Datenwoche Trockenheit Darum ist Sachsen-Anhalt das trockenste Bundesland

02. Juni 2020, 19:04 Uhr

Wenig Regen und Schnee: Sachsen-Anhalt ist im Durchschnitt das trockenste Bundesland in Deutschland – und das schon seit fast 140 Jahren. Aber warum ist das so? Was sagen diese Werte? Teil 1 der Datenserie zum Thema Trockenheit erklärt, was aus den aufgezeichneten Niederschlagsmengen abzulesen ist.

Martin Paul im Funkhaus von MDR SACHSEN-ANHALT
Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Themenbild Datenwoche: Ein ausgetrockneter Boden und Niederschlagskarten für Sachsen-Anhalt
So viel hat es in Sachsen-Anhalt geregnet (v.l.): Viel Niederschlag im Jahr 2007 – Karte mit dem 30-jährigen Mittelwert – kaum Regen im Jahr 2018. Bildrechte: imago/YAY Images/DWD | Grafik Martin Paul

In den vergangenen beiden Jahren, 2018 und 2019, waren der Hitzesommer und eine außergewöhnliche Dürre in Sachsen-Anhalt bestimmende Themen für Landwirtschaft und Politik. Aber eigentlich gibt es in Sachsen-Anhalt ausreichend Regen. Das Problem ist: Er fällt in den letzten Jahren zunehmend zur falschen Jahreszeit. Und wenn es Niederschlag gibt, dann in zu großen Mengen in zu kurzer Zeit.

Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zeigen nun, dass Sachsen-Anhalt im Durchschnitt das trockenste Bundesland in Deutschland ist. Auch im Frühling 2020 ist Sachsen-Anhalt wieder bundesweit das niederschlagsärmste Gebiet. Aber es betrifft nicht nur Sachsen-Anhalt. Deutschlandweit zählen die Frühlingsmonate März, April und Mai 2020 zu den sechs niederschlagsärmsten Jahreszeiten seit 1881, so der DWD.

Diese Aussage lässt sich relativ leicht aus den Daten lesen. Aber es ist nicht so leicht eindeutig herauszufinden, was das letztendlich wirklich heißt – und warum das so ist.

Seit fast 140 Jahren: Sachsen-Anhalt fast immer das trockenste Land

Um herauszufinden, wie viel oder wenig es in Sachsen-Anhalt regnet, kann man sich die Niederschlagwerte des DWD anschauen. Die Bundesbehörde, deren Aufgabe es ist, über das Wetter und das Klima zu forschen, sammelt seit 1881 Niederschlagswerte. Das heißt, der DWD misst an seinen Stationen und berechnet für ein bestimmtes Gebiet, wieviel Regen und Schnee in einem bestimmten Zeitraum gefallen ist.

Aufällige Werte in den Zeitreihen

Der meteorologische Frühling geht anders als der kalendarische von März bis Mai. Zusammen mit den Sommermonaten muss in dieser Zeit, der sogenannten Vegetationsperiode, genügend Regen fallen, um Pflanzen ausreichend mit Wasser zu versorgen.

Im März 2020 war die Regenmenge mit 31 Liter pro Quadratmeter nur leicht unterdurchschnittlich. Ausreichend, wenn in den anderen Monaten auch genügend Regen fällt. Der Durchschnittswert der Niederschlagsmenge über die gesamten 139 vergangenen Jahre liegt bei 37,5 Litern pro Quadratmeter.

Im April 2020 ist so wenig Regen gefallen, wie lang nicht mehr. Lediglich 7,6 Liter pro Quadratmeter, der zweitniedrigste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen. Nur im April 2007 fiel noch weniger Wasser vom Himmel. In diesem Jahr regnete es lediglich 4,3 Liter pro Quadratmeter.

