Sehnsuchtsberg der Deutschen Der Brocken – die Grenzöffnung vor 30 Jahren
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Vor 30 Jahren forderten Tausende Demonstranten vor dem Tor der Brockenmauer, den Gipfel zu öffnen. Daran wird am 3. Dezember erinnert. Damals stand "Freier Bürger – freier Brocken" auf einem Transparent. "Tor auf" riefen die Menschen.
Seit Jahrhunderten umgibt den Brocken eine Aura des Mystischen. Zur Walpurgisnacht zieht es der Sage nach Hexen dorthin, in Zeiten des Kalten Krieges diente er Geheimdiensten zum Abhören des politischen Gegners.
Der Brocken: Mit seinen 1.141 Metern ist er der höchste Berg im Harz. Aufgrund der besonderen Lage im Norden Deutschlands ist der Berg ein Ort extremer Wetterbedingungen. Sein Gipfel liegt fast immer in dichten Nebel gehüllt. Eiskalte Winter und schwere Stürme sind nicht selten.
Militärisches Sperrgebiet
Bis zur Grenzöffnung am 3. Dezember 1989 war der Brocken ein Sehnsuchtsberg vieler Deutscher. Weithin sichtbar und doch so weit weg wie der Pariser Eiffelturm. Zu den Menschen, die damals auf den Berg wollen, gehört auch Hansjörg Hörseljau. Der Fotograf wächst in den sechziger Jahren am Fuße des Brockens auf. Etwa zwei Kilometer westlich des Gipfels verläuft die Grenze zu Niedersachsen. Den Berg zu besteigen, ist für ihn ein unerfüllbarer Traum. Denn er lebt auf der Westseite des "Eisernen Vorhangs". Aber auch für DDR-Bürger bleibt der Brocken tabu. Er liegt im militärischen Sperrgebiet – ein geheimnisvoller Ort.
Hier war die Welt zu Ende. Es ging einfach nicht weiter. Der Brocken war von überall aus sichtbar. Der hat einen eigentlich immer verfolgt. Wir konnten nicht rauf.
Chronologie zur Brockengeschichte
- 1736 ließ Graf Christian Ernst zu Stolberg-Wernigerode ein Unterkunftshaus zum Schutz der Brockenreisenden erbauen.
- 1777 bestieg Goethe den Brocken.
- 1800 wurde das erste Gasthaus auf der Brockenkuppe errichtet.
- 1890 richtet der Göttinger Botaniker Albert Peter den Brockengarten als ersten deutschen Alpengarten ein.
- 1895 wird die erste Wetterwarte auf dem Brocken erbaut.
- 1899 fährt die Brockenbahn auf Schmalspurgleisen zum Harzgipfel. Der Bahnhof Brocken ist heute mit 1125 m ü. NHN einer der höchstgelegenen Bahnhöfe in Deutschland.
- 1937 wird der Brocken Naturschutzgebiet.
- 1945 greift die US-Luftwaffe den Brocken an. Das Brockenhotel und andere Gebäude werden zerstört.
- 1947 erfolgte nach der Besetzung der US-Truppen ein Gebietsaustausch an die Sowjets.
- Bis 1959 waren Teile des Brockens noch für Touristen zugänglich.
- Ab August 1961 wird der Brocken militärisches Sperrgebiet und für die Bevölkerung unzugänglich. Der Gipfel wird für Überwachungs- und Spionagezwecke genutzt.
- Am 9. November 1989 fällt die Berliner Mauer.
- Am 3. Dezember 1989 wandern etwa 6.000 Demonstranten auf den Brocken und erzwingen dort die Grenzöffnung.
- Ab 1990 werden die Abhör- und Grenzanlagen nach und nach abgebaut.
- März 1994 verlässt der letzte russische Soldat den Brocken.
Hexentanz und Goethes Dichtung
Zur Walpurgisnacht fliegen Hexen zum Gipfel und feiern Orgien mit dem Teufel, so die alten Sagen. Johann Wolfgang von Goethe setzt dem Berg in seinem "Faust" ein literarisches Denkmal. Er selbst besteigt den Berg zweimal.
Goethe veredelt das natürlich mit seinem Faust. Er macht den Berg mit seiner Dichtung europaweit noch viel populärer. Er selbst hat ja mehrfach den Brocken besucht. Zum ersten Mal im Jahre 1777 bei seiner Winterbesteigung. Beim zweiten Mal übernachtete er dann auch im Wirtshaus auf der Heinrichshöhe unter relativ abenteuerlichen Bedingungen und ist begeistert von dieser wilden Natur und siedelt ja dann auch in der Brockengegend einen Teil seiner Faust-Geschichte an. Da ist der Anteil Goethes auf keinen Fall zu unterschätzen - für die Popularität des Berges.
Jedes Jahr treffen sich tausende Besucher am Brocken und feiern in der Nacht zum 1. Mai das Walpurgisfest. Archäologische Funde und Belege heidnischer Rituale oder Kultstätten aus prähistorischer Zeit gibt es allerdings auf dem Brocken nicht.
Ganz Ohr: Geheimdienste hören mit
Ganz real sind dagegen Relikte aus der Zeit des Kalten Krieges. Nach dem Mauerbau 1961 wird der Berg hermetisch abgeriegelt. Auf dem Gipfel installiert die DDR-Staatssicherheit raffinierte Lausch- und Spionagesysteme, die bis weit nach Westeuropa hinein den Telefon- und Funkverkehr abhören.
Der Brocken war auch das "große Ohr" des sowjetischen Geheimdienstes. Eine mehr als drei Meter hohe Mauer aus Beton und Stacheldraht sicherte das geheimnisvolle Gelände.
"Am 3. Dezember stürmen wir den Brocken"
Der Brocken war militärisches Sperrgebiet. 1989 kam dann die Wende, in Berlin pickten die Mauerspechte und auch im Harz wurde die Grenze geöffnet. Am 3. Dezember 1989 erzwangen hunderte Einwohner des Harzes die Öffnung der geheimen Anlagen.
Es ist natürlich den Leuten im Harz zu bunt geworden, dass jetzt alle Grenzen auf waren, aber so ein Stück Brockenplateau ist eingemauert, unbegehbar. Das hat alle mächtig genervt und das NEUE FORUM hat im Vorfeld einen Aufruf gestartet: Am 3. Dezember stürmen wir den Brocken.
Unter ihnen ist auch der Fotograf Hansjörg Hörseljau: "Es waren alle so happy, so zufrieden, also es war ein Glückstag. Man hatte ja immer davon geträumt, endlich mal auf diesen Berg rauf zu kommen und jetzt stand man da oben."
Seit diesem Tag hat er die Veränderungen auf dem Brocken mit seinen Bildern begleitet. Den Abbau der Spionagetürme, das Verschwinden der Mauer und den Abzug der Russischen Soldaten. Heute ist der Brocken wieder ein freier Berg, der jährlich von hunderttausenden Touristen aus Deutschland und der ganzen Welt besucht wird.
Quelle: MDR/ahr
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT - Das Radio wie wir | 03. Dezember 2019 | 05:00 Uhr