Historisches Baustoffdepot Quedlinburg Der Herr der Türen und Dachziegel

09. September 2018, 08:36 Uhr

Seit 25 Jahren gibt es in Quedlinburg ein Depot für historische Baustoffe. Mit den alten Balken, Türen und Ziegeln soll der Charme der Häuser in der Welterbestadt erhalten werden. Horst Schöne ist der Herr dieses Depots. MDR SACHSEN-ANHALT hat ihn besucht.

Am Tag des offenen Denkmals öffnen viele Eigentümer von Baudenkmälern ihre historischen Häuser und Wohnungen. Die Sanierung eines solchen Baudenkmals bereitet nicht selten Kopfzerbrechen. Ein Problem ist oft, authentische Baumaterialien zu finden. Historische Türen etwa oder Dachziegel, die zur alten Dacheindeckung passen. In der Welterbestadt Quedlinburg haben Haussanierer da eine wunderbare Möglichkeit. Sie bekommen solche Dinge kostenlos in einem Depot für historische Baustoffe. Seit 25 Jahren besteht es jetzt schon.

Der Herr dieses Depots ist Horst Schöne. Er residiert auf einem Lagerplatz am Stadtrand von Quedlinburg. Vor einer Lagerhalle reihen sich lange Stapel mit Mauersteinen, Balken, Sandsteinen und Dachziegeln. Mittendrin: Horst Schöne.

Der Mann mit dem lila Damenrad

Aufgeknöpftes Hemd und Schnauzbart sind seine Markenkennzeichen. Jahrelang war es auch ein Fahrrad, ein lila Damenrad mit einem Drahtkorb hinten drauf. Mit diesem Fahrrad war Schöne seit Anfang der 1990er-Jahre ständig in Quedlinburg unterwegs – immer auf der Suche nach alten Bauteilen.

Alles begann 1993: Damals hat die Stadt von einem örtlichen Bauunternehmen 300 historische Türen bekommen die früher einmal in Quedlinburger Häusern hingen, dann aber abgerissen oder saniert worden waren. Der damalige Bürgermeister beauftragte den im städtischen Bauamt arbeitenden Horst Schöne, sich darum zu kümmern. Es war der Startschuss für das Depot für historische Baustoffe der Stadt Quedlinburg.

Fortan fuhr Schöne mit seinem lila Fahrrad durch die Stadt. Er sprach mit Bauherren, sensibilisierte sie für den Einsatz bereits benutzter aber dafür authentischer Baustoffe. Wo ein Container mit Bauschutt stand, blieb Schöne stehen, schaute, sprach mit den Eigentümern. Er sammelte, was verwertbar war – Balken, Treppengeländer, Fenster, Türen, Beschläge und Dachziegel.

170.000 Teile – bis zu 250 Jahre alt

Von diesen liegen heute jede Menge im Depot. Derzeit sind es 170.000 Stück, ganz alte Nonnenziegel zum Beispiel, Schmuckziegel von Jugendstilvillen, doch vor allem Linkskremper. Von neun verschiedenen Herstellern der Umgebung lagern sie im Depot, dazu handgefertigte bis zu 250 Jahre alte Exemplare. Repariert ein Hausherr sein altes Dach, kann er sich im Depot passenden Ersatz holen.

Groß ist auch das Lager für Türen. In langen Regalen stehen derzeit rund 1.000 Stück im Depot. Jede Tür ist mit ihren Abmessungen in einem Computerprogramm erfasst. "Das versetzt uns in die Lage, auf den Zentimeter genau und baugeschichtlich passend Türen für ein Gebäude herausgeben zu können", sagt Schöne stolz.

Sammeln als Lebensaufgabe

Über die Jahre wurde für Horst Schöne das Sammeln von Baustoffen fast zur Lebensaufgabe. War er früher viel mit seinem berühmten Fahrrad im Stadtgebiet unterwegs, so fährt er jetzt im Auto die Umgebung ab. Schöne ist gut vernetzt. Wird irgendwo ein Haus oder eine Scheune abgerissen, erhält er Nachricht. Dann fährt er los, um Dachziegel und Balken vor dem Schredder zu retten.

Für den Erhalt des Welterbes

Verwendung finden die Dinge dann irgendwann in einem denkmalgeschützten Haus in Quedlinburg. Das Depot hilft, das Welterbe zu bewahren. Auf 230 Dächern wurden in den vergangenen 25 Jahren historische Dachziegel aus dem Depot verbaut – bisher 127.000 Stück. Über 700 Türen wurden ausgegeben. Sie hängen heute in über 250 Quedlinburger Häusern. Ressourcenschonend sei das, sagt Horst Schöne, vor allem aber brächten die Türen Charme in die Häuser.

Um die 50 bis 60 Anträge für eine Tür bekommt Schöne im Jahr. Über die Genehmigung zur Ausgabe entscheidet nicht er, sondern eine Arbeitsgruppe. Alle Baustoffe werden kostenlos abgegeben, aber nur an private Bauherren, nicht an Firmen.

Seit 25 Jahren sammelt Horst Schöne nun schon. Er ist 63 Jahre alt und wird in absehbarer Zeit Ruheständler. Ob er dann auch mit dem Sammeln aufhört? Wahrscheinlich wohl nicht.

Ich kann nichts wegwerfen, ich kann nicht zusehen, wenn etwas in Schutt geht, was weiter verwendbar ist.

Horst Schöne

Quelle: MDR/agz

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 09. September 2018 | 07:10 Uhr

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