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Sachsen-Anhalt und die Zukunft

Es gibt noch keine Konsolidierung in Sachsen-Anhalt. Wir sind nach wie vor das Sorgenkind europaweit. Ich sage immer, das Bundesland ist ein Hotspot des demografischen Wandels. Wir schrumpfen und altern in Deutschland am stärksten.

Professor Klaus Friedrich

Welche Vorhersagen haben für Sachsen-Anhalt Auswirkungen auf politische Entscheidungen?

Man hat lange angenommen, dass die Bevölkerungszahl bald unter die Zwei-Millionen-Grenze gehen wird. Aufgrund der Vorausberechnungen war das auch erst einmal abzusehen. Jetzt scheint sich, aufgrund leicht veränderter Parameter, das zumindest nicht mehr abzuzeichnen. Dies betont Herr Haseloff (Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Anmerk. Red.) verständlicherweise immer wieder gern.

Die Zwei-Millionen-Grenze ist wichtig, da Sachsen-Anhalt sonst eine seiner vier Stimmen im Bundesrat verlieren könnte?

Das kann sein, aber wie gesagt wird dieser Fall wahrscheinlich nicht eintreten. Es gibt aber noch keine Konsolidierung in Sachsen-Anhalt. Wir sind nach wie vor das Sorgenkind europaweit. Ich sage immer, das Bundesland ist ein Hotspot des demografischen Wandels. Wir schrumpfen und altern in Deutschland am stärksten. Und auch im europäischen Maß steht Sachsen-Anhalt nicht so ganz toll da.

Aber wir haben inzwischen konsolidiertere Werte. Die Abwanderung findet nicht mehr statt. Wir haben einen relativ ausgeglichenen Wanderungssaldo. Die Geburtenraten haben sich wieder dem deutschen Niveau angenähert. Wir haben seit der Wiedervereinigung eine um viele Jahre gestiegene Lebenserwartung. All das trägt dazu bei, dass sich eine Bevölkerung zahlenmäßig weiter stabilisiert. Wir haben sogar eine Rückwanderung. Das ist eine relativ wichtige Sache. Denn viele ehemals junge Menschen, die nach der Wiedervereinigung wegen beruflicher Perspektiven fortgezogen sind, kommen wieder zurück. Nicht nur junge Leute, die in die Universitätsstädte gehen, sondern es kommen auch diejenigen zurück, die im mittleren und jüngeren Alter nach Westen gegangen sind und jetzt hier in Rente gehen oder wieder eine berufliche Perspektiven sehen.

Was ist mit Empfehlungen, sich strukturpolitisch auf Ballungsgebiete zu konzentrieren, statt auf den ländlichen Raum?

Das ist der falsche Ansatz. Das war eine Idee einer Arbeit des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle. Ich habe da mit einigen Kollegen gesprochen, die haben das von sich gewiesen. Wir sagen, wir wollen gleichwertige Lebensbedingungen in allen Landesteilen haben. Auch wenn möglicherweise die Städte Motoren der Wirtschaftsentwicklung sind. Aber die Menschen im ländlichen Raum müssen die Chance haben, an dieser Entwicklung partizipieren zu können. Und sie müssen eine Mindestvoraussetzung an Infrastruktur haben, um im ländlichen Raum leben zu können. Wenn sich der Staat aus der Fläche zurückzieht, das wäre das falsche Signal. Man muss regionalpolitisch auch nach Gemeinwohlgesichtspunkten und vom Grundgesetz ausgehen und gleichwertige Lebensbedingungen anstreben – auch wenn das nicht überall möglich ist. Aber dies muss das Ziel sein. Die politisch Verantwortlichen können nicht sagen: Ich ziehe mich aus peripheren Regionen zurück. Das geht nicht.

Vermutlich wird es in Zukunft mehr Klimaflüchtlinge geben. Kann das die Schrumpfung aufhalten?

Ja. Aber momentan ist kein politisches Bestreben erkennbar, Flüchtlingszahlen, egal welcher Art, zu erhöhen. Stattdessen wird europaweit eher versucht, eine Eindämmung zu erreichen. Ich glaube nicht, dass die Fluchtzuwanderung zunehmen wird. Zumindest ist das nicht auf der politischen Agenda, vielleicht auch momentan nicht durchsetzbar in Deutschland. Sie sehen ja selbst die Geschichten um das abgebrannte Flüchtlingslager (Moria in Griechenland, Anmerk. d. Red.). Aber der Druck wird zunehmen. Das wird stärker.

Gerade wird in Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen in Bezug auf den Stopp des Kohleabbaus von einem neuen Strukturwandel gesprochen. Könnte das auch wieder so ein Bruch werden?

Ja. Diese Befürchtung haben wir auch in Brandenburg. Das wird diskutiert, aber keiner weiß, wie sich das entwickeln wird. Das sind Unwägbarkeiten, die ich in demografische Prozesse noch nicht einspeisen kann, ob es zu einem Strukturwandel oder zu Strukturbrüchen kommt. Wenn es Brüche werden, dann kann sich das schnell auf die Bevölkerungsentwicklung auswirken. Wenn es zu einem Wandel kommt, dann kann es auch zu Konsolidierungen kommen, wie beispielsweise im Ruhrgebiet

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