Blogger und Politikberater Martin Fuchs
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Politikberater über den Wahlabend "Spannender als der Tatort"

14. März 2016, 21:24 Uhr

Er ist Blogger, Politikberater und hat in den vergangenen Monaten beobachtet, wie die Parteien in Sachsen-Anhalt im Internet Wahlkampf gemacht haben: Martin Fuchs. Der 36-Jährige hatte bereits vor einigen Wochen zu MDR SACHSEN-ANHALT gesagt, dass die Parteien Online-Wahlkampf noch nicht verstanden hätten. Jetzt, nach Abschluss der Wahl, zieht Fuchs eine Bilanz.

Wenn am Wahlabend die ersten Hochrechnungen veröffentlicht werden, werden die Zwischenergebnisse immer mehr auch in den sozialen Netzwerken wie Twitter oder Facebook diskutiert - so auch in Sachsen-Anhalt. Und schon vor der Wahl hat sich der Eindruck verfestigt, dass immer mehr Parteien registrieren, welches Potenzial das Internet für die Wählergewinnung birgt. MDR SACHSEN-ANHALT hat den Politikberater und Blogger Martin Fuchs gefragt, was den Online-Wahlkampf in Sachsen-Anhalt seiner Meinung nach ausgezeichnet hat.

MDR SACHSEN-ANHALT: Wie ist das Wahlergebnis von Sachsen-Anhalt in den sozialen Netzwerken aufgenommen worden?

Martin Fuchs: "So viel Traffic wie am Wahlabend gab es in den Wochen davor nicht. Da hat man dann gesehen, dass schon viele Menschen das spannender fanden als den Tatort, der parallel lief. Das, was ich gesehen habe, war eine explosive Freude der AfD-Anhänger, die natürlich sonst auch sehr aktiv waren in den sozialen Netzwerken. Ganz klassisch haben die Parteien, die nicht so gut abgeschnitten haben, sich dann doch eher zurückgehalten in den sozialen Netzwerken. Man hat hauptsächlich euphorische Menschen erlebt auf Twitter und Facebook."

Sie haben auch die Reaktionen auf Bundesebene verfolgt. Wie wurde das Ergebnis außerhalb Sachsen-Anhalts aufgenommen?

"Es gibt da nur ein Schwarz und ein Weiß, war mein Eindruck. Es gab natürlich diejenigen, die mit Blick auf das AfD-Ergebnis komplett die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben, weil sie sich vielleicht gar nicht so stark mit der Entwicklung von Sachsen-Anhalts AfD auseinander gesetzt haben. Das war bei einigen politischen Kommentatoren und Beobachtern fast ein Schockzustand, würde ich sagen.

Und bei den AfD-Anhängern selbst hat sich meinem Eindruck nach dann entladen, dass sie über Monate in die rechte Ecke und als rechtspopulistische Rattenfänger dargestellt wurden. Das Ergebnis hat sie darin bestätigt, dass andere Parteien damit nicht gepunktet haben."

Inwieweit hat der Online-Wahlkampf der Parteien das Wahlergebnis beeinflusst?

"Das ist immer schwer zu sagen. Was ich aber beobachtet habe ist, dass die Parteien und Kandidaten, die die sozialen Netzwerke im Wahlkampf aktiv genutzt haben, am Ende auch zu den Wahlsiegern gehören - wie etwa die AfD, die sehr präsent war in den sozialen Netzwerken. Auf der anderen Seite gibt es die SPD, die in den sozialen Netzwerken fast unsichtbar war und sicher der große Verlierer des Wahlabends ist.

Ein bisschen habe ich mich über die FDP gewundert, die meines Erachtens einen sehr guten Online-Wahlkampf gemacht hat. Die Google-Trends haben vor dem Wahltag gezeigt, dass verhältnismäßig viele Menschen online nach der FDP gesucht und sich mit ihr beschäftigt haben. Ich hätte schon gedacht, dass das ein Indiz für ein verstärktes Interesse an der Partei ist - und die FDP hat es trotzdem nicht in den Landtag geschafft."

Was haben Sachsen-Anhalts Parteien im Online-Wahlkampf versäumt?

"Ich würde den Bogen sogar noch etwas weiter spannen. Die Fehler wurden schon in den drei, vier Jahren davor gemacht, also seit der letzten Wahl. Es ist ja nicht neu, dass das Internet auch für die politische Meinungsbildung immer wichtiger ist. Und da haben die Parteien den Fehler gemacht, dass sie bis kurz vor der Wahl gewartet haben und offenbar gar nicht die Lust hatten, im Netz besonders sichtbar zu sein und sich damit verstärkt zu beschäftigen.

Etwa acht, neun Wochen vor der Wahl sind die Parteien aktiver geworden, hatten dann vielleicht auch die Leute dafür. Das ist natürlich zu spät, wenn man Bürger an sich binden möchte und ihnen das Gefühl geben will, dass man nah an ihnen dran ist. Wenn man im Netz hören will, was die Leute bewegt, muss das natürlich auch zwischen den Wahlen passieren. Die AfD nutzt das seit Parteigründung als zentrales Instrument der Kommunikation und Parteiorganisation. Und das ist meines Erachtens auch einer der Erfolgsfaktoren gewesen."

Mit 61,1 Prozent war die Wahlbeteiligung so hoch wie lange nicht mehr. Wie kann die Politik das offenbar höhere Interesse für Parteien jetzt hoch halten?

"Die Parteien wären sehr gut beraten, wenn sie das Interesse, was sie auf ihren Profilen und Seiten geweckt haben, kontinuierlich weiter bedienen und jetzt nicht die Aktivität auf Null runterfahren. Das ist natürlich ein gewisser Ressourcenaufwand. So kann man versuchen, die Leute stärker einzubinden und zu fragen, wie der Wähler mit bestimmten Sachen im Landtag zufrieden ist - also einfach das Ohr am Bürger haben. Denn für viele war Umfragen zufolge offenbar der Grund, die AfD zu wählen, dass sie sich von den anderen Parteien einfach nicht mehr wahrgenommen gefühlt haben."

Parallel zur Wahl in Sachsen-Anhalt wurde auch in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gewählt. Was waren die neuen Trends in den drei Wahlkämpfen?

"Ein ganz großer war, dass das Bewegtbild ein entscheidendes Instrument des Wahlkampfs geworden ist. Das hat man auch in Sachsen-Anhalt ganz stark gesehen. Angefangen mit Grünen-Spitzenkandidatin Claudia Dalbert, die täglich in 90 Sekunden den Wahlkampf mit einem Facebook-Live-Video begleitet hat, bis hin zum Ausspielen der Videos auf Facebook, Twitter und Snapchat, was ja auch genutzt wurde. Und der zweite große Trend waren kurze Statements, die als Grafiken aufbereitet wurden. Das nennt man Sharepics.

Ein dritter Trend war, dass Parteien gemerkt haben, wie wichtig ein Motto für Kampagnen im Netz ist. Die FDP hat das beispielsweise gemacht und ihrer Kampagne einen Hashtag gegeben, um den Wiedererkennungswert der Partei zu erhöhen und der Kommunikation einen roten Faden zu geben."

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