Alkohol fast rund um die Uhr Magdeburg: Sorgen Spätis am Hasselbachplatz für Unruhe?

12. Februar 2020, 16:47 Uhr

Der Späti ist ein Relikt aus DDR-Zeiten und heute Kiez-Treffpunkt. Auch am Magdeburger Hasselbachplatz ist das so. Doch für Oberbürgermeister Lutz Trümper sind die kleinen Shops dort auch eine Ursache für Probleme.

Das Wegbier zum Ausgehen. Die Butter fürs Sonntagsfrühstück. Der Plausch unter Nachbarn – Spätis sind Kult. Doch das Image ist angekratzt. Sorgt der Alkohol aus den Spätis für Unruhe auf den Straßen?

Darüber wurde in den vergangenen Jahren und Monaten auch in Magdeburg diskutiert. Der Hasselbachplatz im Stadtzentrum machte mit Ausschreitungen und Gewalt auf sich aufmerksam. Hier gibt es sieben Spätverkäufe.

Wenn das Ordnungsamt dort unterwegs ist, dann nicht, um die Einhaltung des Ladenöffnungsgesetzes zu kontrollieren, sondern um den Magdeburgern ihr Sicherheitsgefühl zurückzugeben. An mehreren Abenden im vergangenen Jahr eskalierte die Gewalt am Hasselbachplatz: am Himmelfahrtstag im Mai eine Massenschlägerei, im August Schüsse vor einer Shisha-Bar. Haben die Spätis ihren Anteil daran?

Gerd vom Baur, Leiter des ordnungsamtlichen Außendienstes der Stadt Magdeburg, sagt:

Es entstehen hier Situationen, die sind halt unschön. Die machen einem ganz unwohl. Man wird angepöbelt, man geht vielleicht auch durch Glasscherben. Das hat alles mit dem Alkohol zu tun, aber es ist nicht so ein Kriminalitätsschwerpunkt, wo man jederzeit damit rechnen muss ein Messer im Bauch zu haben.

Gerd vom Baur, Leiter des ordnungsamtlichen Außendienstes der Stadt Magdeburg


OB Trümper sieht Spätshops als Problem

Für Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper ist klar: Ohne die Spätis wäre es am "Hassel" ruhiger. "Die Spätshops versorgen die Leute mit Schnaps und Bier zu jeder Zeit. Die können hier aufmachen rund um die Uhr. Das ist das Problem. Wenn die Leute erstmal angefangen haben zu trinken, dann in die Phase kommen, wo ich mich nicht mehr beherrschen kann, wird hier weitergetrunken. Dann passieren die Straftaten und von daher ist das ein Schwerpunkt, wenn auch nicht der einzige, der das Thema hier deutlich verschärft hat." Tatsächlich geht Bier am häufigsten über den Späti-Tresen.

Der Hasselbachplatz hat ein schlechtes Image. Mariya Shapochka ist Mitglied der "IG Hassel" und sagt: "Hier kommt alles zusammen: kritische Berichterstattung, kritische Situation auf der Straße, weniger Gäste. Und dazu dann hohe Mieten. Einige Läden machen zu. Das ist hier die Realität."

Wenn ich meine Rechte immer exorbitant auslebe, indem ich hier Flaschen gegen die Wand schmeiße, indem ich in die Ecken uriniere, indem ich andere Leute verbal angreife, und dann später auch tätlich angreife, das hat mit Freiheitsrechten nichts zu tun.

Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper

Als "IGHassel" arbeiten die Gastronomen gemeinsam daran, den Ruf der Partymeile aufzupolieren. Sie organisieren regelmäßig Ausstellungen und das Kneipen-Festival "Hassel-Fever". Shapochka sagt: "Wir versuchen mit guten Veranstaltungen die Leute zu ziehen. Wir versuchen mehr Gründe zu liefern, über den Hasselbachplatz positiv zu sprechen. Zu zeigen, dass es hier nicht nur Probleme auf der Straße gibt, sondern auch etwas Gutes." Ihrer Meinung nach sind es die verschiedenen Klientelen, die am Hassel aufeinanderprallen: Späti-Kunden und Fußballfans auf der einen, geflüchtete Menschen auf der anderen Seite.

Was ist ein Späti?

Der Begriff "Späti" wurde 2017 in den Duden aufgenommen. Dabei ist er eine Erfindung der DDR. Damals haben die Läden die Nachtschichtarbeiter oder berufstätigen Frauen versorgt. Meistens waren es normale Lebensmittel-Verkaufsstellen von HO oder Konsum mit abweichenden Öffnungszeiten – manchmal als Frühverkauf oder eben als Spätverkauf. Noch heute wird der Begriff vor allem in Berlin und dem Osten Deutschlands verwendet.

 

Der Späti als Treffpunkt für Freunde

Wenn es zu Unruhen kommt, muss häufig Sebastian Rudloff vor die Kameras und Mikrofone der Medien treten. Sein "Shop am Hassel" war der erste Späti am Platz und wird oft als Anziehungspunkt für Krawallmacher ins Feld geführt. "Es gibt hier Stress, es gibt in ganz Magdeburg Stress, nicht nur hier", sagt Rudloff. "Wo Menschen sich treffen und wo viel Alkohol getrunken wird, da gibt es halt verschiedene Meinungen. Ich weiß nicht, warum man dann aggressiv um sich schlagen muss. Aber manche Menschen sind halt so. Manche ziehen sich zurück, manche erzählen viel, manche sind aggressiv. Das hat jetzt nichts mit so nem Laden zu tun."

