Pähle vs. Stöcker in der Altmark SPD-Casting: Wer wird Spitzenkandidat für die Landtagswahl?

09. Juni 2020, 11:03 Uhr

Die SPD will die Mitglieder im Land entscheiden lassen, wer zur Landtagswahl 2021 Spitzenkandidat oder Spitzenkandidatin wird. Zur (Aus)Wahl stehen Katja Pähle und Roger Stöcker. Am Montag gab es das erste Aufeinandertreffen in Apenburg-Winterfeld – ein Casting mit 30 Besuchern, einem Livestream ins Internet und dem ersten Schlagabtausch, der erstaunlich harmonisch war.

Stephan Schulz
Bildrechte: Anne Hasselbach

Man sagt ja, wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Der SPD kann so etwas gerade nicht passieren, denn sie hat nur zwei Bewerber, die den anstehenden Landtagswahlkampf managen wollen. Katja Pähle (42) und Roger Stöcker (35) könnten sich trotzdem streiten. Doch sie tun es nicht. Stattdessen sitzen sie im Festsaal des Landhotels "Wieseneck" in Apenburg-Winterfeld in einem gesunden Abstand von 1,50 Meter zueinander an einem Tisch und erläutern den Anwesenden in einem fast harmonischen Ton, warum jeder von sich glaubt, geeignet zu sein, die SPD erfolgreich durch den Landtagswahlkampf zu führen.

Rund 30 Zuhörer plus Sozialministerin, Integrationsbeauftragte und Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion sind zur ersten Regionalkonferenz der SPD in die Altmark gekommen. Mehr Teilnehmer wären wegen der Corona-Beschränkungen nicht möglich gewesen. Damit trotzdem jeder Interessierte erfährt, was Katja Pähle und Roger Stöcker zu sagen haben, wird die Veranstaltung per Live-Stream im Internet übertragen. Wer am Bildschirm zuschaut, kann sogar Fragen einreichen, die im Verlauf des Abends gestellt werden.

Der Vorwahlkampf der SPD kurz erklärt

Die SPD führt einen Vorwahlkampf für die Landtagswahl 2021.  

Die beiden Bewerber sind Katja Pähle und Roger Stöcker. Sie stellen sich in diesen Wochen auf fünf Regionalkonferenzen im Land den Mitgliedern vor.

Auftakt war am Montag in Apenburg-Winterfeld. Gefragt sind die rund 3.500 SPD-Mitglieder im Land. Sie müssen dann vom 27. Juni bis 10. Juli entscheiden, wen sie ins Rennen für die Landtagswahl im Juni 2021 schicken wollen.

Am Eingang zur "Casting-Show" steht eine junge Frau mit Maske. Sie passt auf, dass sich jeder Neuankömmling die Hände desinfiziert und sich mit Namen, Adresse und Telefonnummer in eine Liste einträgt. Eine reine Vorsichtsmaßnahme, falls jemand Corona-Viren in den Saal tragen und andere anstecken sollte. Man will mögliche Infektionsketten nachvollziehen können, sagt die Frau mit der Maske. Drinnen im Saal halten alle Abstand zueinander. Man isst Altmärker Spargel und hört Katja Pähle und Roger Stöcker zu, die vor einem roten Aufsteller mit SPD-Logo sitzen und ihren Lebenslauf skizzieren.

Pähle ist in Hettstedt aufgewachsen. In die Politik zog es sie nach dem Wahlerfolg der rechtsextremen DVU 1998 in Sachsen-Anhalt. Das störte sie. Sie war erst bei den Jusos, heute führt sie die SPD-Landtagsfraktion an. Pähle sagt in Apenburg-Winterfeld über sich: "Ich kann meine Klappe nicht halten." Sie ruft ihre Partei zur Geschlossenheit auf. "Es bringt keine Wählerstimmen, wenn wir schlecht übereinander reden." Mit diesem Satz spielt Pähle auf parteiinterne Konflikte an.

Stöcker ist in Staßfurt geboren. "Mein Vater war Soldat, meine Mutter Kosmetikerin." Direkt hinter seinem Elternhaus seien die Fernsehapparate der DDR produziert worden. Wenn die Wende nicht gewesen wäre, wäre er bestimmt "Fernseh-Zusammenschraub-Mechaniker" geworden, sagt Stöcker.  Doch die Wende kam und Stöcker wurde Politologe. Er lehrt an der Otto-von-Guericke Universität in Magdeburg. Im Ehrenamt leitet er den SPD-Verband im Salzlandkreis. Stöcker will die "frische, unverbrauchte Stimme" im Landtagswahlkampf sein und die SPD wieder auf Erfolgskurs führen.

