Hintergrund Was ist ein Heiliges Grab?

28. März 2024, 11:21 Uhr

Ein Schädel, ein paar Knochen und ein Bernsteinamulett geben Archäologen Rätsel auf. Zufällig wurden sie in der Vorkammer des Heiligen Grabes von Gernrode gefunden. Überreste eines menschlichen Körpers in einem Heiligen Grab? Das darf nicht sein, denn ein Heiliges Grab ist kein Grab im eigentlichen Sinn.

Es ist eines der ältesten Heiligen Gräber nördlich der Alpen, das Heilige Grab in der Stiftskirche St. Cyriakus von Gernrode: Eine kleine Kapelle, die aus zwei – vermutlich im elften Jahrhundert errichteten – Kammern besteht, aufwändig verziert mit Figuren und Motiven, die die Geschichte des Leidens und Sterbens von Jesus Christus erzählen.

Nachbildung der Grabstätte von Jesus Christus

Traditionell ist ein Heiliges Grab eine Nachbildung der Grabstätte Jesus Christus. Ein Scheingrab, an dem jährlich zu Ostern Andacht gehalten wird und niemand – egal welchen Standes – begraben werden darf. Ihren Ursprung haben diese Nachbauten im frühen Mittelalter. Damals gaben zahlreiche Landesfürsten und private Stifter Heilige Gräber in Auftrag um dem Ort der Auferstehung Jesu Christi nahe sein zu können, ohne weite Pilgerreisen machen zu müssen. Während der Jahrhunderte der Kreuzzüge erreicht die Heilig-Grab-Bewegung ihren Höhepunkt. Überall in Europa entstehen Heilige Gräber als Orte der persönlichen Erinnerung oder Andacht heimkehrender Kreuzfahrer. Die verschiedenen Bauherren gingen dabei sehr unterschiedlich ans Werk: Während die einen eine schlichte Kapelle, eine Skulpturengruppe oder einen Sarkophag errichteten, ließen die anderen eine eins-zu-eins-Kopie des Originalschauplatzes anfertigen.

Das Heilige Grab von Görlitz - eine originalgetreue Kopie

Eine solche originalgetreue - wenn auch verkleinerte - Kopie ist das Heilige Grab von Görlitz. Das Ensemble aus Kreuzkapelle, Salbhaus und Grabkapelle entspricht exakt dem der heiligen Stätte in Jerusalem. Erbaut wurde es Ende des 15. Jahrhunderts aus Betreiben des einflussreichen Tuchhändlers und späteren Bürgermeisters von Görlitz, Georg Emmerich. Emmerich kannte die Grabkirche Jesus Christus’ von einer Pilgerreise, die er um 1465 antreten musste, weil er eine unverheiratete Frau geschwängert hatte.

Der Chemnitzer Prunkschrein aus Lindenholz

Das Heilige Grab von Chemnitz dagegen ist eine Art Prunkschrein, ein aus Lindenholz gefertigtes Kunstwerk (1,06m breit, 2,76m lang, 3,72m hoch), welches an eine chorlose spätgotische Kathedrale erinnert. Es zeigt zahlreiche Figuren, die mit dem Begräbnis und der Auferstehung Jesus Christus verbunden sind: Joseph von Arimathäa, der von Pontius Pilatus die Erlaubnis erhielt, Jesus zu beerdigen, Jesus’ Mutter Maria ebenso wie ihre Schwester Maria Kleopha und Maria Magdalena, die erste Zeugin der Auferstehung Christi. Heiliges Gräber in Prunkschreinform gibt es nur noch dreimal in ganz Europa: In Chemnitz, in Zwickau und im ungarischen Esztergom.

Die Tote von Gernrode

Insgesamt sind rund 50 Heilige Gräber in Europa und 17 in Deutschland erhalten geblieben. Sie alle eint die Tatsache, dass sie nur Scheingräber sind. Deshalb ist der Fund von Gernrode so spektakulär. Die Gebeine, die dort entdeckt wurden, lagen in der Vorkammer zum Heiligen Grab. Wer dort beigesetzt wurde und wann, darüber rätseln Archäologen, Anthropologen, Kunsthistoriker und Theologen. 

Über dieses Thema berichtet der MDR auch im : MDR FERNSEHEN | Nah dran | 16.04.2017 | 07:55 Uhr