Mobile Filiale Sparkassenbus: Wenn die Bank ins Dorf fährt

21. Dezember 2019, 09:25 Uhr

In vielen Dörfern ist die Sparkasse nicht mehr mit Filialen vertreten. Damit die Kunden dort nicht abgehängt werden, fährt ein Sparkassenbus als mobile Filiale zu ihnen. Welche Bedeutung der Bus im Mansfelder Land hat.

Maria Hendrischke
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Blankenheim, ein Dorf mit etwa 1.200 Einwohnern zwischen Eisleben und Sangerhausen, hat einen Bäcker, ein Eiscafé, ein Restaurant und sogar einen Bahnhof. Doch es gibt keine Bank, zumindest keine feste Filiale – und auch keine Sparkassen-Agentur, in der eine Bankmitarbeiterin Kunden bei sich zu Hause bedient. Dafür aber hält ein Bus der Sparkasse Mansfeld-Südharz als mobile Filiale jeden Dienstag für anderthalb Stunden in Blankenheim.

Nicht mehr in der August-Bebel-Straße übrigens, wie Google Maps noch angibt, sondern an der Bushaltestelle in der Hauptstraße. Eine Anwohnerin weiß Bescheid und zeigt mir den Weg dorthin. "Wollen Sie Geld abheben?", fragt sie. Nein, das nicht. Aber ich will mir ansehen, wie das mit der mobilen Sparkassenfiliale genau funktioniert.

Der öffentliche Auftrag der Sparkassen

Sparkassen sind besondere Banken. Sie sind sogenannte öffentlich-rechtliche Kreditinstitute. Was sie von privatrechtlichen Banken unter anderem unterscheidet: Sparkassen haben einen öffentlichen Auftrag, der in §2 des Sparkassengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt festgehalten ist. Zum Auftrag der Sparkassen gehört:

  • Wettbewerb im Kreditgewerbe stärken
  • Ihre Leistungen unter Berücksichtigung der Markterfordernisse für die Bevölkerung, Wirtschaft und öffentliche Hand erbringen
  • Sparen und Vermögensbildung fördern


Vom Überschuss, den Sparkassen erwirtschaften, soll ein Teil laut Sparkassengesetz in gemeinnützige Zwecke fließen.

Voller Warteraum im Bus

Im Warteraum des Busses sitzt bereits eine Handvoll Kunden auf der kleinen Bank oder steht vor dem Bus. Jeder kennt jeden, es wird angeregt geplaudert. Und zwischendrin Geld abgehoben oder eingezahlt, Kontoauszüge abgeholt oder ein Dauerauftrag geändert.

Eine Frau – Jahrgang 1940 und damit im Durchschnittsalter der Buskundschaft – wirft in Blankenheim lediglich ihre Überweisungen in den dafür vorgesehenen Briefkasten im Warteraum. "Ich war noch nie drin beim Herrn Pilz", sagt sie. Peter Pilz ist der Mitarbeiter der Sparkasse Mansfeld-Südharz, der den Bus fährt. Geld und Kontoauszüge hole sie in einer Filiale. Online-Banking hatte sie auch mal, aber das sei dann doch nichts für sie gewesen. "Obwohl ich am Computer Videos schneide und chatte."

"Schreiben Sie, dass der Bus sehr wichtig für uns ist!"

Ein anderer Kunde will kaum glauben, dass sie noch nicht mit Herrn Pilz geredet hat. "Noch nie?", fragt er überrascht. "Also ich mache alles beim Herrn Pilz." Nur für Anlageberatungen müsse er in eine Filiale, aber Herr Pilz vereinbare telefonisch die Beratungstermine für ihn. "Herr Pilz macht das wunderbar", sagt er. Diese Meinung vertreten ausnahmslos alle Kunden, die an diesem Dienstag den Service nutzen. "Herr Pilz – ohne ihn wären wir aufgeschmissen", betont eine Frau in Blankenheim. "Er hilft mir, die Überweisungen auszufüllen", erzählt eine Kundin in Beyernaumburg, dem zweiten Halt an diesem Dienstag. Für das Futter, das sie für ihre Katze geliefert bekomme, erhalte sie keine Rechnung mit Überweisungsträger. Aber Herr Pilz werde auch aus der Nummer schlau, die auf dem Zettel am Lieferkarton stehe.

