Nach Stadtrats-Entscheidung Stadtmarsch-Bebauung in Magdeburg: So geht es jetzt weiter

24. Januar 2020, 15:16 Uhr

Der Stadtrat in Magdeburg hat entschieden, dass die Planungen für ein neues Wohnviertel an der Elbe weitergehen. Ob am Ende wirklich gebaut wird, steht allerdings noch nicht fest. Reaktionen und die nächsten Schritte im Überblick.

Die umstrittenen Pläne für ein neues Wohnviertel am Stadtpark in Magdeburg sind einen Schritt weiter. Die Prüfungen für einen möglichen Bau können weitergehen. Das hat der Stadtrat am Donnerstag beschlossen – und damit einen Antrag der Fraktion Gartenpartei/Tierschutzallianz abgelehnt. Diese hatte gefordert, die Planungen auf Eis zu legen. In der Diskussion vor der Abstimmung hatten die Fraktionen noch einmal ihre Argumente für beziehungsweise gegen den Bau erklärt.

Roland Zander von der Gartenpartei warf CDU und SPD vor, Wahlversprechen – nämlich den Erhalt von Grünflächen – zu brechen. Die für den Bau vorgesehene Fläche gehöre zum Stadtpark und solle den Magdeburgern zur Erholung dienen. Außerdem gebe es in der Stadt schon jetzt zu viele Wohnungen im oberen Preisbereich.

Das ist im neuen Wohnviertel geplant

Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Wobau und die Genossenschaft MWG wollen 300 bis 400 Wohnungen errichten – direkt an der Elbe mit Blick auf den Dom.

Laut dem Stadtratsbeschluss aus dem Jahr 2018 soll es sich um ein sozial durchmischtes Wohngebiet mit hohem Grünanteil handeln. Zudem ist geplant, dass die Bürger in die Planungen einbezogen werden und dass es auf dem angrenzenden Messeplatz auch nach der Bebauung Veranstaltungen gibt.

Wobau und MWG wollen, dass das Viertel autofrei ist und ohne Energie von außen auskommt. Stattdessen sollen Sonnenenergie und Wasserkraft genutzt werden. Zudem sind Cafés und andere Treffpunkte für die Öffentlichkeit geplant.

Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) gehört zu den Befürwortern der neuen Wohnanlage. Er bat die Stadträte, dem Antrag für einen Stopp der Pläne nicht zuzustimmen. Nach der Entscheidung sprach Trümper von einer guten und vernünftigen Entscheidung. Sie gebe Zeit, offene Punkte in Ruhe zu prüfen – etwa wie es um die Lärmbelastung in dem Gebiet stehe. Das Areal liegt in direkter Umgebung mehrerer Veranstaltungsorte, darunter dem Messeplatz und dem Yachthafen. Trümper ist vom Bau dennoch überzeugt:

Es ist eine Bebauung an einer wirklich einmaligen Stelle. Man hat einen idealen Blick auf die alte Stadt-Silhouette und kann Terrassen schaffen, die in der Abendsonne liegen – das ist eine Situation, die bombastisch ist.

Oberbürgermeister Lutz Trümper

Pläne noch mindestens zwei Mal im Stadtrat

Ob der Bau irgendwann tatsächlich umgesetzt wird, ist aber noch offen. Trümper zufolge wird nun erstmal ein Bebauungsplan entworfen – also ein Plan, der zeigt, wie das Areal bebaut und genutzt werden könnte. Dann ist der Stadtrat wieder dran, der Entwurf muss beschlossen werden. Danach wird er öffentlich ausgelegt, Bürger können ihre Einwände einbringen. Im Anschluss werden die Meinungen abgewogen und der Stadtrat befasst sich erneut mit den Ideen.

Frühestens Ende 2021 könnte es dann Baurecht für Wohnungen geben, so Trümper. Ob dann gleich losgelegt wird, hängt demnach auch davon ab, wie weit weitere Vorhaben im Umfeld bis dahin vorangekommen sind – etwa die Sanierung von Stadthalle und Hyparschale sowie der Bau der neuen Strombrücke. Wobau und MWG peilen den Baustart bisher für 2023 an. Bevor die Arbeiten starten können, müssen auch erst einmal Strom- und Wasserleitungen verlegt werden.

Bürgerinitiative macht weiter

Die Wohnungsunternehmen Wobau und MWG zeigten sich im Anschluss an die Entscheidung erfreut. Das Projekt habe eine wichtige Hürde genommen.

Die Bürgerinitiative "Rotehornpark retten", die die Pläne ebenfalls ablehnt, will dagegen nicht aufgeben. Sie fordert, dass auf der für den Bau vorgesehenen Fläche neue Bäume gebaut werden.

Die Rotehorninsel würde durch die Bebauung ihren Charakter verlieren. Wir wollen, dass die Fläche als Landschaftspark entwickelt wird. Wohnungen passen da nicht rein.

Renate Fiedler, Bürgerinitiative "Rotehornpark retten"

Kommende Woche berät die Bürgerinitiative, wie sie weiter vorgeht.

