Moscheen, Islamisten und islamfeindliche Straftaten Fünf Fakten über Muslime in Sachsen-Anhalt

22. Februar 2020, 17:06 Uhr

Ein rassistischer Anschlag in Hanau und eine Razzia gegen eine rechte Terrorzelle: Wie viele Straftaten in Sachsen-Anhalt richten sich explizit gegen Muslime? Diese und weitere Fragen beantwortet MDR SACHSEN-ANHALT im zweiten Teil der Reihe zu muslimischem Leben.

Maria Hendrischke
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

1. Wo gibt es Moscheen in Sachsen-Anhalt?

Das Bild von Moscheen als prachvolle Kuppelbauten mit Minaretten trifft in Sachsen-Anhalt nicht zu. Die Magdeburger Moschee ist in einem ehemaligen Heizhaus untergebracht. In Halle-Neustadt treffen sich Muslime zwischen Plattenbauten im blau angestrichenen Islamischen Kulturcenter.

Außerhalb der Großstädte Magdeburg und Halle gibt es noch zehn weitere islamische Gemeinden beziehungsweise Kulturzentren, die sich teils noch in Gründung befinden: in Stendal, Genthin, Schönebeck, Dessau, Bitterfeld, Bernburg, Aschersleben, Merseburg, Weißenfels und Naumburg. Die insgesamt zwölf Gemeinden haben sich im vergangenen Jahr zum Dachverband islamischer Gemeinden in Sachsen-Anhalt zusammengeschlossen.

2. Wie viele Muslime gibt es im Vergleich zu anderen Gläubigen in Sachsen-Anhalt?

Laut Schätzungen leben 25.000 Muslime in Sachsen-Anhalt. Das entspricht etwas mehr als einem Prozent der 2,2 Millionen Sachsen-Anhalter. Die Zahl der Juden in Sachsen-Anhalt ist noch deutlich geringer. Nur etwa 2.000 Menschen gehören dieser Religion an, also etwa 0,1 Prozent der Landesbevölkerung.

Zum Vergleich: Die katholische Kirche hatte in Sachsen-Anhalt 2018 etwa 73.700 Mitglieder. Die evangelische Kirche wiederum zählte etwa 263.500 Mitglieder. Macht zusammen etwas weniger als 340.000 Christen. Das entspricht etwa 15 Prozent der Bevölkerung. Zu Christen anderer Glaubensrichtungen, etwa Orthodoxe, liegen keine Zahlen für Sachsen-Anhalt vor. Deutschlandweit geht der Religionswissenschaftliche Medien- und Informationsdienst (REMID) von etwa zwei Millionen Menschen aus.

Genaue Zahlen zu Buddhisten, Hindus und Jesiden gibt es für Sachsen-Anhalt nicht. Es dürften allerdings sehr wenige sein. Bundesweit gibt es laut REMID lediglich 270.000 Buddhisten und je 100.000 Hindus und Jesiden.

Die meisten in Sachsen-Anhalt – laut Zensus 2011 mehr als 80 Prozent, also etwa 1,8 Millionen Menschen – gehören gar keiner Religion an. Wäre diese Gruppe Teil der Grafik oben, würde das auch den Balken der Christen fast zum Verschwinden bringen.

3. Welchen Glaubensrichtungen des Islams gehören Muslime in Sachsen-Anhalt an?

Wie sich beispielsweise das Christentum in unterschiedliche Glaubensrichtungen wie katholisch und evangelisch teilt, gibt es auch nicht den einen Islam. Die meisten Muslime in Deutschland, etwa 75 Prozent, sind Sunniten. Das geht aus der Studie "Muslimisches Leben in Deutschland" vom BAMF mit Stand 2008 hervor. Aktuellere Zahlen gibt es laut Bundesinnenministerium nicht.

Die zweitgrößte Gruppe sind laut Studie die eher aus der Türkei stammenden Aleviten (etwa 13 Prozent), gefolgt von Schiiten (etwa sieben Prozent). Darüber hinaus gibt es im Islam weitere Glaubensrichtungen wie die Ahmadiyya, Sufi oder Ibaditen.

In Ostdeutschland ist der Anteil der Aleviten laut der Website "Muslimisch in Ostdeutschland" etwas geringer als im Bundesschnitt. Denn türkeistämmige Muslime leben vor allem in Westdeutschland. Genaue Angaben zur Verteilung der Glaubensrichtungen in Sachsen-Anhalt gibt es nicht.

