15. Januar: Am 20. Januar geht die Welt unter (zumindest in den Medien)

Weltuntergangsphantasien sind selbst bei Sektenführern nicht mehr beliebt: Und doch ist seit der US-Wahl bei vielen deutschen Medien Endzeitstimmung angebrochen. Warum eigentlich, fragt unser Kolumnist Uli Wittstock.

In der biblischen Apokalypse, also dem berühmten Text über das Ende der Welt, sind es vier Reiter, die das letzte große Gefecht von Gut gegen Böse einleiten, ein Gottesgericht, das schlussendlich Gerechtigkeit und immerwährenden Frieden bringen wird. Möglicherweise aber irrt die Bibel und es gibt nur einen apokalyptischen Reiter, der ohne Helm und Pferd unterwegs ist, dafür aber mit markanter Frisur und einem wirkmächtigen Twitter-Account.

Denn wenn es nach einem großen deutschen Nachrichtenmagazin geht, dann ist der neue US-Präsident Donald Trump jene Endzeitfigur, mit welcher "das Ende der Welt wie wir sie kennen" eingeläutet wurde. Und obwohl seit der Wahl inzwischen acht Wochen vergangen sind, wirkt die Diskussion über Ursachen und Folgen von Trumps Wahlsieg noch immer nicht abgeklärter.  

Welche Welt geht da eigentlich zu Ende?

Allerdings stellt sich die Frage, welche Welt da eigentlich zu Ende geht, und wer jenes mysteriöse Wir ist, von dem behauptet wird, dass es mit jener untergehenden Welt bekannt sei. Ist das jenes Wir, das in Dresden bei den Pegida-Demonstrationen beschworen wird, wenn psalmodiert wird: "Wir sind das Volk"? Oder ist es jenes Wir, welches Bundeskanzlerin Merkel bemühte, als sie in ihrer letzten Neujahrsansprache mit dem Blick auf den Terror feststellte: "Wir sind frei, mitmenschlich, offen." Oder vielleicht fühlt sich ja auch dieses Wir angesprochen, das Frauke Petry in ihrer Neujahrsansprache wählte: "Auch wir wollen unser Land zurück. Wir wollen es zurück von der Merkel-Regierung, bevor sie es mit ihrer grotesken Politik ruiniert hat."

In unserer "Ich"-Gesellschaft scheint es ziemlich schwer zu sein, unvoreingenommen mit dem Begriff Wir zu argumentieren, denn wer Wir sagt, dürfte damit ideologisch noch nicht einmal die Gesamtheit seiner Facebook-Freunde erreichen. Bei einer nächsten Rechtschreibreform erscheint es angebracht, dieses Personalpronomen zu streichen und sinnvollerweise durch die zweite Person Plural zu ersetzen, also vom Wir zum Ihr, was zudem nur konsequent wäre, denn das abgrenzende Ihr entspricht ja sehr viel mehr der gegenwärtigen politischen Kommunikation: "Ihr Gutmenschen, ihr Nazis, ihr Veganer, ihr Moslems, ihr Wessis…"

Überraschende Haken

Gelegentlich höre ich im Gespräch mit Ostdeutschen meiner Generation auch eine gewisse Häme heraus, nach dem Motto: "Jetzt hat auch der Westen seinen großen Bruder verloren" und so ganz von der Hand zu weisen ist die Wahrnehmung ja nicht, denn dass die Welt, die man zu kennen glaubt, plötzlich verschwindet, hat sich tief in die ostdeutsche Selbstwahrnehmung eingebrannt.

Solche epochalen Veränderungen gäbe es jedoch nur alle zwei bis drei Generationen, hieß es damals zur allgemeinen Beruhigung. Möglicherweise war das ein Fehlurteil. Aber fest steht zumindest, dass die politischen Entwicklungen derzeit mitunter ziemlich überraschende Haken schlagen. Es scheint so, als ob sich parallel zur Beschleunigung von Wissen und Technologie auch Geschichte beschleunigen würde, Historie und Hysterie sich immer stärker annäherten, was natürlich, konsequent gedacht, auch nur in eine Apokalypse führt.