Im Mai 2020, sieht es leicht besser aus: Knapp 30 Liter pro Quadratmeter Regen gab es in diesem Frühlingsmonat. Aber auch dieser Wert ist niedrig. Nur 24 Mal in den vergangenen 139 Jahren regnete es in einem Maimonat weniger oder gleichviel.

In den Datenreihen zeigt sich, dass Sachsen-Anhalt in fast der Hälfte der vergangenen 139 Jahre im bundesweiten Vergleich das trockenste Bundesland war. Das heißt, in diesen Jahren hat es dort über das ganze Jahr hinweg im bundesweiten Vergleich am wenigsten geregnet oder geschneit. Danach kommt Berlin/Brandenburg und dann Mecklenburg-Vorpommern.

Aber: Woran liegt das?

Jedes Land, das weiter im Osten liegt, ist, was die Wasserverteilung angeht, grundsätzlich im Nachteil.

Thomas Deutschländer, Deutscher Wetterdienst

Thomas Deutschländer leitet beim DWD das Referat "Hydrometeorologische Beratungsleistungen" und beschäftigt sich mit dem Wasserkreislauf und Niederschlagsvorhersagen. Er erklärt, dass einer der Hauptgründe für die Trockenheit die sogenannte Kontinentalität ist, also wie stark das Klima durch Landmassen geprägt wird. Kurz gesagt: Je weiter eine Region von dem Meer entfernt ist, umso trockener ist die Luft.

"Wir haben in Mitteleuropa die sogenannte Westwinddrift", so Deutschländer. Normalerweise ziehen in unserer Region die Tiefdruckgebiete von West, Südwest nach Ost. Die Luft nimmt ihr Wasser über dem Atlantischen Ozean und dem westlichen Mittelmeer auf und verliert dann an Feuchtigkeit, je weiter sie nach Osten zieht. "Und da ist jedes Land, das weiter im Osten liegt, was die Wasserverteilung angeht, grundsätzlich im Nachteil", sagt Deutschländer.

Aber müsste es dann nicht eigentlich in Brandenburg noch trockener sein?

In den Datenreihen zeigt sich, dass Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg nicht ganz so wenig Regen abbekommt, wie Sachsen-Anhalt. Das habe mit speziellen Wetterlagen zu tun, so Deutschländer: den "Fünf-B-(Vb)-Zyklonen". Diese Tiefs bilden sich über dem nördlichen Mittelmeer, ziehen oft an den östlichen Alpen entlang und im Osten Deutschlands und über Polen nach Norden weiter. Und diese Zyklone können, wenn sie stark ausgeprägt sind, sehr viel Wasser mit sich führen.

Der DWD-Niederschlagsexperte erklärt: "Der äußerste Osten Deutschlands bekommt dann manchmal gewaltige oder zumindest große Wassermassen auf einmal ab. Das war zum Beispiel bei dem Elbehochwasser 2002 so." Außerdem: "Hinter dem Lee (die dem Wind abgewandte Seite, Anmerk. d. Red.) des Harzes könnte auch ein kleines Niederschlagsloch sein."

Dass das in diesem Jahr wieder so ist, hat sich in den letzten Maitagen bestätigt. Laut DWD gab es in den Frühlingsmonaten in den Gebieten vor dem Harz örtlich weniger als 45 Liter pro Quadratmeter Niederschlag – und damit bundesweit mit am wenigsten Regen.

Insgesamt mehr Regen, aber im Sommer fehlt er

Im Durchschnitt gibt es in Sachsen-Anhalt seit 1881 im Jahr zwischen 540 und 570 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Die langjährige Tendenz ist sogar leicht steigend. Laut DWD ist das ausreichend, um ein normales und gesundes Pflanenwachstum zu ermöglichen – natürlich abhängig von der Bodenbeschaffenheit und Regenverteilung. Wie passt das mit den Meldungen zusammen, dass das Frühjahr wieder einmal zu trocken ist?

Für Thomas Deutschländer ist das kein Widerspruch: "Wir müssen nach der Entwicklung für den Winter- und den Sommer differenzieren."

