Mitarbeiter in Gesundheitsämtern Die stillen Helden der Corona-Krise

28. August 2020, 15:46 Uhr

Sie ermitteln Kontaktpersonen von Infizierten oder verordnen Quarantäne-Maßnahmen: Gesundheitsämtern kommt im Kampf gegen die Corona-Pandemie eine Schlüsselrolle zu. Doch oft fehlt Anerkennung und die Vorurteile sind groß.

Daniel George
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Ein Schild mit der Aufschrift "Gesundheitsamt".
Den Gesundheitsämtern mangelt es deutschlandweit an qualifiziertem Personal. Bildrechte: imago images/Waldmüller

Beamte? "Die machen doch den ganzen Tag nichts außer Kaffee trinken!", so lautet ein Vorurteil – und so war es in der vergangenen Woche auch auf der Facebook-Seite von MDR SACHSEN-ANHALT zu lesen. Unter einem Artikel zur Überlastung der Gesundheitsämter in der Corona-Krise kommentierten Leugner der Pandemie und Amts-Kritiker. Tenor: Die sollen sich mal nicht beschweren in den Gesundheitsämtern. Doch die Wahrheit ist: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind tatsächlich oft überlastet – und zählen zu den stillen Helden im Kampf gegen die Corona-Pandemie.

"Ich bin seit vielen Jahren im öffentlichen Dienst tätig, ich kenne diese Vorurteile", sagt Thomas Barz. Der Beigeordnete des Landkreises gehört zum Corona-Krisenstab im Jerichower Land, früher war er Bürgermeister von Genthin. "Der Staat wird sehr kritisch gesehen. Es gibt eine ausgeprägte Empörungskultur. Die Meckernden sind lauter geworden – was allerdings nicht heißt, dass die Bürger uns nicht wertschätzen."

Gesundheitsämtern fehlt Personal

Im Gegenteil zu den Kommentaren im Internet, oft abgegeben unter dem Deckmantel der Anonymität, seien die Rückmeldungen im "echten Leben" meist positiv, so Barz. "Die Gesundheitsämter waren in der Wahrnehmung vieler Menschen vor der Pandemie fast gar nicht existent. Da wurde nichts Schlimmes gemacht, aber auch nichts außerordentlich Positives." Gesundheitszeugnisse ausgestellt, Beratungen, das Übliche. "Jetzt hat sich das allerdings geändert. Die Pandemie hat uns alle vor eine große Herausforderung gestellt."

Denn wo rufen die Menschen an, um zu erfahrenen, wo sie sich testen lassen können? Im Gesundheitsamt. Wo rufen sie an, um zu erfragen, was die neueste Eindämmungsverordnung im Detail besagt? Im Gesundheitsamt. Und wer ermittelt die Kontaktpersonen von positiv auf das Coronavirus getesteten Menschen? Das Gesundheitsamt.

Im Gesundheitsamt des Landkreises Jerichower Land gibt es drei ärztliche Vollzeitstellen. Davon sind zwei derzeit allerdings nur mit Halbtagskräften besetzt. Dazu gesellen sich vier Hygieneaufseher und ein sogenannter "Containment Scout", der vorrangig für die Kontaktnachverfolgung zuständig ist und vom Bund gestellt wird. Zudem wurde ein dreiköpfiger Corona-Krisenstab eingerichtet, vorrangig für Planung, Organisation und Materialbeschaffung.

Für die Mitarbeiter gibt es seit Beginn der Pandemie viel zu tun. Auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT erklärten viele Gesundheitsämter des Landes, überlastet zu sein und mehr Personal zu benötigen – obwohl bereits Verwaltungspersonal aus anderen Abteilungen zur Unterstützung geholt worden sei. Der Stellenabbau über Jahre hinweg wirkt sich nun offenbar nachteilig aus.

Die Aufgaben der Gesundheitsämter

Die Aufgabe der Gesundheitsämter ist es, die Bevölkerung zu schützen und eine weitere Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern. Zudem überwachen die Gesundheitsämter Hygienestandards, machen ärztliche Untersuchungen in Schulen und beraten und informieren zu Gesundheitsthemen. Die konkreten Aufgaben der Ämter werden von den Ländern geregelt.

Auf eine Anfrage für ein ausführliches Interview antwortete die Pressestelle eines Gesundheitsamtes gar nicht. Eine andere erklärte: "Leider ist es den Kolleginnen in der jetzigen, akut angespannten Zeit nicht möglich, die Zeit und die Kraft außerhalb ihrer Arbeit zur Vorbereitung eines solchen Gesprächs aufzubringen."

Die Test von Reiserückkehrern und der Schulbeginn belasten die Ämter dieser Tage noch mehr. Derzeit können sich alle Rückkehrer aus dem Ausland kostenlos auf das Coronavirus testen lassen. Wer aus einem Risikogebiet zurückkehrt, muss sich beim Gesundheitsamt melden und entweder einen aktuellen negativen Corona-Test vorweisen, einen machen oder in heimischer Quarantäne bleiben. Diese Regelung soll nach dem Willen der Gesundheitsminister bis Mitte September beibehalten werden.

Komplizierte Corona-Debatte

Den Gesundheitsämtern kommt in der Corona-Krise eine Schlüsselrolle zu. Denn nur, wenn Kontaktpersonen schnell ermittelt und Infektionsketten unterbrochen werden, lässt sich die Pandemie eindämmen. Im Jerichower Land ist das bislang gelungen. Die Infektionszahlen sind gering. "Wir waren früh gut vorbereitet", sagt Thomas Barz, der Beigeordnete des Landkreises. 500 zusätzliche Betten für Corona-Patienten hätten geschaffen werden können, vier Fieberzentren waren geplant, wurden bisher jedoch nicht benötigt. Die Telefon-Hotline war zwischenzeitlich mit fünf Mitarbeitern besetzt. Barz sagt: "Alle haben vollen Einsatz gezeigt."

