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Bildrechte: Kölner Karnevalmuseum/Festkomitee Kölner Karneval

"Der Tüfel hat das Spiel erdacht"Warum wir Fasching, Fastnacht oder Karneval feiern

10. Februar 2024, 11:52 Uhr

Im Grunde ist es so: Für die Katholiken ist spätestens am Aschermittwoch alles vorbei, dann heißt es, karg leben und das bis Ostern. Um das zu ertragen, wird vorher nochmal gezecht. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen – einst Kernland der Reformation – wird seit Luther aus freien Stücken verzichtet, oder eben nicht. Deswegen braucht es auch kein Fest, das sich "der Tüfel" erdachte, oder?

von MDR Religion und Gesellschaft

"Der Tüfel hat das Spiel erdacht", heißt es bei Sebastian Brant, dem Autor des "Narrenschiffs". Als Zeit der großen Sünden wird die Fastnacht oft beschrieben: Bei all der "fresserei, hochmut oder hoffart, unkeuschheit, narrheit, dadurch Gottes gantz wirt vergessen", warnt ein liturgisches Buch von 1518. Doch warum toleriert die katholische Kirche Völlerei und Gottlosigkeit? Weil am Aschermittwoch wieder alles vorbei ist.

Dann heißt es, 40 Tage lang Enthaltsamkeit üben. Im Mittelalter gehören Fastnachtstreiben und die vorösterliche Fastenzeit zusammen. Sie stehen für Gegenwelten, auf der einen Seite das Reich Gottes und auf der anderen Seite das seines Gegenspielers.

Stichwort: Die Welt als Narrenschiff

Die Welt als Narrenschiff, alles steht Kopf, ist verkehrt – dieses Bild steht von altersher für die Faschings- und Karnevalszeit. Bis heute sind vielerorts die Wagen beim Straßenkarneval in Form eines Schiffes gestaltet. Angespielt wird so auf das alte Bild vom Schiff ohne Mast, Segel und Kompass, das mit seinen Insassen ins Verderben fährt. Sebastian Brants (1457-1521) gleichnamige Moralsatire "Das Narrenschiff" karikiert die Laster der Narren an Bord, die am Ende wieder auf Kurs gebracht werden. Dominik Fugger, Religionswissenschaftler an der Uni Erfurt, spricht nicht von Mummenschanz, sondern von "Verkehrungsritualen", die die herrschende Ordnung für eine Weile aufheben. "Damit", so Fugger, "entsteht eine Phase der Offenheit, an deren Ende der Umsturz oder aber auch die Rückkehr zur althergebrachten Ordnung stehen kann." Oder manchmal auch nur ein heftig brummender Schädel.

Karneval: Aus den Klöstern in die Städte

"Das Narrenschiff" ist immer mit dabei, hier beim Festumzug im thüringischen Wasungen ... Bildrechte: picture-alliance/ZB/Andrea Schicker

Die Anfänge für das bunte Treiben liegen in den christlichen Klöstern. Dort wird in den Tagen vor der Fastenzeit noch einmal opulent gespeist. Fleisch und alles Verderbliche muss aufgebraucht werden. Am besten bei einem großen gemeinsamen Fest. In den Kirchen werden vom 12. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts Narrenfeste gefeiert. Niedere Kleriker übernehmen vorübergehend die Privilegien der höheren Geistlichkeit. Kirchliche Rituale werden in Narren- oder Eselsmessen parodiert, sogar ein Pseudobischof- oder -papst gekürt. Das Geschehen verlagert sich allmählich aus den Kirchen in die Städte. Die Bürger nehmen teil an den Festen mit Prozessionen, Musik und Spottgedichten, die wie im Süddeutschen oder am Rhein eine regionale Färbung bekommen.

... und als wertvoller historischer Wiegendruck Bildrechte: picture-alliance/dpa/Martin Schutt

Der Narr ist für die katholische Kirche der, der Gott nicht in den Werken der Schöpfung erkennt. Die Masken stehen für Laster wie Hochmut oder Geiz. So dient selbst der Mummenschanz dazu, auf die Zeit der Buße vor Ostern einzustimmen und an die Nichtigkeit der Welt zu erinnern. Beim Volk kommt mancherorts nicht die Moral, sondern das subversive Element der Botschaft an: Jeder kann in jede Rolle schlüpfen, es gibt kein Oben und kein Unten. Das Fastnachtstreiben gerät, wenn Rechnungen offen sind, schnell außer Rand und Band – beispielsweise 1296 in Speyer, wo eine "Schlegerey mit der Clerisey Gesind" überliefert ist. Rat und Bürgern der Stadt wird danach sogar mit Exkommunikation gedroht.

