Gedenken Erster Jahrestag: Wie an die Opfer des Anschlags von Halle erinnert wird

03. September 2020, 19:53 Uhr

In wenigen Wochen jährt sich das Attentat von Halle zum ersten Mal. Stadt, Land und die jüdische Gemeinde wollen am 9. Oktober 2020 an die Opfer und Hinterbliebenen denken. Was zum Jahrestag geplant ist – ein Überblick.

Mit mehreren Veranstaltungen und Aktionen soll in Halle an den rechtsterroristischen Anschlag vom 9. Oktober 2019 erinnert werden. Am ersten Jahrestag der Tat wollen die Stadt, die dortige jüdische Gemeinde sowie das Land der Opfer gedenken.

Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) hat am Donnerstag das Programm für den Gedenktag vorgestellt – gemeinsam mit Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Halle, Max Privorozki, sowie Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD).

Das ist am 9. Oktober 2020 in Halle geplant

  • 12:01 Uhr: Zum Zeitpunkt, zu dem der Attentäter den ersten Schuss auf die Tür der Synagoge abfeuerte, werden im gesamten Stadtgebiet alle Kirchenglocken für zwei Minuten läuten. Das öffentliche Leben solle dann still stehen, so OB Wiegand.
  • Im Anschluss: Glockengeläut des Roten Turmes.
  • 16:00 Uhr: Einweihung einer Gedenktafel an der Synagoge.
  • Im Anschluss: Am Kiez-Döner, wo der Attentäter den 20-jährigen Kevin S. erschossen hat, wird eine in den Bürgersteig eingelassene Gedenktafel enthüllt.
  • 17:30 Uhr: Zentrale Gedenkfeier in der Ulrichskirche
  • 18:30 Uhr: Carillon-Konzert vom Roten Turm

Um trotz der Corona-Pandemie möglichst vielen Menschen die Teilnahme an der Gedenkveranstaltung zu ermöglichen, wird es in Kooperation mit dem MDR einen Livestream der zentralen Gedenkfeier geben.

An diesen Orten soll der Livestream gezeigt werden

  • Marktkirche Unser Lieben Frauen
  • Moritzkirche
  • Leopoldina
  • Franckesche Stiftungen
  • Martin-Luther-Universität
  • Steintor-Varieté
  • Neues Theater
  • Oper Halle
  • Erdgas-Sportpark
  • Lyonel-Feininger-Gymnasium am Hallmarkt

An all diesen Orten können Wiegand zufolge jeweils etwa 100 Interessierte den Stream ansehen. Die Zahl der Teilnehmer könne sich aber auch noch erhöhen oder reduziert werden – abhängig von der Corona-Situation.

Wiegand: "Sollten die Narbe nicht verstecken"

Parallel zu diesem Programm ist im Stadthaus die Landes-Demokratiekonferenz zum Thema Antisemitismus geplant. Zu der Konferenz eingeladen seien unter anderem Verwaltungsmitarbeiter und Polizeivertreter.

Die Wunde, die jener 9. Oktober 2019 geschlagen hat, diese Wunde verheilt. Aber es bleibt eine Narbe. Diese Narbe sollten wir nicht verstecken. Sie mahnt uns, sie erinnert uns, wie verletzlich unsere Gesellschaft ist.

Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand

Haseloff: Judentum ist zentraler Teil Sachsen-Anhalts

Ministerpräsident Haseloff ergänzte, die wichtigste Botschaft, die aus der Erinnerung an den 9. Oktober 2019 erwachse, sei der gemeinsame Kampf gegen Antisemitismus. Sachsen-Anhalt brauche den Reichtum jüdischen Lebens – denn es sei fundamentaler und zentraler Teil der kulturellen und geschichtlichen Identität.

Gerade das Gebiet Sachsen-Anhalts stehe für ein vielfältiges jüdisches Leben. Davon würden Namen wie Moses Mendelssohn oder Kurt Weill zeugen. Man müsse sich immer wieder die Frage stellen, wie man vermeiden könne, dass Menschen Taten wie den Anschlag von Halle planen und durchführen. Dies sei man allen Opfern, Betroffenen und Angehörigen schuldig.

