Jüdische Orthodoxe aus Aschdod versammeln sich am Strand, um ihre Sünden in der jüdischen Zeremonie von Taschlich symbolisch wegzuwerfen und das jüdische Neujahr am Donnerstag, dem 9. September 2010, neu zu beginnen.
Jüdische Orthodoxe aus Aschdod versammeln sich am Strand, um ihre Sünden in der jüdischen Zeremonie von Taschlich symbolisch wegzuwerfen und das jüdische Neujahr zu beginnen. Bildrechte: Verfügbar für Kunden mit Rechnungsadresse in Deutschland, Österreich und den Niederlanden. | Rafael Ben Ari

Die Bücher des Lebens Rosch ha-Schana, Jom Kippur und Sukkot – Die Hohen Feiertage im Judentum

01. März 2024, 08:06 Uhr

Rosch Haschana ist das jüdische Neujahrsfest. Es beginnt in diesem Jahr am 2. Oktober, hat wenig mit Silvester-Knallerei, sondern vor allem mit Buße, aber auch einem Festmahl zu tun. Auf das Neujahrsfest folgt mit Jom Kippur am 11. Oktober der höchste jüdische Feiertag, der ein Fest der Versöhnung sein soll. Was die Hohen Feiertage bedeuten und wie sie begangen werden ...

Immer zwischen Spätsommer und Frühherbst beginnt in jüdischen Haushalten die Zeit der Festvorbereitungen. Da wird eingekauft und gekocht, da werden Glückwunschkarten geschrieben, Möbel gerückt und das Haus gewienert. Das Neue Jahr steht vor der Tür und damit eine Reihe von sehr wichtigen Feiertagen, die im Leben gläubiger – und auch nicht so streng gläubiger – Juden eine zentrale Rolle spielen. Es ist die Zeit der sogenannten Hohen Feiertage, für religiöse Juden eine intensive Phase der Selbstbesinnung.

Rosch ha-Schana (02.10.-04.10.2024)

1. Tischri – "Kopf des Jahres"

Das Neujahrsfest im Judentum ist nicht mit dem hier bekannten Silvesterfest zu vergleichen. Es gibt keine Knaller oder Raketen. Das Fest erinnert vielmehr religiöse Juden an die Erschaffung der Welt durch Gott. Es ist Auftakt zu einer zehntägigen Zeit der Reue, in der man versuchen soll, ein besserer Mensch zu werden. Der Überlieferung nach sind ab Neujahr die Bücher des Lebens bei Gott geöffnet. Der Herr schaue sich in dieser Zeit besonders kritisch an, was die Menschen so treiben. Und trägt die Guten in das Buch des Lebens ein, die Schlechten aber in das Buch des Todes. Deshalb sollte ein gläubiger Jude also nachdenken, Buße tun, um Verzeihung bitten und beten.

Außerdem zieht man Bilanz über das vergangene Jahr und hofft auf ein gelingendes Neues Jahr. Wichtigstes rituelles Symbol dieser Tage ist das Schofar, ein Widderhorn, in das während des Gottesdienstes geblasen wird und dessen Ton die Menschen zu Einkehr und Reue veranlassen soll. In biblischen Zeiten wurde das Schofar geblasen, um Gefahr oder Krieg anzukündigen. Später wurde es beim Tempeldienst eingesetzt.

Ein orthodoxer jude bläst an der Klagemauer in Jerusalem, Israel, ein Schofar, das Horn eines Widders.
Ein orthodoxer Jude bläst an der Klagemauer in Jerusalem ein Schofar. Bildrechte: Verfügbar für Kunden mit Rechnungsadresse in Deutschland. | Abir Sultan

Zum 1. Tischri ist zu Hause und in der Synagoge alles festlich und meist in Weiß geschmückt. Zu Rosch ha-Schana wird auch das Leben gefeiert. Nach dem langen Gottesdienst gibt es ein großes Festmahl. Die Familie kommt zusammen, und es wird ordentlich gegessen und gefeiert. Granatapfel, in Honig getauchte Äpfel und süße Karotten (Zimmes) dürfen auf keinem jüdischen Tisch fehlen. Die Challa, das traditionelle jüdische Hefebrot, ist am heutigen Tag rund als Zeichen für ein rundes neues Jahr.

Jom Kippur (11./12.10.2024)

10. Tischri – "Versöhnungsfest"

Das Versöhnungsfest wird zehn Tage nach dem Neujahrsfest begangen. Er gilt als der wichtigste und höchste Festtag der Juden. Fast alle halten diesen Tag in irgendeiner Form ein, auch weniger religiöse Juden. Jom Kippur ist ein strenger Fastentag, nicht einmal Wasser ist erlaubt. Gläubige Juden beten den ganzen Tag in der Synagoge. Alle anderen lassen es zumindest sehr ruhig angehen und verzichten zumindest auf laute Vergnügen oder unangemessene Aktivitäten.

Seit Neujahr hatte man Zeit, ein besserer Mensch zu werden, an Jom Kippur soll das nun im Buch des Lebens besiegelt werden. Voraussetzung für eine Versöhnung mit Gott ist aber zunächst die Versöhnung mit seinen Mitmenschen. Man muss also um Verzeihung bitten für alles, was im letzten Jahr vorgefallen ist. Das Ganze muss persönlich erfolgen. SMS- oder WhatsApp-Entschuldigungen gelten nicht.

