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Für die Sparkassen in Sachsen-Anhalt sind die Negativzinsen eine Herausforderung. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/onw-images

Wenn Sparkassen sparen müssen Wie Sparkassen in Sachsen-Anhalt mit Negativzinsen umgehen

16. Dezember 2019, 09:37 Uhr

Minus 0,5 Prozent: Negativzinsen machen Banken und Sparern in Deutschland zu schaffen. Denn Sparbeträge verlieren dadurch an Wert, das Geldanlegen verursacht Kosten – die am Ende womöglich der Sparer tragen muss. Wie die Sparkassen in Sachsen-Anhalt versuchen, gegenzusteuern.

Maria Hendrischke
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Wer sein Geld längerfristig auf die Bank bringt, profitierte lange von einer Verzinsung, die die Sparbeträge größer werden ließ. Bei Sparbüchern beispielsweise lagen die Zinsen 2008 nach Daten der Deutschen Bundesbank bei durchschnittlich 2,5 Prozent – zehn Jahre später, 2018, dagegen nur noch bei 0,2 Prozent. Auf den meisten Girokonten wird das Geld mittlerweile gar nicht mehr verzinst – und bei einigen Banken sind die Zinsen sogar ins Negative gerutscht.

Der Hintergrund dieser Entwicklung: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den sogenannten Leitzins kürzlich auf minus 0,5 Prozent gesenkt. Bereits seit Sommer 2014 liegt die Verzinsung im negativen Bereich – Banken sollen dadurch angehalten werden, in bestimmten europäischen Ländern mehr Kredite zu vergeben. Die Zinssätze der EZB gelten direkt nur für Kreditinstitute, die überschüssiges Geld bei der EZB hinterlegen wollen. Doch indirekt beeinflusst der EZB-Leitzins auch die Zinsen, die etwa Sparkassen ihren Kunden anbieten können: Diese werden immer niedriger, was Ersparnisse nicht mehr wachsen lässt. Im Gegenteil: Wegen der Inflation verliert das Geld über die Zeit sogar an Wert.

Negativzinsen betreffen auch Sparer in Sachsen-Anhalt

Das gilt auch für die Sparkassen in Sachsen-Anhalt, die laut Ostdeutschem Sparkassenverband mehr als 1,5 Millionen Privatkunden haben – das sind gut zwei Drittel der Landesbevölkerung.

Der Vorsitzende der Saalesparkasse, Jürgen Fox, sagt MDR SACHSEN-ANHALT, dass die Zinsen der EZB eine der Hauptertragsquellen der deutschen Kreditinstitute gewesen seien, insbesondere der Regionalbanken wie Sparkassen und Volksbanken. Doch heute gebe es bei dieser Ertragsquelle durch die niedrigen bis negativen Zinsen große Einbußen. Wie versuchen die Sparkassen in Sachsen-Anhalt, diese Einbußen auszugleichen?

Der öffentliche Auftrag der Sparkassen

Sparkassen sind besondere Banken. Sie sind sogenannte öffentlich-rechtliche Kreditinstitute. Was sie von privatrechtlichen Banken unter anderem unterscheidet: Sparkassen haben einen öffentlichen Auftrag, der in §2 des Sparkassengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt festgehalten ist. Zum Auftrag der Sparkassen gehört:

  • Wettbewerb im Kreditgewerbe stärken
  • Ihre Leistungen unter Berücksichtigung der Markterfordernisse für die Bevölkerung, Wirtschaft und öffentliche Hand erbringen
  • Sparen und Vermögensbildung fördern


Vom Überschuss, den Sparkassen erwirtschaften, soll ein Teil laut Sparkassengesetz in gemeinnützige Zwecke fließen.

Personalabbau und Umstellung auf andere Ertragsquellen

Die Saalesparkasse ist mit 230.000 Kunden die größte Sparkasse in Sachsen-Anhalt. Der Vorsitzende Fox sagt, dass die Saalesparkasse bereits vor Jahren wegen der Niedrigzinsen Maßnahmen ergriffen habe. Ziel: Kosten sparen, aber bei Punkten, die nicht den Kunden treffen. So habe die Saalesparkasse versucht, effizienter zu werden, habe einzelne Angebote eingestellt und sozialverträglich Personal reduziert, zählt Voß auf.