Stichwort: Der Narr und die Masken

Der Narr ist in der mittelalterlichen Welt der, der Gott nicht in den Werken der Schöpfung erkennt. An seiner Mütze trägt er Eselsohren, Hahnenkamm und Schellen. Manche Narren tragen einen Stock mit Narrengesicht, das Narrenzepter steht für eitle Selbstbezogenheit. Dass die, sich sich sonst wichtig nehmen, entthront werden, ist dabei durchaus ein christlicher Gedanke. Die Masken stellen die sieben Laster dar. Für den Hochmut steht der Pfau oder das Pferd, der Neid wird durch den Drachen, der Zorn durch den Löwen, der Geiz durch den Fuchs, die Unkeuschheit durch Bock und Hahn, die Unmäßigkeit durch den Bär oder das Schwein und die Acedia, die Trägheit des Herzens, durch den Esel dargestellt. In der Neuzeit sollen die Verkleidungen als Chinese oder Indianer die vermeintlichen Feinde des Christentums karikieren. Heute gibt es Debatten darüber, welche Kostüme oder Verkleidungen noch vertretbar sind.

Luther setzt Fasten und Fastnacht außer Kraft

Dann kommt ein Mann namens Martin Luther und "spielt verkehrte Welt". Er findet, ob der Christenmensch faste oder nicht, sei seine Entscheidung: "Der Mensch darf jederzeit jegliche Speise essen", stellt er fest. Auch adressiert er die Obrigkeit gern direkt, ohne sich unter Masken und Perücken zu verstecken. So wird mit der Reformation die vorösterliche Fastenzeit und zugleich die Fastnacht in Frage gestellt. Damit schwindet auch ein Stück sinnenfreudige Festkultur. In protestantischen Gegenden geraten viele Bräuche in Vergessenheit. Der Fasching gilt dort bald als nicht zu duldendes "heidnisch Teuffels-Fest".

Rheinländer und die subversive Kraft des Karnevals

Später im 18. und 19. Jahrhundert wird aus anderen Gründen versucht, das närrische Treiben zu unterbinden. So untersagen die Franzosen in den besetzten rheinischen Gebieten den Karneval, der Kölner Stadtkommandant verbietet 1795 nicht nur das Maskieren, sondern jede Art der Verkleidung, weil er "Unordnungen" erwartet. Und Preußens König Friedrich Wilhelm III. will seinen neuen Untertanen 1828 "Maskeraden" nur noch in jenen größeren Städten der Rheinprovinzen erlauben, "wo sie von Alters her herkömmlich stattgefunden haben". Gerade durch die Verbote nimmt der Karneval, der vielerorts zur bloßen Sauferei verkommen ist, wieder neuen Aufschwung.

Überlebt hat das närrische Treiben in den Karnevalshochburgen und auch in der thüringischen Diaspora. Außerhalb dieser Regionen lässt die sogenannte fünfte Jahreszeit Umfragen zufolge fast jeden fünften Deutschen kalt, weil ihm betrunkene Erwachsene in Kostümen, Podiumssitzungen und Marschmusik peinlich sind.

Fasching und Karneval in Mitteldeutschland

Stichwort: Fastnacht, Fasching, Karneval

In Süddeutschland und Österreich ist von "Fasching" die Rede. Bereits im 13. Jahrhundert gab es dort den "vaschanc" oder "vastschanc" - und das stand für das Ausschenken des Fastentrunks. "Oho, Faschang!" ist dort als Freudenaufruf bekannt. Die "Fastnacht" oder "Fasnacht" ist nicht nur in Baden-Württemberg, der Schweiz oder Liechtenstein belegt, auch in der Oberlausitz hat das Wort Tradition. Es entstand aus dem mittelhochdeutschen "vas(t)(en)nacht". Das bedeutet die "Nacht vor dem Fasten". Seit dem 15. Jahrhundert schließt es eine ganze Woche vor der Fastenzeit ein. Der "Karneval" ist erst seit dem 17. Jahrhundert bekannt, aktenkundig wurde der Begriff das erste Mal 1780 in Köln. Angenommen wird, dass das Wort auf das italienische "carnevale" zurückgeht und so in seiner Bedeutung (in etwa: Fleisch, lebe wohl) einen klaren Bezug zur Fastenzeit herstellt. Es könnte jedoch noch ältere Wurzeln haben.

MDR / Redaktionelle Bearbeitung: Katrin Schlenstedt

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