21. September Welt-Alzheimertag: Wie die Situation der Betroffenen ist

Demenzkranke und ihre Angehörigen geraten immer stärker unter Druck. Darauf macht zum Welttag am 21. September die Deutsche Alzheimergesellschaft aufmerksam. Während die Kosten für die Pflege rapide steigen, es zugleich an Kapazitäten mangelt, fordern Patientenschützer neue Wege in der stationären Pflege. Mehr zur Debatte, Ratgeber-Infos und eine Reportage darüber, wie zwei Töchter mit der Demenzerkrankung ihrer Mütter umgehen, finden Sie hier.

Demenz: Der lange Abschied - Zwei Töchter und ihre Mütter
Was, wenn die eigene Mutter an Demenz erkrankt? Die Magdeburger Filmemacherin Roxana Hennig hat zwei Töchter begleitet, die genau vor dieser Frage standen. "Demenz: Der lange Abschied" zeigt die Situation von Betroffenen hautnah und ist jetzt in der ARD-Mediathek zu sehen. Bildrechte: MDR / D. Laudowicz

Die Vorsitzende der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft, Monika Kaus, erinnert zum Welttag am 21. September an die Betroffenen, die angesichts von Inflation und rapide steigenden Energiekosten immer weiter unter Druck geraten. Nicht nur seien die Eigenanteile für Pflegeheime um bis zu 1.000 Euro pro Monat gestiegen. Auch Pflegedienste legten steigende Kosten um. "Bei den Entlastungspaketen der Bundesregierung werden diese Menschen aber weitgehend vergessen", kritisierte Kaus.

Daten & Fakten

* In Deutschland gelten der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft zufolge heute etwa 1,8 Millionen Menschen als demenzkrank. Ungefähr zwei Drittel davon haben Alzheimer. Im Jahr 2021 erkrankten etwa 440.000 Menschen im Alter über 65 Jahren neu an einer Demenz. Wegen der älter werdenden Bevölkerung wächst die Zahl der Betroffenen. So hat sich die Zahl der Klinikbehandlungen und Todesfälle wegen Alzheimer in Deutschland binnen 20 Jahren mehr als verdoppelt.

*Weil die Menschen immer älter werden, könnten es 2050 bereits 2,8 Millionen sein. Pro Jahr erkranken rund 300.000 Bundesbürger neu.

*Die menschlichen, aber auch die finanziellen Belastungen sind erheblich: Grobe Kostenschätzungen für Deutschland gehen von 40 bis 50 Milliarden Euro pro Jahr aus.

*Weltweit gibt es nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation rund 50 Millionen Demenzkranke; jedes Jahr kommen 10 Millionen Neuerkrankungen hinzu. Die internationale Alzheimer-Organisation bezeichnet die Krankheit deshalb als "globale Epidemie".

Pflege-Dilemma: Rapide steigende Kosten, Mangel an Fachkräften

Zugleich mangelt es an den Kapazitäten in der Betreuung durch Fachkräfte. Unterstützung durch Pflege- und Betreuungsdienste, Tages- und Kurzzeitpflegeangebote oder Pflegeheime seien immer schwieriger zu finden, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung mit der Hirnliga e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie e.V. Es fehlten Fachkräfte in den Krankenhäusern wie der ambulanten und stationären Pflege. Das sei eine Auswirkung des demografischen Wandels, aber auch zurückzuführen auf Überlastung, Krankheit oder Quarantäneanordnungen.

Patientenschützer fordern Demenzbegleiter fürs Krankenhaus

Neue Wege in der stationären Pflege fordert zum Welt-Alzheimertag die Deutsche Stiftung Patientenschutz, da immer mehr Menschen mit der Diagnose in Krankenhäusern behandelt werden müssen. Vorstand Eugen Brysch erklärte, bislang seien Krankenhäuser für Demenzkranke "ein gefährlicher Ort". Ein Krankenhausaufenthalt führe oft zu mehr Orientierungslosigkeit und Unruhe. Das erschwere häufig die Behandlung der akuten Krankheit. Nicht selten erhielten daher Erkrankte Psychopharmaka zur Ruhigstellung. Brysch forderte, jede Klinik müsse es ermöglichen, dass eine Begleitperson mit aufgenommen werde. Die Kosten dafür sollten die Krankenkassen übernehmen. Zusätzlich bräuchte es endlich spezielle Demenzbegleiter, die solche Patienten auf allen Stationen in den Blick nehmen und betreuen. Das würde auch Pflegekräfte und Mediziner entlasten.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamt mussten 2020 bundesweit 19.356 Menschen mit dieser Diagnose ins Krankenhaus. Damit habe sich die Zahl der stationären Behandlungen binnen 20 Jahren mehr als verdoppelt. Im Jahr 2020 starben in Deutschland insgesamt 9.450 Menschen an Alzheimer - so viele wie nie zuvor. Die Zahl der Todesfälle war danach mehr als doppelt so hoch wie im Jahr 2000 mit 4.535.