Wir haben zuerst versucht, nur das zu machen, was uns betrifft und keine Folgen für die Kunden hat.

Jürgen Fox, Vorsitzender der Saalesparkasse

Zudem seien die Ertragsquellen auch auf Immobilieninvestitionen und -fonds umgestellt worden. "Für uns ganz wichtig: Wir haben zuerst versucht, nur das zu machen, was uns betrifft und keine Folgen für die Kunden hat." Doch danach habe die Saalesparkasse auch auf Maßnahmen zurückgegriffen, die den Kunden direkt betroffen hätten, so Fox. Beispielsweise seien Prämiensparverträge gekündigt und die Giropreise erhöht worden.

Negativzinsen für Unternehmen und Kommunen – und erste Privatkunden

Inzwischen erhebt die Saalesparkasse bei Konten von Unternehmen und Kommunen Negativzinsen, sobald mehr als 250.000 auf dem Konto liegen. Lange Zeit hatte es laut Voß keine Obergrenze für Kommunen gegeben, auf den Konten der Unternehmen durften bis zu einer Million Euro liegen, ohne dass "Strafzinsen" fällig wurden. Doch das habe zur Folge gehabt, dass viele von Wettbewerbern ihr Geld zur Saalesparkasse gebracht hätten, erzählt Fox. "Das Geld zinstragend anzulegen, war eine Herausforderung." Daher nun die niedrigeren Freibeträge.

Fox will vermeiden, die Negativzinsen auch auf die Privatkunden der Saalesparkasse umzulegen. "Wir können aber keine Aussage treffen, wie lange das gelingen wird." Die Kreissparkasse Stendal und die Volksbank Magdeburg dagegen haben sich bereits zu diesem Schritt entschlossen. Von Neukunden verlangt die Sparkasse Stendal ein sogenanntes Verwahrentgeld für Erspartes, das auf einem Tagesgeldkonto hinterlegt wird. Diese Gebühr wird ab dem ersten angelegten Cent fällig. Die Volksbank Magdeburg erhebt ab 75.000 Euro auf dem Tagesgeldkonto "Strafzinsen".

Sparkassen müssen Filialen schließen

Auch Filialschließungen aufgrund der gestiegenen Geschäftskosten hat es bei Sparkassen in Sachsen-Anhalt schon gegeben. Jüngstes Beispiel: Im Harz hatte die Sparkasse in Neinstedt am Freitag, den 13. Dezember, zum letzten Mal geöffnet. Dann fährt ein Sparkassenbus dreimal pro Woche den kleinen Ort bei Thale an. So können die Neinstedter Sparkassenkunden weiterhin grundlegende Bankgeschäfte wie Geld abheben vor Ort erledigen. Etwa 80 Bewohner von Neinstedt hatten im November gegen die Schließung der Filiale protestiert. Erfolglos.

Zahl der Sparkassen in Sachsen-Anhalt

In Sachsen-Anhalt gab es 2018 nach Angaben des Ostdeutschen Sparkassenverbands 13 Sparkassen mit insgesamt 304 Geschäftsstellen. Diese Zahl ist nach den Jahresberichten des Ostdeutschen Sparkassenverbands geschrumpft: 2015 etwa waren es noch 362 Geschäftsstellen.

Die Sparkasse beschäftigt auch weniger Mitarbeiter. Hatten die Sparkassen in Sachsen-Anhalt 2015 noch 5.140 Mitarbeiter, so war diese Zahl 2018 auf 4.545 zurückgegangen.

Die Saalesparkasse hat laut Fox versucht, Filialschließungen zu vermeiden. Momentan seien auch keine in Planung. In wenigen Fällen seien zwei Filialen zu einer zusammengelegt worden. Außerdem seien zwei Sparkassenbusse als mobile Filialen in Betrieb gegangen – obwohl die Busse wirtschaftlich ein Zuschussgeschäft seien. Der Sparkasse sei es wichtig, in der Region beheimatet zu bleiben und auf diese Weise einen Mehrwert gegenüber anderen Banken zu schaffen, erklärt Fox.