Antworten auf Fragen unserer Nutzer

Dass die geplante Stadtmarschbebauung in Magdeburg für Diskussionen sorgt, zeigen regelmäßig auch die Kommentare, die wir unter unseren Artikeln zum Thema bekommen.

Wir haben Fragen unserer Nutzer an Wobau-Geschäftsführer Peter Lackner weitergegeben:

Wie soll das neue Wohnviertel genau aussehen?

Peter Lackner, Geschäftsführer Wobau: Es sollen 300 bis 400 Wohnungen entstehen auf fünf bis sechs Etagen. Im unteren Bereich sind gewerbliche Einheiten geplant. Etwa Cafés oder auch ein Fahrradshop, in dem man sein Fahrrad reparieren lassen kann. Das Viertel soll ein öffentlicher Bereich werden. Über dem gewerblichen Bereich sind dann Wohnungen die Wohnungen geplant, die auch zur Belebung des Quartiers beitragen.

Das Quartier ist autofrei geplant – wie soll das konkret funktionieren?

Peter Lackner, Geschäftsführer Wobau: Wer ein eigenes Auto hat, kann das generell natürlich nutzen. Wir wollen aber im Quartier keine Autos haben. Das heißt: Da ist dann ein Parkhaus, das am Messeplatz gebaut wird und da können Mieter ihre Autos hineinstellen.

Das Viertel soll sozial durchmischt sein. 20 Prozent der Wohnungen sollen für Haushalte mit geringerem Einkommen zur Verfügung stehen. Wie lange bleibt das so?

Peter Lackner, Geschäftsführer Wobau: Für immer, d.h. für die wirtschaftliche Abschreibungsdauer eines Gebäudes (40 bzw. 50 Jahre). Es werden einkommensschwache Haushalte an der Elbe wohnen können. Ihre Mieten entsprechen den KdU-Sätzen, den "Kosten der Unterkunft", die für Geringverdiener vom Amt übernommen werden. Diese Sätze passen sich im Laufe der Jahre natürlich auch an den Markt an. Aber wenn der KdU-Satz in Magdeburg beispielsweise sechs Euro beträgt, wird eine Etage im Wohnhaus zu sechs Euro pro Quadratmeter vermietet und die anderen vier Etagen für marktübliche Mieten. Im Durchschnitt können an dieser Stelle so neun bis zehn Euro erzielt werden. Wir halten das bei dieser Lage mit Blick auf den Dom für schaffbar. In Neu Olvenstedt oder Reform beispielsweise würde das dagegen nicht funktionieren.

Warum sollen am Kleinen Stadtmarsch überhaupt neue Wohnungen gebaut werden, obwohl es Leerstand in Magdeburg gibt?

Peter Lackner, Geschäftsführer Wobau: Wir haben relativ viel Leerstand in Plattenbaugebieten. Da möchten natürlich nicht alle wohnen. Das Grundsatzproblem ist, dass das Angebot nicht der Nachfrage entspricht. Viele Menschen wünschen sich ein anderes Zuhause als zu DDR-Zeiten. Die einfache Sanierung einer Platte reicht da nicht aus.

Kommt es zur Bebauung, soll es auf dem Messeplatz weiterhin Veranstaltungen geben. Das bedeutet Lärm. Wie wollen Sie sicherstellen, dass beide Seiten – Veranstalter und Mieter – zufrieden sind?

Peter Lackner, Geschäftsführer Wobau: Wir lösen das konstruktiv. Gegenüber des Messeplatzes soll ja ein Parkhaus mit etwa 400 Stellplätzen entstehen, das auch als Schallschutz dient. Bisher wird am Messeplatz oft "wild geparkt". Das Parkhaus könnte auch dieses Probleme lösen, indem wir auch für Besucher von Veranstaltungen oder des Stadtparkes Parkmöglichkeiten anbieten. 

Die neuen Wohngebäude sollen sich selbst mit Strom versorgen können. Wie kann man sich das vorstellen?

Peter Lackner, Geschäftsführer Wobau: Wir haben mit Professor Timo Leukefeld einen Spezialisten gefunden, der im Bereich alternative Energien und Energieautarkie führend ist. In der jetzigen Phase brauchen wir allerdings erstmal einen Bebauungsplan bzw. das "Go" zum Bauen. Wir haben aber einige Referenzobjekte in Erfurt und Cottbus. Wir haben jetzt die Chance, das erstmalig als Gesamtkonzept zu bauen und nicht als Einzelhaus.

Was wir wollen, ist ein Quartier, das den neuen Anforderungen entspricht. Also Null-Energie-Haus, und dass wir zum Beispiel auch Quartiers-Autos anbieten. Diese Autos sollen über regenerative Energien geladen werden und den Mietern zur Verfügung stehen.

Für die Fläche war früher einmal der Bau eines Medienzentrums vorgesehen. Dafür gibt es auch Baurecht, für den Bau von Wohngebäuden allerdings noch nicht. Wo genau liegt da der Unterschied?