So sieht ein Sparkassenbus von innen aus

Der Bus der Sparkasse Mansfeld-Südharz hat im Heckbereich einen kleinen Warteraum mit einer Sitzbank. An der Wand hängt ein Regal, in dem Überweisungsträger liegen. Daneben hängt ein roter Briefkasten für die Überweisungen.

Durch eine Tür im Bus betreten die Kunden vom Warteraum einen weiteren Raum. Dort sitzt Peter Pilz hinter einem Bankschalter mit Scheibe. Hinter ihm steht ein Kopierer, unter seinem Tisch hat er eine Art Karteikartensystem mit Kontoauszügen. Diese fordert er immer zwei Tage vor Abfahrt an und sortiert sie nach Wochentagen und Orten. Wenn ein Kunde in einer Woche nicht kommt, fährt er die Kontoauszüge etwas länger durchs Mansfelder Land, bis der Kunde sie abholt. Für Geldein- und -auszahlungen müssen die Kunden entsprechende Zettel händisch ausfüllen. Pilz nimmt auch Münzgeld entgegen, das er direkt in Plastikbeutel, sogenannte Safebags, füllt und das dann in der Filiale ausgezählt wird.

Jeder Sparkassenbus ist eine Sonderanfertigung. Daher ist jeder Bus etwas anders ausgestattet. Sparkassenbusse fahren in Sachsen-Anhalt auch im Harz, im Saalekreis, Burgenlandkreis und im Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Im Bus der Sparkasse Anhalt-Bitterfeld ist beispielsweise ein richtiger Geldautomat eingebaut, aber kein Bankschalter.

Eine andere Kundin in Beyernaumburg erklärt, warum sie lieber im Sparkassenbus Geld abhebt: "In den großen Filialen hat man das Gefühl, dass einem vielleicht jemand auf die Finger guckt." Wenn sie mit größeren Geldbeträgen aus der Filiale komme, wolle sie keine weite Fahrt mehr unternehmen müssen. Hinzu komme, dass die Fahrt von Beyernaumburg nach Sangerhausen mit öffentlichen Verkehrsmitteln einen halben Tag dauere, obwohl die Stadt nur etwa sieben Kilometer entfernt ist. "Wenn ich hier gegen 8 Uhr mit dem Bus losfahre, bin ich nicht vor Mittag zurück." Wenn der Sparkassenbus im Ort hält, spare das also viel Zeit und Aufwand. "Also schreiben Sie, dass der Bus wirklich sehr wichtig für uns ist!"

Angst, dass auch der Bus wegfällt

Darum bitten mich viele Kunden. Dabei schwingt eine Angst mit, dass nach dem Ende der Sparkassen-Agentur oder Filiale in ihrem Dorf vielleicht auch der Bus irgendwann nicht mehr kommt. Dass die Busrouten geändert würden, komme durchaus vor, sagt Pilz. "Wenn wirklich nur noch drei Menschen in einem Dorf den Bus nutzen, dann halten wir nicht mehr", erklärt er. Für die verbliebenen Kunden sei das oft schwer: "Warum halten Sie denn nicht mehr an, Sie fahren doch sowieso hier durch, fünf Minuten reichen doch", sei manchmal die Reaktion, wenn Pilz die schlechte Nachricht überbringen muss. Und als derjenige, der vor Ort ist, hat er diese Aufgabe.

Es geht bei den Gesprächen im Sparkassenbus längst nicht nur um Geldgeschäfte. Pilz erfährt auch Persönliches von seinen Kunden. Und er bemerkt auch, wenn Kunden nicht mehr kommen. Weil sie verstorben sind.

Viel Betrieb am Monatsende

Schon seit 1991, also seit fast 30 Jahren, fährt die Sparkasse durchs Mansfelder Land. Zunächst gab es sogar zwei Busse, weil es zwei Sparkassen gab: eine in Eisleben und eine in Hettstedt. Beide fusionierten dann zur Sparkasse Mansfeld-Südharz. Mittlerweile hat die Bank nur noch einen Bus – und das reicht, meint Pilz.

