Radfahren in der Stadt Fahrrad-Club: Fahrradstraßen sind in Halle relativ unbekannt
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Was können Fahrradstraßen leisten? Warum braucht man sie? Halle hat 2001 als eine der ersten Städte in Sachsen-Anhalt eine Fahrradstraße eingeführt. Sechs weitere sind bis jetzt dazugekommen. Dessau und nun seit Neuestem auch Magdeburg haben ihr Radnetz und ihr städtisches Verkehrskonzept mit Fahrradstraßen erweitert. MDR SACHSEN-ANHALT hat mit Volker Preibisch, Sprecher des ADFC in Halle und engagiert im halleschen "Runden Tisch Radverkehr", über Fahrradstraßen gesprochen.
In Halle gibt es einen konkreten Plan, um die Stadt "Schritt für Schritt fahrradfreundlicher" zu machen. Geschrieben steht er im Radverkehrskonzept. Teil dieses Konzepts sind auch sogenannte Fahrradstraßen – weil sie, so der Wortlaut, "den Radfahrern nicht nur ein großes Maß an Sicherheit, sondern auch an Komfort" bieten. Autoverkehr ist nur in Ausnahmen zulässig und muss sich den Radfahrern anpassen. Das Ziel ist also: Fahrradstraßen sollen den Radverkehr fördern.
Volker Preibisch vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) in Halle kann dieser Idee nur zustimmen. "Fahrradstraßen sind ein Instrument der Radverkehrsförderung." Aber: "Ich habe aber immer noch den Eindruck, dass Fahrradstraßen nicht so bekannt sind", erzählt er.
Straßen mit besonderer Bedeutung für den Radverkehr
Verwunderlich, schließlich hat Halle bereits 2001 eine Fahrradstraße am Riveufer (Länge rund 1,3 Kilomter) eingerichtet – wahrscheinlich die erste in ganz Sachsen-Anhalt – und das mit der besonderen Bedeutung der Straße für den Radverkehr begründet. Sieben weitere Straßen sind bis 2019 dazugekommen: die Mauerstraße am Franckeplatz (200 Meter), der Franzosensteinweg in Halles Norden (2,2 Kilometer), ein kurzes Stück an der Mansfelder Straße ab dem Rennbahnkreuz (300 Meter), die Franckestraße vor der Industrie- und Handelskammer (300 Meter), die Straßen "An der Wilden Saale" und "Peißnitzinsel" bis Gut Gimritz (400 Meter) und der westliche Teil der Uferstraße in Halle-Lettin (500 Meter). Für die nähere Zukunft ist laut Stadtverwaltung die Sanierung der Elsterstraße zwischen Ammendorf und Beesen geplant. Dieser Abschnitt ist Teil des Elster-Radweges und soll ebenfalls als Fahrradstraße ausgewiesen werden.
Förderung des Radverkehrs: In Halle ist man "relativ restriktiv"
Oft sind die als Fahrradstraße ausgewiesenen Abschnitte aber nur wenige Hundert Meter lang und liegen an Nebenstraßen. Für Volker Preibisch ist daher klar, dass dieses Instrument zur Förderung des Radverkehrs bisher in Halle nicht voll ausgeschöpft werde. Wenn es nach ihm geht, müsste sich die Stadt vielmehr die Frage stellen: "Was können wir eigentlich alles im Verkehrsrecht mobilisieren, um den Radverkehr zu fördern?" Sein Eindruck bisher: "Man ist da in Halle relativ restriktiv." Und in ganz Sachsen-Anhalt ließen sich die Fahrradstraßen an zwei Händen abzählen.
Fahrradstraßen in Sachsen-Anhalt
Erst am Mittwoch ist in Magdeburg zum ersten Mal eine Straße in eine Fahrradstraße umgewandelt worden – die Goethestraße.
In Dessau sind Fahrradstraßen inzwischen Teil des Radverkehrskonzepts der Stadt. Bisher liegen sie aber abseits der viel befahrenen Verkehrsadern. Die Georgenallee etwa ist in dem Teil, wo sie Fahrradstraße ist, eine wenig befahrene Straße entlang des Landschaftsparks "Georgengarten". Die Walderseestraße ist eine schmale Straße in Randlage der Stadt, die zu einem Ausflugslokal führt und am Schillerpark ist es ähnlich. Beschlossen wurde weiterhin der Ausbau des Radweges in der Gropiusallee und der Fahrbahn in der Elballee.
Fahrradstraßen sollten dort eingerichtet werden, wo der Radverkehr überwiegt oder wo er überwiegen könnte, so Preibisch. "Städte wie Münster, die fast 50 Fahrradstraßen haben, setzen dieses verkehrspolitische Instrument ganz anders ein."