Dass allerdings jene alte (atlantische) Welt des Westens sich ändern wird, kann auch nach den jüngsten Auftritten von Donald Trump als sicher gelten. Eine große deutsche Tageszeitung wusste zu berichten, dass im NATO-Hauptquartier schon an Krisenplänen gearbeitet würde, sollten die USA ihren atomaren Schutz zurückfahren. Dann müssten es die Europäer in Zukunft selber richten und allen voran die Bundesrepublik.

Atomkriegerische Habenichtse

Aber gesetzt den Fall, Deutschland würde tatsächlich in die Führungsrolle schlüpfen einer wie auch immer zu definierenden "freien westlichen Welt", wer eigentlich nähme diese exportverliebten Deutschen ernst, angesichts der Tatsache, dass sie atomkriegerische Habenichtse sind? Und atomare Hilfe von den Franzosen und Briten sei  nicht zu erwarten, so die Autoren des Artikels. Und auch Bundespräsident Gauck, der einst als Pastor Frieden predigte, sah sich unlängst bei einer Reise nach Japan genötigt, seiner Hoffnung Ausdruck zu verleihen, "dass in unseren Ländern das Zutrauen wächst, uns verteidigen zu können, wo andere nicht für uns eintreten". Kanonen statt Sushi also und wirklich bemerkenswert ist, dass solche Äußerungen hierzulande kaum noch für Aufsehen sorgen.

Der Sieg von Donald Trump beflügelt aber auch die Herrschaftsphantasien der AfD und das wundert nicht, denn zunächst scheint man in vielen Punkten ideologisch nicht allzuweit voneinander entfernt zu sein. Allerdings ist es viel zu früh, um wirklich einschätzen zu können, in wieweit Trump seine Ankündigung "America First" umsetzten kann. Dies betrifft insbesondere das Versprechen, verlorene Industriearbeitsplätze in die USA zurück zu holen.

Erste Versuche per Twitter startete Trump schon und das mit scheinbarem Erfolg, denn die Autobauer Toyota und General Motors knickten schnell ein, als Trump in 140 Zeichen aus seinem Handy mit Strafzöllen drohte, sollten die Firmen ihre neuen Fabriken wie geplant in Mexiko errichten. Schnell erklärten die Unternehmen sich bereit, auch in den USA zu investieren.

Das Trumpsche Menschenbild

Aber die wirkliche wirtschaftliche Herausforderung liegt möglicherweise ganz woanders. Der chinesische Online-Händler Alibaba erfand vor einigen Jahren den sogenannten Singles' Day, einen Sonderverkauf, der jedes Jahr am 11.11. stattfindet. Nur wenige Stunden nach der Wahl von Donald Trump konnte Alibaba voller Stolz einen neuen Umsatzrekord vermelden, nämlich Verkäufe im Wert von einer Milliarde Dollar innerhalb der ersten fünf Minuten.

Insgesamt gaben die chinesischen Konsumenten am Singles' Day in 24 Stunden mehr aus, als die US-Amerikaner an den fünf einkaufsstarken Tagen von Thanksgiving bis zum Cyber Monday. Vor diesen Herausforderungen stellt sich Frage, unter welchen Bedingungen es überhaupt möglich wäre, sich aus den globalen Wirtschaftsströmen auszuklinken. Sollten aber die Versprechen auf einen Revitalisierung der US-Industrie nicht funktionieren, bietet sich für egozentrische Machthaber wie Donald Trump immer noch die Möglichkeit, Schuldige auszumachen und nach allem, was man über das Trumpsche Menschenbild vermutet, gibt es da eine Vielzahl von Verdächtigen. Das freilich macht den Ausblick nicht gerade optimistischer.

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