Wir versuchen mehr Gründe zu liefern, über den Hasselbachplatz positiv zu sprechen. Zu zeigen, dass es hier nicht nur Probleme auf der Straße gibt, sondern auch etwas Gutes.

Mariya Shapochka, IG Hassel

Für Rudloff sind seine Kunden keine Unruhestifter. Viele Stammgäste sind zu Freunden geworden. So wie Iris, Bernd und Hannelore. Sie fühlen sich hier zuhause. "Die Leute hier im Späti hören zu. Andere nicht, andere hören nicht zu. Aber sie und seine Frau, die hören zu. Wenn ich Probleme habe, kann ich hierhergehen", sagt Hannelore, 79 Jahre alt. Bernd erklärt: "Ich habe hier noch keinen Stress gehabt. Uns lassen sie eigentlich in Ruhe, außer, dass sie manchmal sagen, das ist ein Nazi-Laden. Was aber gar nicht stimmt. Wir sind ganz normale Leute hier."

Was sagt die Hasselmanagerin?

Alena Hertrich arbeitet seit Anfang des Jahres als Hasselmanagerin – und soll den Platz retten. Was sie von den Spätshops hält? "Für mich sind die Spätshops kein Problem, sondern einfach die Möglichkeit, abends, wenn man vergessen hat, Einkaufen zu gehen, sich nochmal eine Tiefkühlpizza zu holen oder ein Bier für den Weg oder für daheim", sagt sie. "Ich würde nicht den Spätshops die Schuld daran geben, wie die Konsumenten mit Alkohol umgehen."  

Was sich gehört, darüber gehen die Meinungen am Hasselbachplatz weit auseinander. Das Alkoholverbot, das hier von 2007 bis 2010 galt, kippte Spätshopbesitzer Sebastian Rudloff vor Gericht. "Ich finde es ungerecht, wenn einfach Leute aus dem Laden gehen mit nem Bier und sich einfach nur treffen wollen und in ihren Handlungen eingeschränkt sind", sagt Rudloff. "Warum? Alkohol gibt es schon immer. Und Leute, die erzählen wollen, gibt es auch schon immer. Und warum soll man die einschränken?" Ein neues Alkoholverbot ist nicht in Sicht.

Neue Ideen für den "Hassel"

Für Oberbürgermeister Lutz Trümper ist die Antwort auf diese Frage klar: "Wir sind alle auf dem Trip dabei, zu sagen, wir wollen in großer Freiheit zusammenleben." Aber: "Wir vergessen dabei, dass meine Freiheit immer auch die Freiheit der anderen bedeutet. Und wenn ich meine Rechte immer exorbitant auslebe, indem ich hier Flaschen gegen die Wand schmeiße, indem ich in die Ecken uriniere, indem ich andere Leute verbal angreife, und dann später auch tätlich angreife, das hat mit Freiheitsrechten nichts zu tun. Da wird über die Stränge geschlagen und dann brauch ich die Polizei und die Ordnungs- und Sicherheitsbehörden. Weil es allzu große Freiheitsregelungen gibt und weil Alkohol rund um die Uhr verkauft wird."

Wo Menschen sich treffen und wo viel Alkohol getrunken wird, da gibt es halt verschiedene Meinungen.

Sebastian Rudloff, Späti-Chef am "Hassel"

Während Trümper deshalb für ein erneutes Alkoholverbot kämpft, würde die IG Hassel beim nächsten Kneipenfestival gerne auch die Spätshops ins Boot holen. "Wenn sie sagen würden: Wir wollen mitmachen. Wir wollen das Bild hier verschönern. Warum nicht?", sagt Mariya Shapochka von der IG Hassel. "Wir sind für alle offen. Wenn sie eigene Ideen reinbringen, sind wir bereit zusammenzuarbeiten."

Sebastian Rudloff überrascht das. "Also mich hat noch nie einer gefragt. In den ganzen 14 Jahren hat mich noch nie einer gefragt, ob ich irgendwo mitmachen will. Noch nie. Aber ich würde auch vieles anders machen", erklärt der Späti-Chef. "Zum Beispiel würde ich den ganzen Hasselbachplatz absperren, mit Bauzäunen, dass es dann ein großer Festplatz ist, und dann nicht nur bis Mitternacht die Musik anlassen. Da ist die Party ja erst im Gange." Eine Idee, die sicher nicht bei allen auf Gegenliebe stoßen wird.

Quelle: MDR/dg

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Exakt – Die Story | 12. Februar 2020 | 20:45 Uhr

4 Kommentare

faultier am 12.02.2020

Versteh ich nicht diese ganzen Spätis in Magdeburg ,war in Leipzig zu Besuch hab da nicht einen Späti gesehen ,dafür etliche Konsumläden die Abends lange auf hatten und da habe ich keine Suffköppe vor gesehen.

Der Tag an dem das Mett ueberkochte. am 12.02.2020

Das Land und die Regierung ist nur im Suff zu ertragen, deshalb werden die Spätis gebraucht, das mehr denn je.
Prost, ein Hoch auf dem MDR!!

Benutzer am 12.02.2020

Klar jetzt haben die Spätis schuld das Menschen sich nicht benehmen können :D

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