Dokumentation10 Jahre Papst Franziskus – ein Jesuit auf dem Thron Petri
Als Anwalt von Menschen am Rande, als Friedensdiplomat und Mahner für soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz hat sich Papst Franziskus immer wieder eingemischt. Vor zehn Jahren, am 13. März 2013, wurde er in sein Amt gewählt. Seither hat er ein neues Denken ins Zentrum der katholischen Kirche gebracht. Zugleich sitzt mit Franziskus erstmals ein Jesuit auf dem Heiligen Stuhl. Was das für sein Denken bedeutet, ergründen zwei Dokumentationen, sie porträtieren eine der verblüffendsten Persönlichkeiten unserer Zeit und bieten eine faszinierende Reise durch 500 Jahre europäische Geschichte.
Papst Franziskus hat die Welt überrascht, als ein Mann, der offenbar anders denkt und entscheidet als seine Vorgänger, der nach anderen Kriterien zu urteilen scheint, andere Werte in den Vordergrund stellt. Er spricht einfach, lebt einfach und ein Begriff wie "Barmherzigkeit" scheint ihm wichtiger zu sein als die Durchsetzung der reinen Lehre.
Es gibt ganze Völker, die ausgebeutet und sich selbst überlassen werden; es gibt arme Menschen, die an den Kreuzungen unserer Straßen leben und deren Blicken wir nicht zu begegnen wagen; Migranten, die keine Personen mehr sind, sondern Nummern; abgewiesene Gefangene, Menschen, die als Probleme katalogisiert werden.
Papst Franziskus | Predigt zum Palmsonntag 2023
Papst-Wahl am 13. März 2013: Glaubwürdiger Seelsorger gesucht
Schon vor zehn Jahren gibt es riesigen Reformbedarf in der katholischen Kirche. Die römische Kurie gilt als undurchsichtig, verfilzt und zu Selbstbereicherung neigend; ihre Haltung erleben viele Bischöfe in der Weltkirche als arrogant und bevormundend. Nach Jahrzehnten strenger dogmatisch-moraltheologischer Vorgaben wird ein glaubwürdiger Seelsorger gesucht. Im Vorkonklave ergreift Bergoglio erst nach 120 Vorrednern das Wort. Er spricht eindringlich davon, dass die Kirche aufhören müsse, um sich selbst zu kreisen. Dass sie auf Jesus hören und zu den Menschen hinausgehen solle. Viele Kardinäle applaudieren, einige gratulieren ihm zu seiner Rede. Am 13. März 2013 wird der Argentinier Jorge Mario Bergoglio zum Nachfolger von Benedikt XVI. gewählt.
Der neue Papst ist Jesuit, der erste auf dem Papstthron. Er ist Mitglied des Ordens, der anders ist als alle anderen, eine Elitetruppe der Päpste. Franziskus, der geistliche Führer von über einer Milliarde Katholiken, ist nur zu verstehen aus seiner Prägung durch den Orden.
Stichwort: Jesuiten
- Zugehörigkeit: Jesuiten sind Mitglieder des Ordens Societas Jesu (übersetzt: Gesellschaft Jesu).
- Sie sind der größte Männerorden der katholischen Kirche. Symbol: IHS (die ersten drei Buchstaben Jesus in griechischer Schrift)
- Größe: Weltweit knapp 15.000 Mitglieder, in Deutschland ca. 370 Mitglieder Orte: in 120 Ländern weltweit, in Deutschland arbeiten und leben sie in 15 Städten, im Osten Deutschlands in Berlin, Leipzig und Dresden Gründung: 1539 durch Ignatius von Loyola gegründet, 1540 vom Papst zugelassen
- Erkennungszeichen: Die Abkürzung "SJ" für Societas Jesu steht am Ende des Namens (z.B. Jörg Nies SJ)
- Gelübde: Armut, ehelose Keuschheit, Gehorsam und Verfügbarkeit für Sendungen des Papstes
- Lebensform: Brüder und Priester leben nicht im Kloster, sondern in einer Wohngemeinschaft (Kommunitä
- Besonderheit: keine einheitliche Ordenskleidung, kein gemeinsames Chorgebet, zusätzliches Gelübde (nämlich die Verfügbarkeit für Sendungen des Papstes)
Papst der Hoffnung
Franziskus' Einsatz für die Armen, für soziale Gerechtigkeit sowie sein bewusst bescheidenes Auftreten sind schon gut ein Jahr nach seinem Amtsantritt legendär und inzwischen zum Wesenszug seines Pontifikats geworden. Franziskus, der Jesuit, scheint in seiner Demut gegenüber den Armen genau dem Bild von Kirche zu entsprechen, was die Gesellschaft sehen will. Dabei verfolgt Bergoglio der Ruf eines systemtreuen Konservativen aus Lateinamerika. Der Vorwurf, ein Knecht der Junta gewesen zu sein, steht ebenso im Raum wie sein erbitterter Kampf gegen die Legalisierung homosexueller Partnerschaften in Argentinien, zu Zeiten, als er noch Erzbischof war.
Schaut nach: Was ist überflüssig in eurem Leben. Wie viele Einbildungen, Illusionen, Dummheiten sind denn da? Halten wir uns an die einfachen Dinge, an die ehrlichen Dinge.
Papst Franziskus | Generalaudienz am 5. April 2023 auf dem Petersplatz
Im Korsett des Katechismus gefangen?
Als Jesuit hat er den Regeln und Gesetzen der Kirche absolut gehorsam zu sein. Einerseits. Andererseits schnürt er das Korsett des katholischen Katechismus nicht neu. Berühmt wird sein Satz aus dem Jahr 2013: "Wenn jemand homosexuell ist und Gott sucht und guten Willens ist – wer bin ich, über ihn zu richten?" Seitdem hat er immer wieder appelliert, homosexuelle Menschen nicht auszugrenzen oder zu verfolgen. Dafür wird er in der Medienwelt bejubelt. Kritiker sprechen eher von einem Zickzack-Kurs, weil sich nichts daran änderte, dass homosexuelle Handlungen weiter als Verstoß "gegen das natürliche Gesetz" gelten und und "auf keinen Fall zu billigen" seien. Und wer wäre Bergoglio, wenn er das Gesetz der Kirche außer Kraft setzen würde? Vielmehr bekräftigt er 2021 das Segnungsverbot für gleichgeschlechtliche Paare, das besonders in Deutschland auf Widerstand stößt.
Auch der mit hohen Erwartungen befrachtete Anti-Missbrauchs-Gipfel 2019 bringt nach Meinung von Kritikern wenig Konkretes.
Jesuit und Papst
Franziskus – Jesuit und Papst, ein Frontkämpfer für eine Kirche, die neu und offen sein will für den Zeitgeist? Jüngst hat er die Abschaffung des Pflichtzölibats für katholische Priester nicht ausgeschlossen und verwiesen auf die mit Rom unierten Ostkirchen, in denen Geistliche schon jetzt problemlos heiraten dürften. Dass sich dann mehr Männer für den Priesterberuf entscheiden würden, glaubt er nicht.
Aber gehört es tatsächlich zur innersten Überzeugung eines Jesuiten, die Kirche zu erneuern? Jesuitischer Leitspruch jedenfalls ist es, durch die Tür des anderen zu gehen, um durch die eigene wieder heraus zu kommen.
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Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | 09. April 2023 | 07:40 Uhr