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Chancen und Risiken: Die Folgen des Bevölkerungsschwundes​

Wir hätten dann eine gewisse Chance, wenn wir zunehmend eine familien- und kinderfreundliche Regionalpolitik betreiben. Also nicht Schulen schließen, sondern kleine Schulen offen halten. Infrastruktur nicht wegschrumpfen lassen, sondern fördern.

Professor Klaus Friedrich

Zwei Dinge sieht man in den Demografie-Daten von Sachsen-Anhalt. Es gibt einen positiven Wanderungssaldo. Das reicht aber nicht reicht, um die Schrumpfung aufzuhalten. Woran liegt das?

Die potenzielle Müttergeneration ist aufgrund der angesprochenen ehemals dramatischen Wanderungsverluste ausgedünnt. Gerade viele junge Personen sind damals nach Westen gegangen und fehlen jetzt vor Ort. Hier fehlen sie im ausreichenden Maße, um die die Bestandserhaltung einer Bevölkerung zu sichern. Selbst wenn es zu einer Verdopplung der Geburtenrate käme, würden wir dennoch schrumpfen. Wir haben einfach nicht genügend Frauen im gebärfähigen Alter in Sachsen-Anhalt.

Und das wird auch nicht besser?

Wir hätten dann eine gewisse Chance, wenn wir zunehmend eine familien- und kinderfreundliche Regionalpolitik betreiben. Das haben wir auch in Brandenburg in der Enquete-Kommission empfohlen. Also nicht Schulen schließen, sondern kleine Schulen offen halten. Infrastruktur nicht wegschrumpfen lassen, sondern fördern. Das sagt sich leicht, wenn die Menschen nicht mehr da sind, um deren Tragfähigkeit zu sichern. Aber wenn die Schulen und Kitas nicht mehr da sind, dann ziehen junge Menschen nicht mehr nach Sachsen-Anhalt. Dann ziehen sie, wenn überhaupt, in die Städte hinein.

Und man braucht natürlich einen Arbeitsplatz. Aber da nehmen viele junge Leute einen Pendelweg auf sich, wenn sie dafür wissen: Ich kann mir ein Häuschen bauen, meine Kinder sind in guten schulischen Verhältnissen. Es sind ja vor allem die ländlichen Regionen, die unter diesen Schrumpfungsprozessen leiden.

Ist es überhaupt problematisch, wenn die Bevölkerung eines Landes schrumpft?

Bis zu einem gewissen Maße ist das ein normaler Vorgang. Wenn wir also von 80 Millionen auf 70 Millionen Menschen in Deutschland kommen, dann wäre das für mich kein Problem. Nur wenn das kontinuierlich weitergeht, wird es schwierig.

Probleme erwachsen eher aus der dramatischen Bevölkerungsalterung. Wer sorgt künftig für die sozialen Sicherungssysteme, wer für das Brutto-Inlandsprodukt, wer für die Pflege? In Deutschland sehe ich die Schrumpfung nicht als das Hauptproblem, eher die Alterung.

Was hat die stärkeren Folgen: Wenn eine ohnehin schon kleine Gemeinde noch kleiner wird oder wenn eine Mittelstadt mehrere tausend Einwohner verliert?

Die Planungsverantwortlichen jammern über beide Szenarien. Ich würde sagen, die kleine Gemeinde wird es schwerer haben. Denn wenn sie über ein bestimmtes Maß schrumpft, dann kommt es zum Rückbau der Infrastruktur. Dann verschwinden die Schulen, die Kindergärten, die Grundversorgung. Dann fehlt es an Lebensqualität und es kommt so etwas wie eine Öde in diese Lebenswelt.

Fragen: David Muschenich und Martin Paul

Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Über den AutorMartin Paul ist Teil des Online-Teams von MDR SACHSEN-ANHALT und begeistert von den Möglichkeiten und Ausdrucksformen des digitalen Journalismus - Daten und Code, Visualisierung und Video, Longread und Ticker, Social-Media und Dialog. Was ihn umtreibt? Besonders die Frage, wie man das Netz frei und offen gestalten und Teilhabe garantieren kann.

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Quelle: MDR/mp

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