Sparen durch Zusammenarbeit

Die Sparkasse Jerichower Land wiederum hat sich für einen noch anderen Weg entschieden, um Kosten zu sparen. Die Sparkasse will ihre Eigenständigkeit aufgeben und erwägt, sich der Sparkasse Stendal anzuschließen. Beim Zusammenschluss sollen Syngergieeffekte genutzt werden, sagte der Vorsitzende des Verwaltungsrates der Sparkasse Jerichower Land, Steffen Burchhardt (SPD), MDR SACHSEN-ANHALT. Für die Kunden solle die Fusion keine Auswirkungen haben: Die Filialen würden erhalten bleiben und an den Angeboten der Sparkasse werde sich nichts ändern.

Kooperationen mit anderen Sparkassen schließt auch der Vorsitzende der Saalesparkasse nicht aus. Eine Fusion müsse es aber nicht sein: "Man kann auch schauen, ob man bestimmte Aufgabenbereiche, die alle Sparkassen gleichermaßen zu erledigen haben, im Verbund mit anderen erledigt", sagt er. Die Kooperationen könnten durch sparkassenübergreifende Standadisierungen dazu beitragen, weiter Kosten zu sparen: "Ein Verfahren für eine Kontoeröffnung reicht. Was sich jetzt als einzelne Maßnahme so klein anhört, kann im Verbund mit um die 400 Sparkassen und dem Verbandsrechenzentrum dazu führen, dass beträchtliche Kostenbeträge eingespart werden können."

Keine Lockerung der Kreditvergabe

Auch wenn es für Sachsen-Anhalter, die Geld zum Beispiel auf dem Sparbuch zurücklegen wollen, schlechte Zeiten sind: Die Negativzinsen sind vorteilhaft für Menschen, die etwa für den Hausbau einen Kredit aufnehmen wollen. Die Saalesparkasse gebe derzeit schon Baufinanzierungskredite mit unter einem Prozent Zinsen heraus, sagt Fox. Trotzdem sollten die Kreditvergabestandards und Investitionsanforderungen keineswegs gelockert werden, ergänzt er. Denn das sei äußerst riskant.

Die Negativzinsen bedeuteten für die Sparkassen einen Wegfall ihrer Geschäftsgrundlage, sagt Fox. Er sehe die Sparkassen dennoch in einer grundsätzlich guten Position. Aber: "Der Handlungsrahmen, in dem wir uns befinden, ist eine echte Herausforderung."

Maria Hendrischke
Bildrechte: MDR/Jörn Rettig

Über die Autorin Maria Hendrischke arbeitet seit Mai 2017 als Online-Redakteurin für MDR SACHSEN-ANHALT - in Halle und in Magdeburg. Ihre Schwerpunkte sind Nachrichten aus dem Süden Sachsen-Anhalts, Politik sowie Erklärstücke und Datenprojekte. Ihre erste Station in Sachsen-Anhalt war Magdeburg, wo sie ihren Journalistik-Bachelor machte. Darauf folgten Auslandssemester in Auckland und Lissabon sowie ein Masterstudium der Kommunikationsforschung mit Schwerpunkt Politik in Erfurt und Austin, Texas. Nach einem Volontariat in einer Online-Redaktion in Berlin ging es schließlich zurück nach Sachsen-Anhalt, dieses Mal aber in die Landeshauptstadt der Herzen – nach Halle. Ihr Lieblingsort in Sachsen-Anhalt sind die Klausberge an der Saale. Aber der Harz ist auch ein Traum, findet sie.

Quelle: MDR/mh

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 14. Dezember 2019 | 19:00 Uhr

4 Kommentare

Schulle am 15.12.2019

@Britta.Weber: Japan hat sehr wohl Negativ-Zinsen, schon sehr lange. Googeln Sie das einfach mal! Dort sind tatsächlich auch Kleinsparer davon betroffen. Und auch in der Schweiz gibt es seit einiger Zeit negative Zinsen. Allerdings ist man dort konsequenter, einige Kantonalbanken vergeben immerhin auch Kredite zu negativen Zinsen. Informieren, dann lamentieren... !

Britta.Weber am 15.12.2019

Ich bin zwar nicht Bernd, aber habe auch große Bedenken an der EZB-Politik, die eine verdeckte Staatsfinanzierung bedeutet. Deutschland haftet zu 27% für fremde Schuldpapiere, Schweiz und Japan nicht. Die haben auch keine Negativzinsen.

hagvtr am 15.12.2019

Wenn das so wäre, gilt diese Begründung dann auch für die Schweiz, Schweden oder Japan?
Und warum geht die Masse des EZB Einkaufs in deutsche und holländische Assets?

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