
Chemieunglück vor 50 Jahren Der "Große Knall" von Bitterfeld
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Am 11. Juli 1968 kam es im PVC-Betrieb des Elektrochemischen Kombinates Bitterfeld zu einer gewaltigen Explosion. Der komplette Betrieb flog in die Luft, 100 Millionen Mark Schaden, viele Tote – noch mehr Verletzte. Über Ursachen und genaue Opferzahlen wurde damals geschwiegen. Auch heute erinnert nichts an das Unglück vor 50 Jahren.

Es ist der 11. Juli 1968 in Bitterfeld, ein Donnerstag während der Ferienzeit: Am Morgen strömen tausende Chemiearbeiter zur Frühschicht in den PVC-Betrieb des Elektrochemischen Kombinates. Es scheint ein Tag wie jeder andere. Um 14:02 Uhr erschüttert plötzlich eine gewaltige Explosion die Anlage.
Der Druck in einem der Drehöfen in der Produktionshalle wird zu groß. Die Arbeiter lassen Gas ab, um den Druck zu vermindern. Ein Fehler: Ein kleiner Funke löst die größte Chemiekatastrophe der DDR aus.
"Fast wie ein Atompliz"
Augenzeugen berichten von zwei kurz aufeinander folgenden Verpuffungen. Die gesamte Halle wird praktisch dem Erdboden gleich gemacht. Über der Anlage steht eine Qualmwolke – "fast wie ein Atompilz", erinnert sich ein Feuerwehrmann. Wer sich in der PVC-Anlage befand, hatte kaum eine Überlebenschance. Verletzte habe man in den ersten Stunden nicht gefunden, nur Tote, so der Feuerwehrmann.
Bei der Explosion kommen 42 Arbeiter ums Leben. Fast 300 Beschäftigte werden mit Vergiftungen, Verbrennungen und Knochenbrüchen aus den Trümmern geborgen.
Katastrophe bei Zeitzeugen unvergessen
Peter Krüger, der damals als Chemiearbeiter im Elektrochemischen Kombinat arbeitet, bleibt unverletzt. Die Bilder der Katastrophe hat er immer noch vor Augen:
Ich bin erstmal raus, vor die Türe, weil ich nicht wusste, was überhaupt los war. Nicht mehr eine Scheibe war drinnen, nichts. Das Dach war schon halb eingedrückt und da habe ich gesehen: eine Riesenwolke. Erstmal war es schwarz wie die Nacht, da hat man gar nichts gesehen.
Der "Große Knall" von Bitterfeld gilt nicht nur als größter Chemieunfall in der Geschichte der DDR, sondern geht als eines der größten Unglücke in die Geschichte der chemischen Industrie ein. In Bitterfeld-Wolfen selbst erinnert ein halbes Jahrhundert danach nichts an die Katastrophe.
Zeitzeuge Krüger kann das nicht nachvollziehen. Einmal im Jahr kommt er zurück an seine ehemalige Arbeitsstätte und legt Blumen nieder für seine damaligen Kollegen, die dort ihr Leben ließen. Er fordert einen Gedenkstein, der an das Unglück erinnert. "Für meine Arbeitskollegen mache ich das alles. Das ist das beste Gedenken, für mich und auch für alle anderen", so der ehemalige Chemiearbeiter.
50 Jahre danach: Zeit für ein Denkmal?
Am Mittwoch jährt sich das Unglück zum 50. Mal. Zeit, den Opfern der Chemiekatastrophe von Bitterfeld ein Denkmal zu setzen? Oberbürgermeister Armin Schenk (CDU) sagte MDR SACHSEN-ANHALT: "Ich habe in der Stadtratssitzung darauf geantwortet, dass ich das mit den Beteiligten prüfen werde. Da kann ich gerade noch keinen Zeitpunkt sagen." Doch er stimmt hoffnungsvoll und ergänzt: Wenn es sich Menschen wünschten und es für sie in der Stadt wichtig sei, dann müsse man in der Sache ein bisschen tiefer nachdenken.
Für einen passenden Ort für den Gedenkstein hätte Peter Krüger bereits eine Idee: Auf dem Robert-Schumann-Platz in Bitterfeld wird der Opfer des Aufstandes vom 17. Juni 1953 gedacht. Für ein weiteres Mahnmal wäre dort Platz.
Quelle: MDR/cw
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 08. Juli 2018 | 19:00 Uhr
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