Jüdische Gemeinde erinnert zusätzlich am 28. September

Max Privorozki von der jüdischen Gemeinde erklärte, es sei schwer zu glauben, dass seit dem Attentat schon fast ein Jahr vergangen ist. Für die Gemeinde bleibe das Ereignis für immer präsent. Er ergänzte, dass die Gemeinde den Jahrestag zwei Mal begehen wird. Neben dem Gedenken am 9. Oktober werde es zum diesjährigen Jom Kippur am 28. September ein spezielles Gebet geben, um an die Opfer zu erinnern.

Am 9. Oktober selbst werde neben der Gedenktafel vor der Synagoge im Hof der Synagoge ein weiteres Denkmal enthüllt. Ein Bestandteil dieses Mahnmals sei die Tür, die damals den Schüssen des Attentäters standhielt. Zudem gehe es um die beiden Emordeten Jana L. und Kevin S., um die Menschen, die sich zum Zeitpunkt des Anschlags in der Synagoge befanden sowie um die jüdische Geschichte und den Glauben.

Das Attentat von Halle

Ein schwer bewaffneter Mann hatte am 9. Oktober 2019 schwer bewaffnet versucht, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur in die Synagoge von Halle zu gelangen und dort ein Massaker anzurichten.

Der Attentäter scheiterte, erschoss aber eine Passantin sowie einen Mann in einem nahegelegenen Döner-Imbiss – Jana L. und Kevin S.  Auf der Flucht verletzte er zudem ein Ehepaar schwer. Am Landgericht in Magdeburg läuft derzeit der Prozess um den Anschlag, angeklagt ist der 28-jährige Stephan B. aus Benndorf in Mansfeld-Südharz.

Quelle: dpa, MDR/kb

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 03. September 2020 | 19:00 Uhr

5 Kommentare

Hallebewohner am 05.09.2020

Ich halte das Gedenken dieses Anschlags in Halle durch diesen geisteskranken Verbrecher für wichtig und richtig! Genauso sollte man in Halle an die Opfer der rechtsextremen NSU, die Opfer der linksextremen RAF, die Opfer der Islamisten von Paris vor 5 Jahren, an die Opfer des islamistischen Verbrechers vom Weihnachtsmarkt in Berlin, an die Opfer der Islamisten in Nizza, Madrid, London, New York, Washington etc. erinnern!

ElBuffo am 04.09.2020

Ein Bohei um einen psychisch Gestörten. Woanders gehen solche Leute in die Klapper und bekommt man man den Eindruck, es werden hohe Staatsgäste durch die Stadt gefahren, wenn man die Kolonne sieht, in der er zum Gericht eskortiert wird. Derweil verkommt die Gerichtsverhandlung zu einem Happening.

lubobde am 04.09.2020

Man will also sensibel damit umgehen?

Der Attentäter wollte ursprünglich die Moschee in Halle Neustadt angreifen, hat dann seine Pläne aber geändert.
Nach dem er an der Synagoge gescheitert ist, wollte er aber darauf zurück kommen. Nur war sein Reifen zerschossen, also ist er zum Döner, um wenigstens dort Muslime zu ermorden.

Inzwischen leben in Halle 20.000 Muslime, in der Moschee waren vor Corona jeden Freitag über 1000 Menschen zum Gebet.

Jetzt die Preisfrage: Wie sind diese Menschen in den Gedenktag eingebunden?

Die Antwort lautet: Gar nicht. Das ach so sensible Signal an diese lautet: Ihr seid Opfer dritter Klasse.

Als Bürger dieser Stadt (und nicht Muslim) halte ich das für einen Skandal. Hier wird eine Riesenchance für ein aufeinander zu gehen vertan und sogar ins Gegenteil verkehrt.

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