Zwei Politiker – so unterschiedlich wie Tag und Nacht

Zwei Stunden unterhalten sich Pähle und Stöcker darüber, was in den Bereichen Wirtschaft, Bildung und Soziales in Sachsen-Anhalt getan werden müsste. Oft sind Pähle und Stöcker einer Meinung und trotzdem sind sie so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Das wird besonders deutlich, als das Thema Lehrermangel aufkommt.

Stöcker sagt, das Kind sei längst in den Brunnen gefallen. So viele Lehrer, wie Sachsen-Anhalt bräuchte, könne man sich gar nicht backen. Er schlägt vor, KfZ-Mechaniker aus dem Ruhestand zu holen. Die könnten Schüler doch auch erklären, wie so ein Auto funktioniert, sagt er. "Vielleicht sogar besser als jeder Physiklehrer."

Pähle sachlich, Stöcker sprudelnd

Pähle hingegen sagt, wir haben 1000 neue Lehrer eingestellt, und wir bilden auch wieder mehr Lehrer aus. Sie trägt altbekannte Zahlen und Argumente vor, ganz sachlich, ganz ruhig, ohne Übertreibungen, ohne Visionen. Stöcker hingegen gibt den jungen Wilden. Er sprudelt vor Ideen und schafft es, sich innerhalb von wenigen Sekunden von einem Sozialdemokraten in einen FDP-Yuppie zu verwandeln und wieder zurück. Er will erreichen, dass Bildung nicht vom Portemonnaie abhängt, sondern jeder gleiche Chancen hat. Gleichwohl will er für die Wirtschaft den "Gründergeist" in Sachsen-Anhalt wecken. "Kaum einer weiß, dass einer der YouTube-Gründer aus Merseburg stammt." Das müsse man den jungen Leuten doch mal erzählen, damit sie merken, dass es lohne, in die Selbstständigkeit zu gehen.

Stöcker klingt mit allem, was er sagt, engagiert, aber auch nassforsch, manchmal sogar ein wenig populistisch. Pähle klingt immer sachlich, immer ruhig, manchmal sogar ein wenig müde vom Politikbetrieb. 

"Ich war vorher wirklich auf der Seite unserer weiblichen Kandidatin", sagt nach der Veranstaltung ein junger Mann. "Roger hat mich am Ende aber mehr überzeugt, weil er so bürgernah gesprochen hat."

Katja ist ja nun die gestandene Politikerin mit einem unwahrscheinlichen Hintergrundwissen. Aber der Herr Stöcker hat mir schon gut gefallen. Da ist frischer Wind.

Ein SPD-Mitglied nach der Veranstaltung

Ein anderes SPD-Mitglied meint: "Katja ist ja nun die gestandene Politikerin mit einem unwahrscheinlichen Hintergrundwissen. Aber der Herr Stöcker hat mir schon gut gefallen. Da ist frischer Wind."

Auch wenn Katja Pähle und Roger Stöcker sich nicht streiten, unterschwellig sind die Konflikte zu spüren, die in der SPD brodeln. Die einen wollen raus aus der Landesregierung und Oppositionsarbeit machen. Die anderen loben die Erfolge der Kenia-Koalition. Katja Pähle wird als Vertreterin des alten Weges angesehen, Roger Stöcker als Vertreter eines neuen.

Welchen Weg die SPD am Ende einschlagen wird, ist offen. Vom 27. Juni bis zum 10.Juli haben die 3500 SPD-Mitglieder Zeit, ihren Spitzenkandidaten oder ihre Spitzenkandidatin für die Landtagswahl zu bestimmen, in einem urdemokratischen Verfahren, per Briefwahl.

Quelle: MDR/mg

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 09. Juni 2020 | 12:00 Uhr

3 Kommentare

nie wieder cdu am 09.06.2020

SPD, einmal "Volkspartei" Empfehlung durch große Gewerkschaften, da standen die Interessen der sogenannten Arbeitnehmer noch im Vordergrund. Jetzt wollen einige linker sein als die LINKEN, dass kann nicht gut gehen.

Wachtmeister Dimpfelmoser am 09.06.2020

"Unwahrscheinliches Hintergrundwissen" und "frischer Wind" - na, das klingt ja im Vorfeld wie ein Garant für satte Mehrheiten. Dann nehmt Euch doch mal Eure beiden glücklosen und uncharismatischen Parteivorsitzenden zur Brust und erklärt ihnen, was sie im Bund komplett anders machen müssen, um die SPD nicht im parteipolitischen Nirwana verschwinden zu lassen. Vielleicht einfach mal wieder Arbeiterpartei werden und die Interessen der autochthonen Arbeitnehmer kleineren Kalibers aufgreifen und vertreten?

faultier am 09.06.2020

Eine Partei die Offensichtlich mit Linksextremisten symphatisiert ist für mich unwählbar.

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