
Ermittlungen zum Feuertod Private Kommission will Fall Oury Jalloh untersuchen
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Der Fall Oury Jalloh – seit fast 14 Jahren beschäftigt er die Öffentlichkeit und die Justiz. Eine private Initiative will, dass die Geschehnisse von damals erneut von einem Gericht aufgearbeitet werden. Sie hat eigene Nachforschungen angestellt und nun auch eine Sonderkommission ins Leben gerufen. Die Initiative vertrat von Anfang an die These, dass Oury Jalloh ermordet wurde.

Knapp 14 Jahre nach dem Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Polizeizelle in Dessau will eine private Untersuchungskommission die Umstände des Falls aufklären. Das teilten mehrere Mitglieder der internationalen Kommission bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Berlin mit. Dabei verlangten sie von den Behörden in Sachsen-Anhalt weitere Informationen.
Kritik an Generalstaatsanwaltschaft
Kommissionsmitglied und Sprecherin der ebenfalls privaten Oury-Jalloh-Gedenkinitiative, Vanessa Thompson, sagte, es sei nicht von einer Aufklärung von staatlicher Seite auszugehen. Außerdem wurde die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg kritisiert. Sie brauche viel zu lange, um zu prüfen, ob das Ermittlungsverfahren zu den Todesumständen eingestellt bleibt.
Die Generalstaatsanwaltschaft überprüft die Arbeit der Staatsanwaltschaften Dessau und Halle. Auf eine MDR-Anfrage hieß es schriftlich: "Die bearbeitenden Kollegen sind mit der Sichtung und Auswertung der umfangreichen Aktenstücke beschäftigt und betreiben, über den Akteninhalt hinaus, auch eigene Nachforschungen." Die Überprüfung der Vorgänge könnte womöglich noch im Herbst dieses Jahres abgeschlossen werden. Das sei aber nur eine Prognose.
Kommission spricht von Oury-Jalloh-Komplex
Die Kommission erhebt schwere Vorwürfe gegen Polizei und Justiz. Die Mitglieder sprachen auf der Pressekonferenz von einem "System struktureller Gewalt und institutioneller Straflosigkeit." Man gehe von einem Oury-Jalloh-Komplex aus, in dem örtliche Polizei und Justiz zusammenspielten. Deshalb würde man zwei weitere ungeklärte Todesfälle in die Ermittlungen mit einbeziehen, die in Zusammenhang mit dem Dessauer Polizeirevier stünden.
So sei der im Jahr 1997 zu Tode gekommene Hans-Jürgen R. nach einer Alkoholfahrt festgenommen, in das Polizeireviers gebracht und Stunden später schwer misshandelt unweit des Reviers aufgefunden worden. Einen Tag später erlag R. seinen Verletzungen. Der zweite Fall sei der Obdachlose Mario B., der 2002 in der Polizeizelle mit einem Schädelbasisbruch aufgefunden wurde. Man wolle die Verwicklungen Dessauer Polizisten bei den ungeklärten Todesfällen untersuchen sowie die Gründe über die Verzögerungen bei den behördlichen Ermittlungen, hieß es am Dienstag.
"Strukturelle Fehlentwicklungen" bei Dessauer Polizei
Mario Angelelli, Rechtsanwalt für Internationales Strafrecht und Mitglied der Kommission, sagte MDR SACHSEN-ANHALT, man habe in den Akten dauerhafte strukturelle Fehlentwicklungen bei den Dessauer Polizeibeamten festgestellt. So sei es anscheinend jahrelang gelebte Praxis gewesen, bei Betrunkenen freiheitsentziehende Maßnahmen anzuwenden, ohne einen Richter darüber zu informieren. Hier stelle sich auch die Frage nach der übergeordneten Kontrolle. Die habe es offenbar nicht gegeben. Angelelli zufolge wurden die Rechte der in Gewahrsam genommenen Menschen möglicherweise in hunderten Fällen nicht respektiert. In den Disziplinarverfahren gegen die Polizisten sei das nicht als Pflichtverletzung angeführt worden.
Laut Angelelli hofft die Kommission, dass die Ermittlungen im Fall Oury Jalloh weitergehen und die Bundesanwaltschaft den Fall doch übernimmt. "Sollte das nicht passieren, sind wir bereit, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu ziehen." Für ihre weiteren Ermittlungen fordert die Kommission vollständige Akteneinsicht für die Rechtsbeistände der Familie Jalloh und die beiden anderen Todesfälle im Dessauer Polizeirevier. Außerdem will sie, dass die Asservate von Jalloh für weitere Untersuchungen aus der Rechtsmedizin Halle in die Charité nach Berlin gebracht werden. Zudem müssten die Ermittlungen von einer weiteren Kommission überwacht werden, damit Beweismittel nicht vernichtet oder manipuliert werden könnten.
Mitglieder sind internationale Experten
Die Kommission setzt sich aus Rechtsanwälten, Brandexperten, Sachverständigen, Ärzten und zivilgesellschaftliche Akteuren zusammen an. Die Experten kommen aus den USA, Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland. Seit Jahresbeginn ermittelt die Kommission im Auftrag der Familie Oury Jallohs und mehrerer zivilgesellschaftlicher Organisationen.
Jalloh war am 7. Januar 2005 an Händen und Füßen gefesselt bei einem Feuer in einer Gefängniszelle ums Leben gekommen. Wie es zu dem Brand gekommen war, ist bis heute auch nach zwei Prozessen ungeklärt. Die Initiative vertritt die These, dass Polizisten Jalloh anzündeten.
Quelle: dpa,epd,MDR/cw
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 23. Oktober 2018 | 19:00 Uhr
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