Ralf Bucher, der Radverkehrsbeauftragte der Stadt erklärt, die Stadtverwaltung habe das gesamte Radnetz der Stadt analysiert und prüfe ständig die weitere Einrichtung von Fahrradstraßen. Denn Fahrradstraßen kämen dann in Betracht, wenn der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist oder dies alsbald zu erwarten sei.
Strecken mit großem Potenzial für Radfahrer
Großes Potenzial sieht Preibisch zum Beispiel an der Adam-Kuckhoff-Straße oder zwischen Harzmensa und der Uni-Mensa. Außerdem wären seiner Meinung nach noch die Franz-Schubert-Straße oder der Robert-Franz-Ring denkbar. "Also dort, wo große Ziele für Radfahrer liegen, könnte ich mir noch sehr viel mehr vorstellen." Der ADFC habe auch einige weitere Vorschläge an die Stadt gemacht. Diese seien aber bisher nicht realisiert worden.
Untätigkeit kann man der Stadt Halle aber nicht vorwerfen. Von 1995 bis 2018 ist das Radwegenetz von knapp 40 Kilometer auf rund 110 Kilometer angewachsen. Die Stadt hat schon 1994 eine Arbeitsgemeinschaft Rad, später den Runden Tisch Radverkehr eingerichtet. Dort wird mit Vertretern der Stadt, des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), der Polizei und der Halleschen Verkehrs-AG (HAVAG) über Verbesserungen im Radwegenetz gesprochen. Die Stadt richtet Zukunftswerkstätten aus – zuletzt im August 2019, um Chancen und Entwicklungen des Radverkehrs in Halle auszuloten. Laut Stadt sind im Jahr 2018 rund 2,3 Millionen Euro in die Fahrradinfrastruktur im Stadtgebiet investiert worden – Fahrradwege wurden neu gebaut, saniert, markiert und Fahrradbügel installiert. Und sie hat ein Radfahrportal auf der Webseite der Stadt eingerichtet, wo alle Informationen rund um das Thema gebündelt werden.
Da wo Platz ist, kriegen wir ganz vernünftig Sachen hin.
Auch die Bürger der Stadt sind anscheinend nicht ganz unzufrieden mit den Radfahrmöglichkeiten. Zwar belegt Halle im Fahrradklimatest des ADFC nur einen der letzten Plätze im bundesweiten Vergleich in seiner Stadtgrößenklasse (Platz 23 von 25). Als Stärken werden aber die in beide Richtungen befahrbaren Einbahnstraßen (Note 2,7 von 6), eine gute Erreichbarkeit des Stadtzentrums (Note 3) und ein relativ zügiges Vorankommen angesehen (Note 3,3).
Bemängelt wurde dagegen unter anderem der fehlende Winterdienst auf Radwegen und zu wenig Kontrollen von Falschparkern. Als Maßnahme kündigte die Stadt kündigte an, dass ab der Wintersaison 2018/2019 wichtige Radwege-Routen beräumt würden. Außerdem gebe es kontinuierlich Kontrollen und Verwarnungen von Falschparkern im Rahmen der täglichen Streifenarbeit.
Auch Preibisch sieht diese Entwicklung. Er kann feststellen: "Da wo Platz ist, kriegen wir ganz vernünftig Sachen hin. Da wo es eng wird, kommt die alte Hackordnung zum Tragen." Zuerst würden die Bedürfnisse der HAVAG, also der Straßenbahn berücksichtigt, dann komme der fließende Kfz-Verkehr, dann der ruhende, erklärt er.
Eine sehr gute Entwicklung sei in Halle aber bei touristischen Radwegen zu beobachten. "An der Saale und auch am Hufeisensee sehe ich erhebliche Verbesserungen", so der ADFC-Sprecher.
Anmerkung der Redaktion: Die Reaktion der Stadt Halle wurde nachträglich dem Artikel hinzugefügt.
Über den Autor
Martin Paul ist Teil des Online-Teams von MDR SACHSEN-ANHALT – und ist begeistert von den Möglichkeiten und Ausdrucksformen des digitalen Journalismus – Daten und Code, Visualisierung und Video, Longread und Ticker, Social-Media und Dialog. Was ihn umtreibt? Besonders die Frage, wie man das Netz frei und offen gestalten und Teilhabe garantieren kann.
Online-Journalismus hat er im Studiengang Multimedia & Autorschaft an der Universität in Halle und bei der Mitteldeutschen Zeitung gelernt. An der Universität in Leipzig hat er Kulturwissenschaften und Literaturwissenschaft studiert.
Quelle: MDR/mp
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT - Das Radio wie wir | 18. September 2019 | 12:00 Uhr