08.04.2023 Internationaler Tag der Roma: "Rom" heißt Mensch

"Rom" heißt Mensch, ihre Menschen- und Bürgerrechte fordern Romnja und Roma seit Jahrzehnten ein. Auf ihre Kultur und Tradition, aber auch auf ihre soziale Situation, auf Verfolgung und Diskriminierung macht der Aktionstag am 8. April aufmerksam. Wir erklären die Hintergründe und stellen Menschen und Projekte in Sachsen-Anhalt und Sachsen vor, die sich für Anerkennung und Gleichberechtigung stark machen.

Sinti und Roma begehen den Internationalen Tag der Sinti und Roma mit ihrer eigenen Flagge.
Den Aktionstag am 8. April begehen Sinti und Roma mit ihrer eigenen Flagge. Bildrechte: dpa

Der Internationale Tag der Roma am 8. April 2023 macht auf die Kultur und Tradition der Romnja und Roma, aber auch auf deren soziale Situation, die lange Geschichte ihrer Verfolgung und die bis heute anhaltende Diskriminierung aufmerksam.

Von wegen Minderheit

Rom:nja gibt es als ethnisch-kulturelle Minderheit auf allen Kontinenten, die große Mehrheit lebt seit rund 700 Jahren in Europa. Heute sind das schätzungsweise 12 Millionen Menschen. In Deutschland leben zwischen 70.000 bis 150.000 Sinti und Roma. Die in Deutschland ansässigen Rom:nja werden als ethnische Minderheit nicht erfasst, daher liegen keine genaueren Zahlen vor. Viele Rom:nja sind in den letzten Jahren im Rahmen des europäischen Freizügigkeitsrechts aus Rumänien und Bulgarien nach Deutschland zugewandert. Nicht zuletzt flüchteten auch viele Rom:nja nach dem russischen Überfall aus der Ukraine 2022 nach Deutschland.

Sinti und Roma werfen in Berlin Blumen in den Landwehrkanal, um symbolisch die Verbundenheit mit Roma in allen Teilen der Welt zum Ausdruck zu bringen
Aktionstag am 8. April: Sinti und Roma werfen in Berlin Blumen in den Landwehrkanal, um symbolisch die Verbundenheit mit Roma in allen Teilen der Welt zum Ausdruck zu bringen. Bildrechte: dpa

Stichwort: Sinti und Roma

"Sinti" bezeichnet die in Mitteleuropa beheimateten Angehörigen der Minderheit, "Roma" sind jene mit ost- bzw. süd-osteuropäischer Herkunft.

In Deutschland bilden Sinti seit jeher die größte Gruppe, daher wird hier die Bezeichnung "Sinti und Roma" bevorzugt. Außerhalb des deutschen Sprachkreises wird "Roma" – oder einfach "Rom" (dt. "Mensch") – auch als Sammelname für die gesamte Minderheit verwendet.

8. April 1971: Beginn der Roma-Bürgerrechtsbewegung

Der Aktionstag findet seit 1990 am 8. April statt, das Datum erinnert an den ersten Internationalen Roma-Kongress am 8. April 1971 in London, der soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung, aber auch die Bewahrung der Kultur und Sprache einforderte. Dazu kamen 23 Vertreterinnen und Vertreter aus neun Staaten. Die erste internationale Vereinigung der Rom:nja demonstrierte ein neues Selbstbewusstsein, das seinen Ausdruck in einer eigenen Hymne für eine "Nation ohne Nation" ("Djelem, Djelem"), einer eigenen, blaugrünen Flagge mit rotem Speichenrad und der Einigung auf die Bezeichnung Roma fand. Darüber wird in der Community bis heute auch kontrovers diskutiert. Am Ende steht der 8. April 1971 für den Beginn der Roma-Bürgerrechtsbewegung.

Porajmos: Genozid an den Sinti und Roma

Erinnert wurde damals auch an den Völkermord zur Zeit des Nationalsozialismus, bei dem 500.000 europäische Rom:nja umkamen. Dieser Genozid (Porajmos) wurde in Deutschland erst im März 1982 als solcher anerkannt. Im selben Jahr gründeten Sinti und Roma einen Zentralrat, um ihre Interessen und Rechte national und international besser vertreten zu können. Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma ist seit seiner Gründung Romani Oscar Rose. 1995 erfolgte die Anerkennung als Minderheit.

