Jetzt in der Mediathek Weihnachtliche Vesper vor der Frauenkirche in Dresden: Immer wieder ein kleines Wunder
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23. Dezember 2024, 09:00 Uhr
Vor der Ruine der Frauenkirche versammelten sich 1993 rund 50.000 Menschen zur Christvesper. Seit bald 20 Jahren steht das Gotteshaus wieder. Die Tradition, sich am 23. Dezember vor der Kirche zu versammeln – in diesem Jahr zum 32. Mal – blieb. In diesem Jahr kamen nach Angaben der Veranstalter rund 13.000 Menschen zur traditionellen Open-Air-Vesper. Auch in diesem Jahr übertrug der MDR die Vesper vom Neumarkt. Jetzt in der Mediathek ansehen!
Dass sich Menschen einen Tag vor Weihnachten vor die Tür locken lassen würden, um zu singen und zu beten, glaubten auch die Väter der Idee selbst nicht so recht. Als der Trompeter Ludwig Güttler vor mehr als 30 Jahren dem damaligen Landesbischof Johannes Hempel seinen Plan von der musikalischen Spendensammelaktion am 23. Dezember erläuterte, war der zunächst skeptisch.
Und dann wurden er eines Besseren belehrt: Es versammelten sich 1993 vor der Ruine der Frauenkirche 50.000 Menschen. Längst ist der Wiederaufbau der Frauenkirche Geschichte, aber an der Beliebtheit der Vesper hat das nichts geändert. Mit diesem Termin beginnt traditionell für viele Menschen in Dresden das Weihnachtsfest.
Eine Christvesper ist ...
Mit der Christvesper am späten Nachmittag des Heiligen Abends beginnt für evangelischen Christinnen und Christen das Weihnachtsfest. Für viele ist die Vesper der zentrale Weihnachtsgottesdienst.
Im Mittelpunkt steht die bekannte Weihnachtserzählung aus dem Lukasevangelium (Kapitel 2): "Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging ...". Die Weissagungen der Propheten aus dem Alten Testament (Micha 5,1-3; Jesaja 9, 1-6, Jesaja 11,1-2;), aber auch altbekannte Lieder (O du fröhliche, Stille Nacht, u. a.) geben dem Fest der Geburt Christi einen vertrauten Rahmen.
Oft spielt im Vespergottesdienst ein Posaunenchor oder es singt eine Kantorei. Krippe und Tannenbaum schmücken die Kirche. Speziell für Familien mit ihren Kindern wird meist ein Gottesdienst am frühen Nachmittag mit Krippenspiel angeboten. Die Christvesper hat ihren Ursprung in der Zeit der Reformation. Um unsittliches Treiben in der Weihnachtsnacht zu vermeiden, ersetzte man den Mitternachtsgottesdienst durch die Vesper am Vorabend (vesper, lateinisch = Abend).
Quelle: EKD
Was ist das Geheimnis des Erfolgs?
Der Termin erwies sich im Nachhinein als glücklich gewählt. Am Vorabend des Weihnachtsfestes sind die größten Hürden bei der Festvorbereitung bewältigt, die meisten Geschenke gekauft, der Baum steht auf dem Balkon. Die Vesper erlaubt ein Atemholen vor der letzten Etappe, ein Vorgeschmack dessen, was man sich von den nächsten Tagen erhofft. Zu sich kommen, ein Gefühl von Freude, Wärme, innerem Frieden.
Dann natürlich die malerische Kulisse: War die Ruine eine anrührende Mahnung, so ist heute die Frauenkirche ein Symbol für Gemeinsinn, Tatkraft und Tüchtigkeit und für viele Dresdner ein Ort persönlicher Erinnerungen.
Zwanglos, aber nicht beliebig
Aber das allein erklärt die Attraktivität nicht. Es ist auch der Stil. Die Vesper verleugnet ihren gottesdienstlichen Charakter nicht, aber auch Zaungäste sind willkommen. Zwanglos, aber nicht beliebig, so die Devise. Es wird kein Eintritt verlangt, kein Bekenntnis und am Rande ist auch Glühwein erlaubt. Wenn man so will eine Form von public viewing zu Weihnachten, ein festliches Gemeinschaftserlebnis. Gemeinsam zu singen, dafür fehlt vielen sonst die Gelegenheit. In der eigenen Familie ist es aus der Mode gekommen oder es gibt keine Familie, im Konzert ist man nur passiver Zuhörer und nicht jeder sucht einen Gottesdienst auf.
Gemeinschaft aber vor allem auch für die, die eine solche Großveranstaltung erst möglich machen: Die Bläser, die von überall her anreisen, die Solisten, die Tourneen unterbrechen, aber auch Ordner, Helfer, Planer… Einige sind seit vielen Jahren ehrenamtlich dabei. Mag sein, dass diese Begeisterung hinter den Kulissen auch auf den Platz ausstrahlt. Sicher aber, dass dieses Engagement nicht planbar ist. Und so bleibt die Vesper ein kleines Wunder.
32. Weihnachtliche Vesper im Schatten des Anschlags von Magdeburg
Sachsens evangelischer Landesbischof Tobias Bilz rief in seiner Predigt zu Frieden und Mitmenschlichkeit auf. Angesichts der Amokfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt sagte er: "Es ist ein großer Trost für mich, dass Menschen nach so schrecklichen Ereignissen wie auf dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg ihre Scheu überwinden und helfen, Fremde sich in den Arm nehmen und gemeinsam weinen, einander Halt geben."
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) betonte, die Tat in Magdeburg sei mit keiner Religion auf der Welt zu rechtfertigen. Zugleich forderte er: "Wir müssen handeln. Wir können das nicht einfach ertragen." Es brauche mehr Sicherheit. "Wir müssen viel früher Nein sagen, wenn Menschen sich nicht an unsere Regeln halten", so Kretschmer.
Die musikalische Gesamtleitung der inzwischen 32. Vesper auf dem Dresdner Neumarkt hatte der sächsische Landesposaunenwart Tilman Peter. Die Predigt hielt Sachsens evangelischer Landesbischof Tobias Bilz. Es musizierten der Dresdner Motettenchor unter Leitung von Matthias Jung und Solisten sowie das Blechbläserensemble Ludwig Güttler und die Vereinten Posaunenchöre der Sächsischen Posaunenmission.
Quelle: MDR, EPD
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 23. Dezember 2024 | 17:00 Uhr