Stichwort: Alzheimer

Die bekannteste Form der Demenz ist die Alzheimer-Erkrankung. Rund 60 Prozent aller Demenzerkrankungen werden als Alzheimer diagnostiziert.

Bislang gibt es keine Therapie, die die Erkrankung stoppen oder heilen könnte. Symptome können aber gemildert, der Verlauf verlangsamt werden, unter anderem durch gesunden Lebensstil und Bewegung.

Die Häufigkeit von Demenzerkrankungen nimmt mit dem Lebensalter zu: Sind in der Altersgruppe von 70 bis 74 Jahren noch unter vier Prozent betroffen, so sind es bei den 80- bis 84-Jährigen bereits mehr als 15 Prozent, bei den über 90-Jährigen mit 41 Prozent sogar rund zwei Fünftel. In Einzelfällen können auch unter 65-Jährige an einer Demenz erkranken.

Als Ursache gelten Eiweiß-Ablagerungen im Gehirn außerhalb der Zellen, Eiweißverklumpungen innerhalb der Zellen und Fehlfunktionen des Immunsystems. Nach Einschätzung von Medizinern werden zwei bis fünf Prozent der Erkrankungen durch familiär weitergegebene Genmutationen verursacht. Bei den übrigen Fällen gibt es offenbar eine Mischung aus genetischem Risiko und Lebensstil. Übergewicht, Bluthochdruck oder Entzündungen im Körper spielen eine Rolle.

Bei einem weiteren Teil wird das Gehirn durch Durchblutungsstörungen dauerhaft geschädigt, dann ist die Rede von vaskulärer Demenz.

Bundesweite Aktionswoche mit Hilfsangeboten

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft und die anderen Verbände äußerten sich anlässlich des Welt-Alzheimertages, der seit 1994 jährlich am 21. September begangen wird. Die bekannteste Form der Demenz ist die Alzheimer-Erkrankung. Rund 60 Prozent aller Demenzerkrankungen werden als Alzheimer diagnostiziert. Mit dem Fortschreiten der neuropsychiatrischen Krankheit, die zum Verlust von Hirngewebe führt, nimmt das Orientierungsvermögen stark ab, die sprachlichen Fähigkeiten verkümmern, die Persönlichkeit beginnt zu zerfallen.

In diesem Jahr steht der Welt-Alzheimertag unter der Überschrift "Demenz - verbunden bleiben". Bundesweit finden in einer "Woche der Demenz" zahlreiche Veranstaltungen statt, die auf die Situation der Betroffenen aufmerksam machen und Hilfsangebote aufzeigen sollen.

Alzheimer erkennen und vorbeugen

Ursachen und Symptome: Bei der Alzheimer-Erkrankung kommt es zum fortschreitenden Verlust von Hirn-Nervenzellen sowie zu Ablagerungen. Die ersten Symptome von Alzheimer werden oft nicht mit der Krankheit in Verbindung gebracht: Kopfschmerzen, leichte Depressionen, Leistungsschwäche. Bald kommt es zu ersten Ausfallerscheinungen des Gehirns.

Frühwarnzeichen:

1. Der Betroffene wiederholt immer wieder die gleiche Frage.

2. Er oder sie erzählt ständig dieselbe Geschichte mit denselben Worten.

3. Es gelingt nicht mehr, alltägliche Verrichtungen (Kochen, Kartenspielen, Benutzung der Fernbedienung) vorzunehmen.

4. Der Umgang mit Geld, Rechnungen und Überweisungen klappt nicht mehr.

5. Gegenstände werden verlegt oder unbewusst versteckt, Angehörige werden verdächtigt, sie weggenommen zu haben.

6. Der Patient weigert sich, sich zu waschen oder frische Kleider anzuziehen und behauptet fälschlich, dies gerade erst getan zu haben.

7. Er wiederholt an ihn gerichtete Fragen.

Mit dem Fortschreiten der Krankheit nimmt das Orientierungsvermögen stark ab, die sprachlichen Fähigkeiten verkümmern, die Persönlichkeit beginnt zu zerfallen. Im späten Stadium der Krankheit baut der Körper stark ab. Betroffene können ihren Alltag ohne ständige Pflege nicht mehr meistern. Nach der Diagnose leben die Betroffenen meist noch zwischen acht und zehn Jahren. Heilung ist bislang nicht möglich. Mit Medikamenten werden die Symptome behandelt. Das Voranschreiten der Krankheit wird so verlangsamt.

Vorbeugung: Einige Verhaltensweisen können laut Deutscher Alzheimer Gesellschaft das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, senken. Dazu gehören körperliche, geistige und soziale Aktivität; eine ausgewogene, cholesterin- und fettarme Ernährung; die Behandlung von Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen und Diabetes Mellitus.

Mehr zum Thema Demenz

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Nah dran | 28. April 2022 | 22:35 Uhr

Mehr aus Religion und Gesellschaft im MDR

Religion

Logo
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Nah dran | MDR FERNSEHEN | donnerstags | 22:40 Uhr Nah dran

Nah dran

Reportage und Magazin zu Sinn- und Glaubensfragen

mehr