Die Präsidentin des Europäischen Parlamentes, Simone Veil, legt zusammen mit Romani Rose (l), dem späteren Vorsitzenden des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, am 27. Oktober 1979 am Ehrenmal im ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen einen Kranz nieder.
Die Präsidentin des Europäischen Parlamentes, Simone Veil, legt zusammen mit Romani Rose (l), dem späteren Vorsitzenden des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, am 27. Oktober 1979 am Ehrenmal im ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen einen Kranz nieder. Bildrechte: dpa



Seit dem Jahr 2012 erinnert in Berlin das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas an die Opfer der NS-Vernichtungspolitik. Im März 2022 ernannte das Bundeskabinett den Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler als ersten Antiziganismus-Beauftragten Deutschlands, um heute gegen wiederaufflammenden Rassismus vorzugehen.

Aktionstag 2023: Erinnerung an den in Chemnitz geborenen Ranco Brantner

Zum 52. Internationalen Tag der Roma finden den Angaben zufolge bundesweit zahlreiche Veranstaltungen statt. Bereits am 4. April wurde in Ulm an den in Chemnitz geborenen Holocaustüberlebenden und Bürgerrechtler Ranco Brantner erinnert. Zentralrats-Vorsitzender Rose und Ulms OB Gunter Czisch enthüllten dazu eine Gedenktafel. Brantner wurde aufgrund der NS-Rassenpolitik mit 13 Jahren zwangssterilisiert. Zahlreiche seiner Angehörigen wurden von den Nazis ermordet. Seit Ende der 1970er-Jahre engagierte sich Brantner in der Bürgerrechtsbewegung der deutschen Sinti und Roma. Die offizielle Anerkennung des Völkermords an den Sinti und Roma im Jahr 1982 durch die Bundesregierung ist auch seinem Engagement zu verdanken.

Verband der Roma und Sinti in Sachsen: Gedenken am Mahnmal in Leipzig

Schon im März wurde in Leipzig an das Leben und Wirken von Sinti und Roma in der Stadt erinnert. Eine Jahrhunderte lange Geschichte, die mit der am 1. März 1943 beginnenden Deportation endete. Zum 80. Jahrestag wurde ein Kranz am Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma niedergelegt, das die Stadt den Opfern 2003 unweit der Oper errichtete. Mit der Vergangenheit, aber auch Gegenwart und Zukunft der Roma und Sinti in Leipzig beschäftigte sich eine vom Verband der Roma und Sinti in Sachsen, ROMANO SUMNAL e.V., organisierte Podiumsdiskussion am 24. März in der Leipziger Stadtbibliothek.

Anna Mettbach, Zeitzeugin und ehemalige Inhaftierte im Vernichtungslager Auschwitz, spricht am 25.03.2003 in Leipzig zur Einweihung eines Mahnmals (im Hintergrund), das zur Erinnerung an die im Nationalsozialismus ermordeteten Sinti und Roma errichtet wurde.
Die Auschwitz-Überlebende Anna Mettbach bei der Einweihung des Leipziger Mahnmals für die ermordeten Sinti und Roma. Wieland Försters Bronzeplastik "Geschlagener" wurde im März 2003 am Schwanenteich nahe der Leipziger Oper errichtet. Dort wurde 2023 an die vor 80 Jahre beginnende Deportation von schätzungsweise rund 600 Leipziger Sinti und Roma erinnert. Bildrechte: dpa

Ausstellungstipp Was heißt hier Minderheit?
Wanderausstellung

07.06. bis 25.07.2023
Landtag Sachsen-Anhalt
Domplatz 6-9
39104 MAGDEBURG


08.08. bis 04.09.2023
Thüringer Landtag
Jürgen-Fuchs-Straße 1
99096 ERFURT

Bunte Krawatten und Fliegen 2 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Gruppe von Jungs beim Fußballtraining. 2 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK