Lotto, Spielhalle, Onlinecasino Glücklos glücklich? – Wie das Glücksspiel in Sachsen-Anhalt organisiert wird

31. Januar 2021, 18:06 Uhr

Wetten, Pokern, Zocken – der Mensch liebt das Spiel. Es geht um Aufregung, Nervenkitzel und die Hoffnung auf den großen Gewinn. Das scheint ein Teil des menschlichen Wesens zu sein, denn gespielt wurde zu allen Zeiten, selbst in der DDR. Doch die Zeiten ändern sich. Der Lotto-Schein könnte perspektivisch einem Online-Angebot weichen. Uli Wittstock erkundet, wie das Glücksspiel in Sachsen-Anhalt organisiert ist.

Portrait-Bild von Uli Wittstock
Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

Würden die Sachsen-Anhalter kein Lotto spielen, hätten wohl die Händelfestspiele in Halle, die Telemannfestspiele in Magdeburg oder auch das Kurt-Weill-Fest in Dessau ein ziemliches Finanzproblem. Denn Sachsen-Anhalts Kulturministerium hat es sich inzwischen angewöhnt, die Lottoeinnahmen des Landes als eine Art schwarze Kasse für die sogenannten kulturellen Leuchtturmprojekte des Landes zu nutzen. Der Haushalt des Ministeriums wird so seit Jahren entlastet, ein Verfahren, das der Landesrechnungshof inzwischen rügt.

Dies ist nur ein Beispiel für die Nähe von staatlich organisiertem Glücksspiel (Lotto) und der Politik. Im Jahr 1991 wurde LOTTO Sachsen-Anhalt gegründet, als einhundertprozentige Tochter des Landes. Wenn das Land sonst wirtschaftlich nicht besonders erfolgreich war mit seinen eigenen Unternehmungen, die Lotto-Gründung erwies als stabile Geldkuh, über alle Krisen hinweg. Das belegt auch das Jahr 2020. Während Einzelhandel, Gastronomie und Beherbergungsgewerbe von einem Lockdown zum nächsten taumelten, blieben die Lotto-Läden geöffnet. Und so wundert es nicht, dass die Lotto-Gesellschaft des Landes in diesem Jahr mit rund 204 Millionen Euro einen neuen Umsatzrekord verbucht. Da aber 20 Cent von jedem gespielten Euro an das Land fließen, gab es auch bei den Landeseinnahmen einen neuen Rekord mit rund 41 Millionen Euro.

Enge Beziehungen zwischen Lotto-Gesellschaft und Politik

Die Arbeit der Lotto-Gesellschaft wird von einem Aufsichtsrat kontrolliert, in dem der Gesellschafter, also das Land Sachsen-Anhalt mit drei Ministern vertreten ist. Wie vielschichtig die komplexen Beziehungen sind, zwischen der Lotto-Geschäftsführung, den politischen Akteuren sowie "Freunden und Bekannten", das versucht gerade ein Untersuchungsausschuss des Magdeburger Landtages zu ergründen. Ohne dem Ergebnis vorgreifen zu wollen, kann man aber jetzt schon sagen, dass viel Geld, das schlecht kontrolliert wird, Menschen in ihrem Handeln nicht unbedingt moralischer macht. 

Wer Lotto spielt, will sein Leben ändern

Dieser Satz stammt von Georg Stecker, Vorstandssprecher der Deutschen Automatenwirtschaft. Das ist kein Zusammenschluss von deutschen Roboterherstellern, sondern der Dachverband der Spielhallenbetreiber in Deutschland. Nach Stecker gibt es ganz unterschiedliche Spielertypen, für die es entsprechende Angebote gibt. Der klassische Lottospieler will also den einen großen Gewinn, der ein neues Leben ermöglicht. Spielhallenbesucher haben hingegen ein anderes Interesse, so Stecker: "In den Spielhallen geht es eher um Zerstreuung. Hier können sie keine großen Gewinne machen. Die Spielautomaten begrenzen die Einsätze pro Stunde auf sechzig Euro.

Spielhallen haben nicht den besten Ruf

Da bleiben Gewinn und Verlust in einem überschaubaren Rahmen." Wer also das Risiko liebt und mit hohem Einsatz spielen will, der geht stattdessen in eine Spielbank. In gewisser Weise bildet das System die alten Klassengrenzen wieder. Denn Spielbanken waren ursprünglich der Treff einer reichen Oberschicht, weswegen es zumeist heute noch einen Dresscode dort gibt und auch Wert auf eine gehobene Ausstattung gelegt wird. Wer sich hier zeigt, hat große Scheine in den Taschen über deren Herkunft hinter den Kulissen gelegentlich getuschelt wird.

Spielhallen hingegen kann man auch mit Jogginghose und ein paar Euro aufsuchen und ein edles Interieur wird hier auch nicht erwartet, weswegen Spielhallen für gewöhnlich nicht den besten Ruf genießen.

Casino-Versuche scheiterten

Das vorausgeschickt wundert es nicht, dass Sachsen-Anhalts Versuche, mit Spielbanken ebenso erfolgreich zu sein, wie mit dem Lotto, mehrfach scheiterten. Denn was eigentlich bis heute im Land fehlt, ist eine betuchte Oberschicht. Zwar wurden ja in Sachsen-Anhalt nach der Wende kräftig Unternehmen, Immobilien und Dienstleistungen privatisiert, doch die Gewinne werden dann eher in Hamburg Düsseldorf oder München in die Spielbank getragen.

Mehrfach musste die Landeskasse Geld für den Casino-Betrieb in Sachsen-Anhalt zuschießen. Im Anschluss scheiterten zwei Privatisierungen, die auch mit dem Versprechen erfolgten, ein Las Vegas in Vockerode zu errichten. Glücksritter saßen bei diesen Gesprächen auf beiden Seiten des Verhandlungstisches. Im Jahr 2013 wurde dann mit der Gauselmann-Gruppe ein Betreiber gefunden, der europaweit in dem Segment aktiv ist und derzeit in Sachsen-Anhalt drei Spielbanken betreibt, in Günthersdorf, Halle und Magdeburg.

Spielhallen – Kleines Glück oder großer Frust

Wenn die Spielbank das Gourmetrestaurant des Glücksspiels ist, dann ist die Spielhalle die Eckkneipe. Die kann man auch mit zwanzig Euro in der Tasche aufsuchen, sofern man älter als 18 Jahre ist. Nach einer Statistik aus dem Jahr 2020 gibt es derzeit in Sachsen-Anhalt 241 Spielhallenstandorte mit insgesamt 2.969 Spielautomaten. Hinzu kommen dann nochmal 716 Geräte in Gaststätten. Diese rund dreieinhalbtausend Geräte kamen 2020 auf einen Umsatz von immerhin 113 Millionen Euro, was konkret heißt, dass jeder Sachsen-Anhalter im Durchschnitt rund 70 Euro pro Jahr für Automatenspiele ausgibt. Das bestätigt wieder mal die alte Spruchweisheit, dass Kleinvieh auch Mist macht.

Doch die Statistik erklärt leider nicht, wie viele Menschen tatsächlich eine Spielhalle aufsuchen, so dass wahrscheinlich deutlich weniger Menschen deutlich mehr Geld an den Automaten ausgeben. Diesen Eindruck bestätigt auch Daniel Krause von der Spielsuchtberatung der Magdeburger Stadtmission, die derzeit in Sachsen-Anhalt das einzige Hilfsangebot für Spielsüchtige vorhält. Entsprechend schwierig ist es, konkrete Zahlen zu bekommen, wie viele Menschen in Sachsen-Anhalt von der Spielsucht betroffen sind.

5.000 Menschen sind spielsuchtgefährdet

Etwa ein Prozent der Einwohner sind gefährdet, so das Ergebnis bundesweiter Erhebungen, so dass in Sachsen-Anhalt von rund zwanzigtausend Menschen ausgegangen werden kann, die ein riskantes Verhältnis zum Glücksspiel haben. Doch tatsächlich spielsüchtig sind deutlich weniger, so Daniel Krause: "Also in Sachsen-Anhalt kann man von rund fünftausend Menschen ausgehen, die ihr Spielverhalten nicht mehr kontrollieren können. Da laufen dann schon mal Schulden von mehreren zehntausend Euro auf. Wenn man nicht rechtzeitig Hilfe sucht, dann rutscht man immer tiefer in den Strudel."

Doch Hilfe zu finden ist derzeit nicht leicht in Sachsen-Anhalt, das weiß auch Georg Stecker von deutschen Automatenverband: "Weil bei uns der Spielerschutz eine hohe Priorität hat, haben wir natürlich Kontakt zu den Hilfesystemen der einzelnen Bundesländer. Und da muss man schon sagen, dass Sachsen-Anhalt da personell und finanziell nicht gut aufgestellt ist. Insofern ist es zu begrüßen, wenn sich da nun etwas bewegen sollte."

Tatsächlich haben das Innen- und das Sozialministerium ein Konzept entworfen, dass die Spielsuchtberatung deutlich besser aufstellen soll. Das hatten die Koalitionspartner SPD und Grüne gefordert, um dem neuen Glücksspielstaatsvertrag der Bundesländer zuzustimmen. Damit soll es erstmals möglich sein, auch das Online-Glücksspiel nach rechtlichen Vorgaben zu kontrollieren.

Corona als Trendverstärker?

Aktuelle Zahlen liegen noch nicht vor, aber Daniel Krause geht davon aus, dass während des Lockdowns die Zahlen derer gestiegen ist, die ihr Glück beim Online-Pokern oder am digitalen Roulette-Tisch versuchen. Und diese Form des Spiels gilt als besonders gefährlich. Denn immer, wenn Spieleinsatz sowie Verlust und Gewinn zeitlich dicht beieinanderliegen, steigert sich der Suchtfaktor. Was zur Folge hat, dass Lottospieler eher weniger abhängig werden. Beobachtet hat man diesen Effekt vor allem in Spielhallen, wo es aber rein theoretisch noch ein soziales Umfeld gibt, welches bei einem problematischen Spielverhalten eingreifen kann. Auf dem Sofa mit dem Handy in der Hand ist eine solche Kontrolle schwer möglich, es sei denn, die Anbieter dieser Spiele arbeiten mit den Behörden zusammen.

Genau eine solche Glücksspielbehörde soll nun in Halle aufgebaut werden, um das Online-Glücksspiel bundesweit zu überwachen. Das ist eine konkrete Folge des neuen Glücksspielstaatsvertrages, der in Sommer dieses Jahres in Kraft treten soll. Georg Stecker, Vorstandssprecher der Deutschen Automatenwirtschaft, begrüßt diese Entwicklung: "Die Spielhallenbetreiber in Deutschland sind strengen Regeln unterworfen. Kinder und Jugendschutz ist da ein großes Thema, aber auch die Schulung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Umgang mit problematischen Spielern. Es ist gut, dass diese Vorgaben nun auch auf den Onlinebereich übertragen werden sollen. Wir haben ein hohes Interesse daran, dass diese Behörde auch funktioniert und vor allem auch richtig kontrolliert wird. Es bringt nämlich nichts, Regeln zu haben, die nicht eingehalten werden."

Glücksspielbehörde startet erst 2023

Deutlicher formuliert es Daniel Krause von der Magdeburger Spielsuchtberatung. "Die Politik hat jetzt den Hühnerstall für den Fuchs geöffnet, denn der Zaun drum herum, der fehlt noch." Ab Sommer sollen in Deutschland Online-Glücksspiele unter bestimmten Vorgaben zulässig sein. Die neue Behöre soll jedoch erst im Jahr 2023 starten, also in zwei Jahren. Bis dahin sind die einzelnen Bundesländer wie bisher für die Glücksspielüberwachung zuständig.

Daniel Krause blickt skeptisch auf diese Entwicklung, denn seine Erfahrungen aus dem Spielhallen-Bereich stimmen nicht sehr optimistisch: "Für die Kontrollen der Spielhallen sind ja die Ordnungsämter zuständig. Die aber sind chronisch unterbesetzt, so dass da nur in den seltensten Fällen Verstöße gemeldet werden."

Mehr Aufklärung nötig

Daniel Krause sieht aber noch eine weitere Baustelle, nämlich die Aufklärung von Eltern und Lehrkräften. Viele der Handyspiele, die bei Kindern so beliebt sind, werden von Anbietern der Online-Glücksspiele entwickelt. Hier werde bereits jenes Verhalten trainiert, dass später dann einen Übergang zum harten Spiel mit echtem Geld erleichtert. Deshalb warnt Daniel Krause: "Die Onlinewelt der Kinder und Jugendlichen ist durchsetzt von Glücksspielwerbung. Was im Fernsehen erst ab zwanzig Uhr erlaubt ist, flimmert auf den Handys rundum die Uhr. Das kann zu dem Eindruck führen, dass Pokern oder Black Jack genauso normal ist wie Fußball spielen oder Lesen."

Immerhin: Wenn ab Sommer die Onlinecasinos zugelassen werden, dann müssen sich die Anbieter vor allem beim Kinder- und Jugendschutz an Auflagen halten, zudem darf ein Spieler monatlich nicht mehr als eintausend Euro setzen.

Redaktion: Oliver Leiste, Katja Luniak

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