachsen gesetzlicher Feiertag
Die evangelische Kirche beging den Buß- und Bettag erstmals im 15. Jahrhundert. Als gesetzlicher Feiertag wurde er 1995 abgeschafft, um die damals neu eingeführte Pflegeversicherung finanzieren zu helfen, außer in Sachsen, wo der Buß- und Bettag immer noch gesetzlicher Feiertag ist.
Genau das bedauerte der einstige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (1942 -2023) in einer Kanzelpredigt im Jahr 2019 im Berliner Dom: "Buße ist heilsam, aber in unserem Alltag leider selten", sagte der CDU-Politiker, der auch Protestant ist. Sie helfe gegen "Allmachtsfantasien" und könne gesellschaftliche Gräben "in einem offenen Versöhnungsprozess" wieder schließen. Er betonte, die Gesellschaft brauche auch dafür einen "lebendigen Bezug zum Christentum". Aus der Möglichkeit zur Umkehr leite sich ein wichtiges Korrektiv ab: "Der Wert eines Tages, an dem Umkehr gefordert wird, lässt sich in einer volkswirtschaftlichen Rechnung nicht abbilden."
Neben Sachsen gilt zudem in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt ein Tanzverbot.
Reformation übernimmt mittelalterlichen Brauch
Buße und Sühne gehören in den christlichen Konfessionen zum geistlichen Alltag, allerdings in unterschiedlichen Ausprägungen. In frühchristlicher Zeit gab es besonders angesetzte Bußtage, die jedoch weniger von der Kirche als viel mehr von weltlichen Herrschern festgelegt wurden. In besonderen Notfällen oder bei drohenden Katastrophen wurden Sühnetage ausgerufen. Schon Karl der Große verordnete sie aus Gründen besonderer Not. Das Mittelalter folgte diesem Vorbild, die Reformation übernahm diese Ordnung.
Trotz der Kritik Martin Luthers an den so genannten Quatembertagen schrieben evangelische Kirchenordnungen der Reformationszeit Buß- und Bettage vor, die an manchen Orten sogar monatlich abgehalten wurden.
Was sind die Quatembertage?
Die Quatembertage werden abgeleitet von "Tour tempora", den vier Jahreszeiten. Der Begriff kommt aus dem Rom des 8. Jahrhunderts. Er bezeichnet den Mittwoch, Freitag und Samstag in vier Wochen des Jahres, die ungefähr mit dem Beginn der jeweiligen Jahreszeit zusammenfallen. Papst Gregor VII. (1073-1085) hat auf der römischen Synode 1078 die Termine der Quatembertage festgelegt. Sie fallen danach in die erste Fastenwoche, die Wochen nach Pfingsten und nach Kreuzerhöhung (14. September) und in die Woche nach Lucia (13. Dezember). Inhaltlich geht es um die geistliche Erneuerung der christlichen Gemeinde durch Fasten und Beten und das Tun guter Werke. Das Fasten während der Quatembertage war genau geregelt: Es gab nur eine sättigende Mahlzeit am Tag und es durfte nur fleischlos gegessen werden. Die Quatembertage wurden nach dem II. Vatikanischen Konzil ( 1962-1965) und der Liturgiereform 1969 in der katholischen Kirche inhaltlich und kalendarisch neu aufgestellt.
Bei Krieg und Notständen von der Obrigkeit verordnet
Landesfürsten verfügten oft einen Bußtag nach Ausbruch eines Krieges, damit die Menschen vor Gott um Vergebung für die Schuld und die Gewalt in den kriegerischen Auseinandersetzungen bitten. Während des Dreißigjährigen Krieges kam es zu einer Häufung von Buß- und Bettagen mit wöchentlichen Wiederholungen. Anlass waren auch allgemeine Volksnöte. In den 28 deutschen Ländern des Reiches von 1871 gab es 47 verschieden datierte Bußtage. Gegen diese Vielzahl schlug die evangelische Eisenacher Konferenz bereits 1852 einen einheitlichen Buß- und Bettag am Mittwoch vor dem letzten Sonntag im Kirchenjahr vor – jedoch ohne Erfolg.
Erst die Preußische Generalsynode beschloss 1892 einen einheitlichen Bußtag für das Preußische Staatsgebiet in Mittel- und Norddeutschland im November.
Vom öffentlichen Gebet zur persönlichen Abbitte
Aus dem einst öffentlichen Gebet und der kollektiven Schuldsuche ist mittlerweile eine persönliche Gewissensprüfung geworden, eine Ermutigung, sich Fehler und Schuld einzugestehen, darin nicht Last, sondern Chance zu sehen, was durchaus über den Einzelnen hinaus relevant ist, "gesellschaftlich sinnvoll und heilsam", wie Sachsens Landesbischof Tobias Bilz zum Buß- und Bettag 2024 formuliert hat.
Buchtipps
Karl-Heinrich Bieritz: "Das Kirchenjahr", München: Verlag C.H. Beck
Manfred Becker-Huberti: "Lexikon der Bräuche und Feste", Herder Verlag 2007
Georg von Gynz-Rekowski: "Der Festkreis des Jahres", Union Verlag 1981 (nur noch antiquarisch).
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | 17. November 2024 | 19:00 Uhr