Hochzeit, Jugendweihe, Einschulung Heiraten ohne Gäste – Wie Sachsen-Anhalter trotz Corona Feste feiern

29. April 2020, 17:39 Uhr

Heiraten, Jugendweihe feiern oder eingeschult werden ohne Freunde, Familie und große Feier – das droht gerade Realität zu werden. MDR SACHSEN-ANHALT hat Familien und Paare getroffen, die davon berichten, wie es sich anfühlt, sich auf die großen Feste des Lebens in Ungewissheit vorzubereiten – und wie sie trotzdem versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.

Leonard Schubert
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Norman Seidler und Doreen Kieselbach wollen heiraten – doch Corona macht alles schwierig und die große Feier muss wahrscheinlich ausfallen. Im Mai ist die Trauung im Standesamt geplant, das wird wohl klappen. Die kirchliche Hochzeit im Juli jedoch, die steht derzeit in den Sternen. "Bei allem Verständnis für die Situation und die Maßnahmen, die sicherlich richtig sind: Für uns persönlich ist da schon eine sehr große Traurigkeit, wenn die Hochzeit nicht stattfinden kann. Für uns als Paar wäre das ein Dilemma!" erzählt Norman Seidler.

Die beiden hatten ihre Hochzeit 2018 schon einmal verschoben, weil die Trauzeugin und beste Freundin der Braut an Krebs verstorben war. Sie wollten die Hochzeit jetzt mit neuer Kraft angehen. Das Ganze noch einmal zu verschieben, kommt für die beiden nicht in Frage.
Eigentlich sollten 50 Personen zur Feier kommen.

Ob das jetzt möglich ist, und falls ja, in welchem Rahmen, ist derzeit noch unklar. Auch wenn die Hochzeit stattfinden kann, wäre längst nicht alles so, wie es sich die beiden gewünscht hätten. Besonders Doreen Kieselbach, die in der Pflege arbeitet und ohnehin unter der Gesamtsituation leidet, erzählt von den vielen Plänen, die sich nicht umsetzen lassen.

Trauung mit Mundschutz und Abstand? Ohne seine Liebsten? Darauf hätten wir keinen Bock. Das wäre einfach nur traurig, an diesem Tag, der einer der wichtigsten im Leben sein soll.

Doreen Kieselbach

"Es war ja alles abgestimmt auf diesen Tag: Der Saal, die Deko, das Essen, die Streukinder. Wir haben Kärtchen und Einladungen mit Namen und Datum. Alles war geplant. Und jetzt? Man heiratet ohne Brautstrauß. Das Brautkleid hängt bei einer Freundin in Hamburg, die es nicht vorbeibringen kann. Und selbst, wenn sie es irgendwann bringen darf, kann ich es nicht mehr umnähen lassen. Die Ringe wollten wir selber machen, das dürfen wir jetzt nicht, die werden jetzt angefertigt. Über allem hängt ein großes Fragezeichen."

Das große Fragezeichen: Was tun, was ist erlaubt?

Ähnlich geht es auch Birgit Schwabe, die sich schon lange darauf vorbereitet hat, ihre Freundin zu heiraten. Als Fotografin begleitet sie normalerweise die wichtigen Momente im Leben von Menschen. Dass sie diese schönen Momente so nah miterlebt, während sie selbst jetzt nicht wie geplant wird heiraten können, betrübt sie trotz viel Optimismus und Lebensfreude.

Klar, es wird trotzdem Aufregung und Tränen geben und irgendwie wird es trotzdem schön, aber es wird nicht so, wie wir das wollten.

Birgit Schwabe

"Wir haben die ganze Deko selber gebastelt, die Burg ist gebucht, die Gaststätte, die Ausstatter, die Bäcker der Hochzeitstorte. Meine Tochter hat extra Gesangsunterricht genommen, um für uns zu singen. Die Einladungen sind lange, lange verschickt. Wir haben ganz viele Zusagen bekommen und jetzt leiden und fiebern alle mit uns mit, mit der nächsten Entscheidung der Bundesregierung. Aber auch wenn die Maßnahmen gelockert werden, was dann? Selbst, wenn wir Menschen dabei haben dürfen, ist die Freude gedämpft und die Frage bleibt: Was machen wir dann? Es sind ja dann auch viele ältere Personen dabei, die möchte man ja auch nicht anstecken."

Hochzeit ohne Eltern

Aljoscha Radacz, dessen kirchliche Hochzeit erst 2021 im Magdeburger Dom stattfinden soll, hat noch Hoffnung, dass alles wie geplant stattfinden kann. Zur standesamtlichen Hochzeit im Mai allerdings darf seine Familie aus Polen nicht anreisen. "Ich habe extra nochmal geguckt, Hochzeiten sind kein triftiger Grund. Das trifft uns natürlich, dass meine Familie, meine Eltern, bei meiner eigenen Hochzeit nicht dabei sein dürfen."

Die Hochzeit zu verschieben, hätte die beiden aber auch nicht glücklich gemacht. "Wir hatten auch schon die Ringe, inklusive Gravur, haben uns auf diesen Tag vorbereitet. Das hätte sich nicht richtig angefühlt. So ist es auch schwer. Aber wir machen das Beste daraus." Deshalb haben die beiden nun auch entschieden, die standesamtliche Hochzeit im Livestream zu übertragen. So kann die Familie dann doch irgendwie dabei sein – wenn auch nicht physisch.

