Thema der Woche Von Krafttieren, Trommeln und Schwitzhütten

26. November 2015, 15:33 Uhr

Der Schamanismus ist die älteste, genauer nachweisliche Form religiösen Denkens. Bis heute ist er in zahlreichen Religionen, Ethnien und Kulturen präsent. Schamanen sprechen mit Geistwesen, begeben sich in Trance und Ekstase, gehen auf Seelenreise. Sie stehen im Dienst der Gemeinschaft. Heute aber wird geschwitzt und getrommelt zur Selbsterfahrung.

Die Beschäftigung Europas mit dem Schamanismus ist nicht neu. Seit dem 17. Jahrhundert berichten Missionare, Handlungsreisende und Forscher von seltsamen Praktiken sibirischer und nordamerikanischer Völker, in denen ein Schamane als religiöser Spezialist mit Geistern spricht und in andere Wirklichkeitsbereiche reist. Galten Schamanen im 18. Jahrhundert als Paradebeispiel für irrationales Verhalten unaufgeklärter Menschen, ging dennoch eine Faszination von ihnen aus. Goethe und Herder sahen Schamanen als Chiffre jenes religiösen Künstlers, der die sinnlich wahrnehmbare Welt transzendiert und mit den Wesenheiten der Natur kommuniziert.

Der Neo-Schamanismus

Anders als in Religionen, bei denen Gott im Zentrum steht, ist der Schamane selbst das Zentrum. Als Mittler zwischen den Welten, zwischen Diesseits und Jenseits, erfüllt er für die Gemeinschaft ganz bestimmte Aufgaben. Er sichert den Jagderfolg, heilt Krankheiten, gestaltet wichtige Übergänge wie Geburt und Tod und vertreibt böse Geister. Der Schamane ist Erzähler, Sänger und Dichter von Mythen und Geschichten. Er ist der Bewahrer von Wissen. Steht der traditionelle Schamanismus im Dienst der Gemeinschaft geht es beim Neo-Schamanismus um den individuellen Zugewinn, die Befriedigung der eigenen religiösen Bedürfnisse. 

Meditation und Trance als Selbsterfahrungstrip

Wirken Wetterzauber und Totemtiere im westlichen Verständnis befremdlich, finden Räucherstoffe, ätherische Öle und reinigender Rauch ihre Liebhaber im westlichen Kulturkreis. Fasten, Schwitzen, Tanz und Gesang, das Schlagen bestimmter Rhythmen auf den Schamanentrommeln begleiten die Rituale und ermöglichen den Übergang in andere Seinszustände.

Passend zum knappen Zeitbudget westlich sozialisierter Menschen lassen sich neo-schamanistische Praktiken individueller Selbstverwirklichung und Selbsthilfe relativ rasch aneignen. Der religiöse Markt bietet Suchenden eine Vielzahl von Möglichkeit zum Einstieg in die Welt von Trance und Selbsterfahrung. In Schwitzhütten, Trommelkursen, Schamanismus-Workshops suchen Menschen nach neuen Formen von Spiritualität, Lebenssinn und Transzendenz, jenseits abendländischer religiöser Traditionen. Sie suchen nach neuen Wegen ihr Leben zu gestalten.  

Im schamanischen Praktiken finden sie Möglichkeiten transzendenter Erfahrungen eigener Religiosität  und direkten Kontaktes zum Übersinnlichen. In "Trommeln, Träume, Totemtiere" zeigt die Nah dran-Reportage, wie sich Menschen in Thüringen auf ihre schamanische Reise begeben.