Glaubensrichtungen im Islam

Die meisten Muslime in Deutschland – und weltweit – sind Sunniten. Eine zweite große Glaubensgruppe stellen die Schiiten dar. Muslime haben sich im 7. Jahrhundert in Sunniten und Schiiten gespalten. Grund dafür war ein Streit über den rechtmäßigen Nachfolger des islamischen Propheten Mohammed.

Das Alevitentum bildete sich im 13./14. Jahrhundert in der Türkei aus dem schiitischen Islam. Aleviten unterscheiden sich in einigen Punkten deutlich von Sunniten und Schiiten. Manche Aleviten sehen ihren Glauben als eigenständige Religion außerhalb des Islams. Sie fasten zum Beispiel nicht im Ramadan, haben keine festen Gebetszeiten und Frauen sitzen bei Gottesdiensten in einem Raum mit Männern.

4. Wie viele Menschen in Sachsen-Anhalt gelten als Islamisten?

Der Verfassungsschutzbericht Sachsen-Anhalt nennt für 2018 ein "islamistisches Personenpotenzial" von 300 Menschen. Dazu gehören etwa Salafisten, Mitglieder der Muslimbruderschaft und auch Sachsen-Anhalter, die sich der Terrororganisation Islamischer Staat angeschlossen hatten und mittlerweile zurückgekehrt sind.

Die Zahl der Islamisten ist im Vergleich zu den Vorjahren angestiegen (2017: 200 Personen, 2016: 150).

Was ist Islamismus?

Islamismus ist laut Verfassungsschutz eine religiös motivierte Form von politischem Extremismus, der im Namen des Islam darauf abzielt, die freiheitliche demokratische Grundordnung abzuschaffen. Islamisten wollen diese Ordnung durch eine islamische Rechtsordnung ersetzen – die Scharia. Das widerspricht dem Grundgesetz. Denn dieses sieht unter anderem eine Trennung von Staat und Religion vor.

Weitere Informationen zu Islamismus von der Bundeszentrale für politische Bildung gibt es hier.

5. Wie viele Straftaten richten sich gegen Muslime oder muslimische Einrichtungen?

In dieser Woche erschoss ein Mann in der hessischen Stadt Hanau in zwei Shisha-Bars neun Menschen, danach tötete er seine Mutter und sich selbst. Es handelte sich dabei um einen rassistischen Anschlag. Vergangene Woche sind zwei Sachsen-Anhalter festgenommen worden: Sie sollen mutmaßlich eine rechtsextreme Terrorzelle unterstützt haben. Die Gruppe soll Anschläge auf Politiker, Asylbewerber und Muslime ins Auge gefasst haben, um bürgerkriegsähnliche Zustände auszulösen.

Seit 2017 werden islamfeindliche Straftaten bundesweit einheitlich erfasst. Für Sachsen-Anhalt hat das Landeskriminalamt (LKA) 28 islamfeindliche Straftaten im Jahr 2018 registriert. Das teilte das LKA auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT mit. Alle bis auf eine dieser Straftaten konnten politisch rechter Kriminalität zugeordnet werden. 2017 wurden 25 Straftaten gegen Muslime oder muslimische Einrichtungen erfasst. Die meisten Taten fallen dabei in beiden Jahren in den Bereich der Volksverhetzung. Die Polizei hat aber auch mehrere Körperverletzungen registriert.

Zahlen für 2019 sind noch nicht öffentlich. Laut LKA liegen sie aber nach vorläufigen Erkenntnissen deutlich unter den Werten von 2018.

Maria Hendrischke
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Über die Autorin Maria Hendrischke arbeitet seit Mai 2017 als Online-Redakteurin für MDR SACHSEN-ANHALT - in Halle und in Magdeburg. Ihre Schwerpunkte sind Nachrichten aus dem Süden Sachsen-Anhalts, Politik sowie Erklärstücke und Datenprojekte. Ihre erste Station in Sachsen-Anhalt war Magdeburg, wo sie ihren Journalistik-Bachelor machte. Darauf folgten Auslandssemester in Auckland und Lissabon sowie ein Masterstudium der Kommunikationsforschung mit Schwerpunkt Politik in Erfurt und Austin, Texas. Nach einem Volontariat in einer Online-Redaktion in Berlin ging es schließlich zurück nach Sachsen-Anhalt, dieses Mal aber in die Landeshauptstadt der Herzen – nach Halle. Ihr Lieblingsort in Sachsen-Anhalt sind die Klausberge an der Saale. Aber der Harz ist auch ein Traum, findet sie.

Quelle: MDR/mh

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