Dazu gehört auch das Zustellen von Quarantänebescheiden und das Ermitteln von Kontaktpersonen. "Sicherlich fühlt sich niemand toll, wenn er in Quarantäne kommt. Aber wir haben da sehr feinfühlig agiert, was die Quarantänemaßnahmen angeht – auch, um die Wirtschaft zu schützen", sagt Barz. Die Bürgerinnen und Bürger hätten das honoriert. Genau wie die Gastronomen, denen das Jerichower Land die vorgezogene Öffnung der Restaurants nach dem Corona-Lockdown erlaubte. Oder Vereine, die das Land bei der Erstellung von Hygienekonzepten unterstützt hat.

Die Meckernden sind lauter geworden – was allerdings nicht heißt, dass die Bürger uns nicht wertschätzen.

Thomas Barz, Beigeordneter des Landkreises Jerichower Land

"Es gibt nur noch Schwarz und Weiß in der öffentlichen Debatte", sagt Thomas Barz. "Viele Leute nehmen Corona ernst, viele winken ab. Deshalb haben wir viel Aufklärungsarbeit geleistet, zum Beispiel bei unserer Telefon-Hotline. Die Zweifler haben natürlich Recht bekommen, weil die Zahlen bei uns nicht so schlimm waren. Aber die Vorbereitung war trotzdem wichtig. Beim Hochwasser zum Beispiel sind ja auch alle froh, wenn der Deich nicht bricht. Da sagt im Nachhinein auch keiner, den hätten wir gar nicht bauen brauchen, der wäre sowieso nicht gebrochen."

Maßnahmen erklären, Verständnis schaffen

Dass die Infektionszahlen sich auf niedrigem Niveau bewegen, ist nicht zuletzt auch das Resultat der Arbeit des Gesundheitsamtes – und vor allem der Mitarbeiter, die in den vergangenen Monaten mit hoher Belastung ihre Arbeit verrichtet haben. Sie mussten die Vorgaben der großen Politik den immer ungeduldiger werdenden Menschen erklären, Verständnis für die Maßnahmen schaffen. Sie bekamen nicht selten den Unmut ab, der sich eigentlich gegen Politiker richtete.

Bundeswehr unterstützt Gesundheitsämter

Die Bundeswehr unterstützt zehn Gesundheitsämter in Sachsen-Anhalt, um Reiserückkehrer auf das Coronavirus zu testen. Seit Anfang der Woche helfen 20 Soldatinnen und Soldaten dabei, Kontakte von Corona-Infizierten aufzuspüren und Abstriche für die Labortests zu nehmen, wie das Landeskommando am Mittwoch in Magdeburg mitteilte.

Unterstützung gibt es demnach für die Gesundheitsämter in Magdeburg, Halle und Dessau-Roßlau sowie in der Börde, im Harz, im Kreis Stendal, dem Kreis Salzwedel, in Anhalt-Bitterfeld, dem Saale-
und dem Salzlandkreis.

Angesichts der Personalknappheit in den Ämtern beantragte das Sozialministerium Amtshilfe bei der Bundeswehr. Zwei Anträge wurden laut Landeskommando genehmigt, ein dritter werde geprüft. Die meisten Soldatinnen und Soldaten kommen vom Panzerpionierbataillon aus Havelberg. Sie sollen bis Mitte November aushelfen.

Zusätzlich unterstützen zwei Sanitätssoldaten aus Weißenfels bis Ende September das Gesundheitsamt in Halle bei Abstrichen für Corona-Tests. Wenn auch der dritte Antrag genehmigt wird, bekommt der Kreis Stendal vier weitere Helfer.

"Wir wollten nie den Eindruck vermitteln, dass wir überlastet sind, sondern dass alles in ruhigen Bahnen verläuft. Das ist unser Job, den Bürgerinnen und Bürger das Leben trotz der Pandemie so erträglich wie möglich zu machen", sagt Thomas Barz. "Man verkennt oft, dass viele Leute in den Ämtern einen richtig tollen Job machen." Gerade während der vergangenen Monate.

Und das Vorurteil mit dem ganztägigen Kaffeetrinken? Oder dem Mikado-Spielen, weil sonst nichts zu tun ist? Das kommentierte ein anderer Nutzer auf Facebook. "Also", sagt Barz. "Wer möchte, kann uns gerne besuchen und einen Tag bei uns mitlaufen oder ein Praktikum machen. Dann sieht er auch, dass wir hier kein Mikado spielen oder den ganzen Tag Kaffee trinken." Sondern täglich gegen die Corona-Pandemie kämpfen.

Daniel George
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Über den Autor Daniel George wurde 1992 in Magdeburg geboren. Nach dem Studium Journalistik und Medienmanagement zog es ihn erst nach Dessau und später nach Halle. Dort arbeitete er für die Mitteldeutsche Zeitung.

Vom Internet und den neuen Möglichkeiten darin ist er fasziniert. Deshalb zog es ihn im April 2017 zurück in seine Heimatstadt, in der er seitdem in der Online-Redaktion von MDR SACHSEN-ANHALT arbeitet – als Sport-, Social-Media- und Politik-Redakteur, immer auf der Suche nach guten Geschichten, immer im Austausch mit unseren Nutzern.

Quelle: MDR/dg

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 17. August 2020 | 14:30 Uhr

1 Kommentar

winfried am 28.08.2020

>>Die stillen Helden der Corona-Krise<< ... die man sonst nur "hören-sagen" kennt.

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