Blick über den Hasselbachplatz mit seinen kreuzenden Straßenbahnschienen hinein in die Sternstraße.
Trotz riesiger Bemühungen der Läden und Gastronomen haben viele Innenstädte und Ausgehviertel nicht erst seit Corona mit Problemen zu kämpfen. Bildrechte: MDR/Leonard Schubert

Stadtplanung Urbanistikforscher im Interview: Warum Städte um ihre Zentren kämpfen sollten

22. November 2020, 18:00 Uhr

Weltweit kämpfen Stadtzentren ums Überleben. Auch Magdeburg hat Probleme. Der Urbanistikforscher Frank Eckardt meint: Städte sollten alles tun, um ihren Innenstädten zu helfen. Im Interview mit MDR SACHSEN-ANHALT spricht er über Gründe für den Niedergang von Stadtzentren, die Bedeutung der Innenstädte und mögliche Ansätze für eine Besserung der Lage.

Weltweit haben Städte damit zu kämpfen, dass ihre Zentren kaputt gehen. In Sachsen-Anhalt ist das nicht anders. In Magdeburg bezahlt die Stadt nun bereits zum zweiten Mal eine Stadtteilmanagerin, die den Hasselbachplatz, die Ausgehmeile der Stadt, unterstützen soll.

Frank Eckardt ist Stadtforscher und Professor an der Bauhaus-Universität in Weimar. Er beschäftigt sich unter anderem mit der Auswirkung von Globalisierung und forscht dazu, wie Stadtarchitektur und Städteplanung mit der gesellschaftlichen Entwicklung zusammenhängt. Dazu untersucht er beispielsweise, wie Bürgerinnen und Bürger an Stadtkonzepten beteiligt werden können.

MDR SACHSEN-ANHALT hat mit ihm über die Situation der angeschlagenen Stadtzentren und speziell über den Hasselbachplatz in Magdeburg gesprochen.

MDR SACHSEN-ANHALT: Welche Funktionen übernehmen Ausgehviertel in Städten?

Frank Eckardt: Ausgehviertel schaffen in der Gastronomie, der Kultur und in den weiteren Dienstleistungen viele Arbeitsplätze. Sie sind darüber hinaus für viele Menschen ein wichtiger Ort für die Freizeitgestaltung und für das Kennenlernen anderer Menschen oder das Sich-Treffen mit Freunden und Familie. In vielen Städten schaffen sie zudem eine Atmosphäre von Offenheit und Entspannung, die viele Menschen sehr genießen.

Was kann passieren, wenn Ausgehviertel und Zentren schließen?

Für viele Städte ist das inzwischen tatsächlich ein großes Problem und dies war auch schon vor Corona zu beobachten. Dadurch verlieren Städte an Attraktivität, weshalb Menschen sich weniger in der Stadt zu Hause fühlen, abwandern möchten oder erst gar nicht eine Arbeitsstelle dort annehmen möchten. Die meisten Menschen möchten sich mit ihrem Stadtzentrum identifizieren, auch wenn sie dort nicht unbedingt wohnen wollen.

Ist das Aussterben der Innenstädte und der Niedergang von Ausgehvierteln ein häufiges Phänomen in den letzten Jahren? Gibt es typische Ursachen?

Frank Eckardt, ein Mann Mitte 50 mit weißem Hemd, schaut in die Kamera. Er ist Stadtforscher, derzeit an der Uni Weimar.
Frank Eckardt ist Professor an der Universität Weimar. Er forscht an der Entwicklung von Städten und hat einen Fokus auf die gesellschaftliche Perspektive. Bildrechte: Frank Eckardt

Es gibt eine Reihe von Ursachen, die hierfür zu benennen sind. Klassische Einzelhandelsfunktionen, insbesondere große Kaufhäuser, werden heutzutage nicht mehr von jüngeren Menschen so geschätzt wie früher. Das hat auch mit dem Online-Handel zu tun. Viele Stadtzentren haben es nicht geschafft, ihr Angebot zu innovieren und neue Gründe zu schaffen, warum man sich dort aufhalten soll.

Teilweise wurden hier städtebauliche Sünden begangen, weil die Aufenthaltsqualität von Innenstädten gegenüber ästhetischen Architekturkonzepten keine Rolle spielte. Vielen Städten fehlt aber auch die Kaufkraft der Bürger, die eine Nachfrage nach anspruchsvolleren Angeboten in den Zentren schaffen könnte.

Sollten Städte sich darum kümmern, diese Zentren zu erhalten?

Auf jeden Fall sollten Städte alles tun, damit ihre Innenstädte attraktiv, zugänglich und interessant bleiben. Für viele Menschen ist das Stadtzentrum nach wie vor der Ort, der ihnen viel bedeutet und wo sie gerne hingehen möchten.

Wie können Stadtzentren wiederbelebt werden?

Es wird für die Wiederbelebung von Stadtzentren kein Patentrezept geben. Städte tun hingegen gut daran, ihren Bürgern und Bürgerinnen zuzuhören, welche Bedürfnisse und Wünsche diese haben. Stadtplanung würde dann zu der Kunst werden, um diese Erwartungen mit den vorhandenen Mitteln umzusetzen. 

Die Fragen stellte Leonard Schubert.

Quelle: MDR/ls

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 01. Dezember 2020 | 09:30 Uhr

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