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Jugendweihe - Hauptsache richtig, Hauptsache zusammen

Rosa Bauling soll bald ihre Jugendweihefeier haben. Ob die stattfinden kann, ist noch unklar. Für Rosa steht vor allem Gemeinschaft im Vordergrund. Sie berichtet, sie freue sich schon sehr auf die lange geplante Feier.

Die Jugendweihe ist für mich nochmal ein symbolischer Schritt zum Erwachsenwerden, den ich bewusst mit allen nahen Menschen verbringen will.

Im Moment wisse aber niemand, ob die Feier verschoben werden oder vielleicht runtergekürzt werden muss. Rosa könnte ganz gut damit leben, wenn die Feier verschoben wird: "So lange wir richtig zusammen feiern und beieinander sein können", sagt sie.

Unklare Vorgaben – Probleme für Veranstalter

Auch Hans-Jörg Beyerling vom großen Jugendweihe Veranstalter Jugendfeier Magdeburg e.V. wartet auf neue Beschlüsse. "Ich kann die Eltern, die wissen wollen, wie es weitergeht, und die gerne Gewissheit haben, sehr gut verstehen." sagt er. "Allerdings können wir ohne feste Beschlüsse rechtlich nur schwer etwas machen. Wenn wir ganze Feiern absagen, ohne, dass sie offiziell zu diesem Zeitpunkt verboten waren, dann müssen wir mit Schadenersatzansprüchen rechnen. Gerade ist es eben ein Planen von Woche zu Woche." Das werde noch eine große Herausforderung. Beyerling hofft, dass alle ihre gebührende Feier bekommen können.

Petition für Einschulungsfeiern

Die inzwischen abgemilderte Aussage von Reiner Haseloff, Einschulungsfeiern würden dieses Jahr wahrscheinlich ausfallen müssen, war sogar Anlass für eine Petition im Internet. Stand jetzt (29.04.2020) haben mehr als 3.500 Menschen unterzeichnet. "Die Kinder haben es verdient, diesen großen, wichtigen Tag zu feiern", sagt Melanie Herzog, Initiatorin der Petition. Sie sei natürlich auch bereit, die Feier zu verschieben oder anders stattfinden zu lassen. Die Feier ganz ausfallen zu lassen, findet sie aber falsch.

Im Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration von Sachsen Anhalt zeigt man Verständnis für dieses Anliegen, mahnt aber auch zur Besonnenheit: "Natürlich können wir diejenigen verstehen, die sich als Betroffene per Petition für Feiern aussprechen. Gerade Einschulungsfeiern sind prägend für ein jedes Schulkind und ein wichtiger Ausdruck unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Dennoch dürfen wir Erfolge beim Abflachen der Infektionskurve der vergangenen Woche nicht gefährden."

"Wenn wir uns anstecken, haben wir auch nichts gekonnt"

Stephanie Juling ist gleich in mehrfacher Hinsicht von den Einschränkungen betroffen. Die Mutter hat ein Kind, das eingeschult wird, hatte eigentlich eine Feier zur Jugendweihe geplant und kämpft als Hochzeitsplanerin auch beruflich mit Absagen, Ausfällen und Unsicherheiten. Trotzdem versucht sie, nicht aufzugeben.

Natürlich ist das alles sehr schade, vor allem für die Kinder. Aber es ist keine Katastrophe. Und es geht uns ja auch nicht alleine so.

Stephanie Juling, Mutter

Das Schlimme sei vor allem die Unsicherheit und dass man nicht planen könne. Das sei schwierig. Sie habe in dieser Hinsicht aber großes Verständnis für die Veranstalter und deren Lage. Es müssten gerade eben alle abwarten, wie sich die Lage entwickele. "Denn bei diesen Veranstaltungen sind ja auch immer ältere Leute dabei und wenn wir uns da gegenseitig anstecken, dann haben wir auch nichts gekonnt." Vielleicht könne man die Feiern im Herbst nachholen, so Juling.

Ja, es ist gerade nicht einfach. Aber irgendwie schaffen wir das!

Stephanie Juling, Mutter

Ein vorsichtiger Hoffnungsschimmer

Laut Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration ist es durchaus möglich, dass schon Anfang Mai Familienfeiern im kleinen Rahmen wieder stattfinden könnten. Dabei gelte: Angesichts der dynamischen Entwicklungen müssten die Schritt für Schritt erfolgenden Öffnungen stets sorgfältig abgewogen und dahingehend geprüft werden, ob der Gesundheitsschutz sichergestellt werden könne.

Mit anderen Worten: Abwarten und Daumen drücken.

Leonard Schubert
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Über den Autor Leonard Schubert arbeitet seit Februar 2020 in der Online-Redaktion von MDR SACHSEN-ANHALT. Seine Interessensschwerpunkte sind Politik, Umwelt und Gesellschaft. Erste journalistische Erfahrungen sammelte er beim Charles Coleman Verlag, für das Outdoormagazin Walden und beim ZDF.

Nebenher arbeitet er an seinem Masterabschluss in Friedens- und Konfliktforschung. Über den Umweg Leipzig kam der gebürtige Kölner 2016 nach Magdeburg, wo er besonders gern im Stadtpark unterwegs ist. In seiner Freizeit steht er mit großer Leidenschaft auf den Poetryslambühnen Sachsen-Anhalts oder sitzt mit einem Eisbärbier am Lagerfeuer, irgendwo in Skandinavien.

Quelle: MDR/ls

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 04. Mai 2020 | 08:10 Uhr

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