Peter Lackner, Geschäftsführer Wobau: Eine Gewerbe-Einheit hat zum Beispiel andere Anforderungen an den Lärm-/Schallschutz. Gegenüber dem Messeplatz gewerbliche Einheiten zu bauen wäre relativ einfach, weil die Bedingungen geringer sind. Bei Wohngebieten ist das technisch schwieriger zu lösen – aber auch möglich, wir haben das ja untersucht.

Wie steht es um den Hochwasserschutz in dem Gebiet?

Peter Lackner, Geschäftsführer Wobau: An der Stelle gab es noch nie Hochwasser, weil das Areal höher liegt als die Fläche des Stadtparks – durch die Auffahrt zur Brücke, die es dort gibt. Wir würden sogenannte "Opfer-Geschosse" einbauen, die bei Hochwasser überflutet werden. Da könnte man regulär Fahrräder unterstellen. Und wenn es zu einer Überflutung kommen sollte – was ich nicht glaube – würde das Geschoss dazu führen, dass die Situation unproblematisch bleibt. Darüber hinaus ist das Areal durch seine höhere Lage hochwassersicher.

Was passiert mit verbliebenen alten Bäumen auf dem Gelände?

Peter Lackner, Geschäftsführer Wobau: Die Fläche war früher schon einmal bebaut, da standen in der Vergangenheit Häuser. Da kann ein Baum heute höchstens 70 Jahre alt sein, das sind an der Stelle keine 100 Jahre alten Bäume. Das sind Fehlinformationen. Es sind also sehr wenige alte Bäume vorhanden – und die kann und sollte man schützen und in das Gesamtkonzept einbauen.

Über die Autorin Kalina Bunk arbeitet seit 2015 für MDR SACHSEN-ANHALT – in der Online- und in der Hörfunkredaktion. Sie schreibt für mdrsachsenanhalt.de, verfasst und spricht die Nachrichten im Radio und ist als Reporterin im Land unterwegs. Aufgewachsen ist sie in Bremen. Dort und in Madrid studierte sie Kulturwissenschaft und Germanistik. Danach war sie für mehrere private Radiosender in Bremen und Berlin tätig. An der Arbeit als Redakteurin fasziniert sie, dass jeder Arbeitstag anders aussieht und dass man täglich etwas Neues dazu lernt.

Quelle: MDR/kb

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 24. Januar 2020 | 06:30 Uhr

3 Kommentare

Grosser Klaus am 26.01.2020

Ich muss sie korrigieren, ich denke in jeder Stadt deren Bevlkerung wchst, sinkt der Grnflchenanteil massiv, dies ist nicht nur in Magdeburg.
Weil sie von Jena geschrieben haben, in Jena ging es in der Abstimmung um die Eichplatzbebauung und es stand nur zur Auswahl, ob der Platz nach dem Entwurf der Stadt bebaut wird oder nicht. Die damalige Stadtregierung hat einer Abstimmung nur zugestimmt, weil sie in ihrem Größenwahn und Überheblichkeit nicht erstellen konnte das die Bebauung abgelehnt werden würde, was dann zum Glück auch geschah.

Was ebenfalls nicht nur in Magdeburg so ist, es gibt keine Grundsätze für Stadtentwicklung, es existieren kaum Stadtentwicklungskonzeptionen, der zuständige Stadtentwicklungsdezernent ist nicht vom Fach.

Realist62 am 25.01.2020

Den obigen Beitrag kann man nur zustimmen. So sind eben viele Menschen im Kapitalismus. Mögen diese Herrn Lackner und Trümper gewisse Träume haben, so wird es doch dann zeigen, wie ihre Träume ausfallen. Auch wenn ich nichts mit den Gegnern hier von Trümper un Co. am Hut habe, so wünsche ich den Bebauungsgegnern in dieser Sache viel Glück im ihren Aktionen.

ottovonG am 24.01.2020

Es geht doch nur um die Veschärbelung des Tafelsilbers. Viele Kleingärten hat die Stadt schon geshliffen und so dem städtischen Klima geschadet. Ihre Großbaustellen bekommt sie nicht fertig und umwelttechnsich hat Herr Trümper die Note 6 verdient, es interessiert ihn auch nicht. Sicher gibt es da auch persönliche Verflechtungen über Aufsichtsratsposten bei der Wobeu. Mit sozialer Bebauung hat das im Stadtpark nichts zu tun, es geht nur um Luxuswohnungen, Bestlagen und Kohle. Die Stadt hat in den letzten Jahren tausende Bäume eingebüst und ist in vielen Teilen eine hässliche Steinwüste. Die grünste Stadt Deutschlands, dass muss lange her gewesens sein. Junge Leute zieht es nach Leipzig, Halle, Erfurt usw. . Da ist die Lebensqualität durch Radwege und nachhaltige Stadtentwicklung auch besser.
In einer Demokratie würde man eine Abstimmung in der Stadt durchführen, schließlich geht es um ein Gemeingut. In Jena ist es mit dem Holzmarkt so geschehen, auch wenn das Resultat nicht alle freute.

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