Jom Kippur beginnt am Abend mit dem berühmten Kol Nidre. Es umfasst eine Aufhebung aller Gelübde, die man unbedacht vor Gott getan hat. Wer in einer Notsituation dies oder jenes leichtfertig versprochen hat, soll heute die Gelegenheit dazu haben, seine Versprechungen zurückzunehmen. Das gilt aber ausdrücklich nur vor Gott. Dinge, die man Menschen versprochen hat, werden durch das Kol Nidre nicht ungültig. Der Tag dauert dann von Sonnenuntergang bis zum folgenden Sonnenuntergang. Man geht nicht zur Schule oder zur Arbeit. In Israel steht das gesamte öffentliche Leben still. Das bedeutet: keine Fernseh- oder Radioprogramme, kein Flugverkehr. Autobahnen sind menschenleer. Cafés, Bars und Kneipen haben geschlossen. Ein absolut stiller, geisterhafter Tag in diesem sonst so quirligen Land. Selbst säkulare Juden verzichten zumindest in der Öffentlichkeit darauf zu essen oder zu trinken. Viele nutzen den Tag zur Einkehr und Besinnung, auch wenn sie nicht zum Gottesdienst gehen.

Zehntausende Israelis nehmen am Selichot-Gebet anlässlich des Yom Kippur in Jerusalem teil
Vor Corona: Zehntausende Israelis nehmen am Selichot-Gebet in Jerusalem teil. Bildrechte: picture alliance / dpa | Abir Sultan

Jom Kippur endet am Abend mit dem Na’eila Gebet und einem einzigen langen Ton des Schofars. Man wünscht sich dann eine gute Besiegelung im Buch des Lebens und geht über zu einem großen Festmahl. Im Anschluss beginnen bereits die Vorbereitungen für das nächste große Fest: das Laubhüttenfest Sukkot, das eine Art Erntedank darstellt.

Laubhüttenfest – Sukkot (17.10.-23.10.2024)

Das Laubhütten-Fest wird sieben Tage lang gefeiert und ist vergleichbar mit den Erntedankfesten hierzulande. Es erinnert an die Wüstenwanderung der Israeliten nach ihrem Auszug aus Ägypten. Während der Flucht konnten sie nur in unbefestigten Hütten, in "Laubhütten" aus Ästen und Zweigen wohnen. Daran soll bis heute erinnert werden. In der Thora heißt es: "Gott ordnet an, dass alle Einheimischen in Israel jedes Jahr sieben Tage lang in Hütten wohnen sollen, damit ihre Nachkommen wissen, dass ihre Vorfahren in Hütten wohnten, als sie von Gott aus Ägypten geführt wurden und vierzig Jahre lang durch die Wüste zogen."

Deshalb ist es an Sukkot bis heute Brauch, in einer Hütte zu wohnen. Man macht sich bewusst, dass Gottes Schutz wichtiger ist als ein festes Dach über dem Kopf. Gläubige Juden bauen sich jedes Jahr eine eigene Laubhütte – im Garten oder auf dem Balkon. Diese Hütte besteht nur aus Zweigen, Reisig oder Stroh. Durch das Dach soll man tagsüber die Sonne und nachts die Sterne sehen können. In der Hütte wird gegessen und geschlafen, soweit es das Wetter erlaubt.

Laubhüttenfest in Israel Ultra-Orthodox
Gläubige Juden bauen sich jedes Jahr eine eigene Laubhütte, in Erinnerung an den Auszug aus Ägypten Bildrechte: IMAGO

Wichtig für die Bedeutung des Festes ist auch ein aus Zitrusfrüchten, Dattelpalm-, Myrten- und Bachweidenzweigen gebundener Strauß, der die Einheit des Volkes Israel symbolisieren soll.

Simchat Tora – Fest der Gesetzesfreude (24./25.10.2024)

Das Fest der Gesetzesfreude schließt das Laubhüttenfest ab. Jeden Schabbat, also jeden Samstag, werden in der Synagoge Abschnitte aus der Tora vorgelesen. Im Ablauf eines Jahres wird die Tora im Gottesdienst komplett vorgelesen. Zu Simchat Tora wird der Zyklus der Tora-Lesung abgeschlossen und anschließend von vorne begonnen. Es ist ein sehr fröhliches Fest. Die Gläubigen tanzen mit den Tora-Rollen auf dem Arm durch die Synagoge, um ihre Freude und Verbundenheit zur Schrift auszudrücken.

Der Jüdische Kalender Da die Zeitrechnung im religiösen jüdischen Kalender mit der Erschaffung der Welt beginnt, befinden sich Juden zumindest in spiritueller Hinsicht auf der ganzen Welt nicht im Jahr 2020, sondern bereits im Jahr 5781. Das Neujahrsfest und damit der Beginn des nächsten Jahres 5782 ist immer am ersten Tag des Monats Tischri. Das ist meistens im September oder Oktober.

Im jüdischen Kalender sind die religiösen Feiertage und Rituale festgelegt. Der Kalender richtet sich nach den natürlichen Zyklen von Mond und Sonne. Damit Festtage im Jahresverlauf nicht komplett schwanken (Chanukka sollte immer im Winter liegen, Pessach im Frühling etc.) werden teilweise extra "Schaltmonate" eingezogen.    

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Schabbat Schalom | 05. September 2021 | 15:45 Uhr