Etwa 15 Kunden sind an diesem Dienstag vor Weihnachten in Blankenheim und auch Beyernaumburg zum Sparkassenbus gekommen. Die Kundenzahlen in jedem Ort variierten, sagt Pilz. Dass gar kein Kunde an einem Stopp den Service nutze, sei extrem selten. Manchmal dauere es vielmehr länger als vorgesehen, wenn besonders viele vorbeikämen und die Haltezeit nur kurz sei. Gewöhnlich sei am Monatsende mehr los, wenn die Rente aufs Konto kommt, so Pilz‘ Erfahrung. Auch vor Feiertagen wie eben Weihnachten kämen mehr: "Viele heben dann noch etwas ab." Außerdem wird Pilz erst am 7. Januar 2020 wieder nach Blankenheim und Beyernaumburg kommen.

Freude an der Arbeit

Pilz fährt den Sparkassenbus seit 1996 durchs Land, von Montag bis Freitag. Start- und Endpunkt ist immer Hettstedt, denn dort muss er den Bus vorbereiten, beispielsweise nachts die Batterie der mobilen Filiale laden. Jeden Wochentag dann eine andere Route, insgesamt 25 Haltepunkte, etwa 500 Kilometer Fahrtstrecke pro Woche. Aber das sei nicht anstrengend. Im Gegenteil, er genießt es: "Ich mag es, durchs Mansfelder Land zu fahren", sagt er. Früher habe er im Keller gearbeitet, beim Tresor. Nun fährt er durch eine hügelige Landschaft in Dörfer mit Kopfsteinpflaster, Fachwerkhäusern und alten Schlössern. An diesem frühlingshaften Dienstag im Dezember hat er Sicht bis zum Kyffhäuser.

Erster Schnee im Mansfelder Land
Pilz genießt die Fahrten durchs Mansfelder Land. (Archivbild) Bildrechte: Uwe Siegismund

Aber es ist nicht nur das. "Ich mag eigentlich alles an der Arbeit", sagt Pilz. Im Bus sei es warm und trocken, die Kunden seien alle nett. "Sie haben Angst, wenn ich in Rente gehe", sagt er. Im September 2021 wird das so weit sein.

Doch Pilz ist sich sicher, dass die Sparkasse Mansfeld-Südharz den Bus auch danach weiter betreiben wird. Obwohl das die Sparkasse Geld kostet, gerade bei den geltenden Negativzinsen. Schließlich sei das Fahrzeug schon da. Es müsse sich nur ein Mitarbeiter mit dem entsprechenden Führerschein finden. Pilz mag seinen Beruf nicht nur: Er findet ihn auch wichtig. Denn Geldgeschäfte selbst erledigen zu können, stehe an erster Stelle: "Das hat etwas mit Mündigkeit zu tun", sagt er. Und die will er seinen Kunden ermöglichen. Zu diesen gehört übrigens auch Pilz' Vater. In dessen Dorf hält der Sparkassenbus jeden Freitag.

Maria Hendrischke
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Über die Autorin Maria Hendrischke arbeitet seit Mai 2017 als Online-Redakteurin für MDR SACHSEN-ANHALT - in Halle und in Magdeburg. Ihre Schwerpunkte sind Nachrichten aus dem Süden Sachsen-Anhalts, Politik sowie Erklärstücke und Datenprojekte. Ihre erste Station in Sachsen-Anhalt war Magdeburg, wo sie ihren Journalistik-Bachelor machte. Darauf folgten Auslandssemester in Auckland und Lissabon sowie ein Masterstudium der Kommunikationsforschung mit Schwerpunkt Politik in Erfurt und Austin, Texas. Nach einem Volontariat in einer Online-Redaktion in Berlin ging es schließlich zurück nach Sachsen-Anhalt, dieses Mal aber in die Landeshauptstadt der Herzen – nach Halle. Ihr Lieblingsort in Sachsen-Anhalt sind die Klausberge an der Saale. Aber der Harz ist auch ein Traum, findet sie.

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Quelle: MDR/mh

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