In den Zeitreihen des DWD sieht man, dass es über die Jahre tendenziell im Winter mehr Niederschlag gibt. Etwa 20 Prozent im Vergleich zu einem 30-Jährigen Zeitraum. Im Sommer regnet es nur leicht weniger, rund sieben Prozent.

Mehr Starkregen und weniger Landregen?

Die für das Pflanzenwachstum entscheidenden Monate beginnen aber mit dem Frühling im März. "Das mehr an Wasser, was im Winter runterkommt, ist vermutlich für die Landwirtschaft nicht so hilfreich. Während im Sommer der etwa gleichbleibende Niederschlag und eine deutlich gestiegene Verdunstung dazu führt, dass es trockener wird", so der DWD-Meteorologe.

Ein weiterer Faktor ist, dass es im Sommer möglicherweise weniger Landregen gibt. Dafür gebe es Indizien und erste Studien. Laut DWD sind diese Trends in den Daten aber noch nicht nachhaltig belegt.

Ein Agrarmeteorologe des Deutschen Wetterdienstes, Andreas Brömser, skizziert, welche Auswirkung diese Entwicklung haben könnte. "Mit den durch den Klimawandel steigenden Temperaturen geht der Trend dazu, dass der größere Anteil des Niederschlags als Starkregen fällt. Der flächendeckende Landregen wird seltener", erklärt Brömser. Die Menge an Niederschlag bleibe gleich, es regne aber seltener und dafür stärker.

Da ein ausgetrockneter Boden diese Wassermenge aber nicht ganz aufnehmen könne, stehe damit den Pflanzen insgesamt weniger Wasser zur Verfügung.

Außerdem ist die Verteilung im Land stark unterschiedlich. Brömser erklärt: "In Sachsen-Anhalt liegt das Jahresmittel bei 570 Litern pro Quadratmeter In Richtung Harz und Niedersachsen liegt es bei mehr als 1.000 Litern pro Quadratmeter. Und in den trockensten Regionen entlang der Unstrut, Saale bis hin zu Magdeburg sind es nicht mal 450".

Es müsste in der Vegetationsperiode mehr regnen, damit man in Bezug auf die Bodenfeuchte auf dem gleichen Level bleibt.

Andreas Brömser, Deutscher Wetterdienst

Wird es in Zukunft öfter regnen?

"Bei den Temperaturen gibt es ganz eindeutig einen Trend nach oben", da ist sich Agrarmeteorologe Brömser sicher. In den Zeitreihen sei zu sehen, dass die Temperaturen im Mittel über das ganze Jahr schon um 1,5 Grad Celsius angestiegen sind.

Da mit höheren Temperaturen auch die Verdunstung ansteige, so Brömser, "müsste es in der Vegetationsperiode mehr regnen, damit man in Bezug auf die Bodenfeuchte auf dem gleichen Level bleibt."

Auch Thomas Deutschländer wagt eine Prognose aufgrund von immer genauer werdenden Klimamodellen. "Die Winter werden zukünftig in der Regel eher feuchter und milder. Die Sommer haben tendenziell weniger Landregen und mehr sogenannte konvektive, also Schauer- und Gewitterniederschläge." Unsicher sei jedoch noch, ob der Rückgang der Landregen von häufigeren Starkniederschlägen überkompensiert wird. "Das ist noch eine offene Frage in der Klimaforschung."

Und wie wird nun der Sommer 2020? In manchen Medien gab es Meldungen über eine Rekordhitze, wieder einmal viel zu wenig Regen und das dritte Dürrejahr in Folge. Auf diese konkrete Vorhersage will sich Thomas Deutschländer jedoch nicht einlassen. Es gebe zwar Trendvorhersagen, diese seien auf die einzelnen Monate bezogen aber viel zu ungenau, um wirklich sicher sagen zu können, wie sich das Wetter entwickelt. Bis etwa zehn Tage in die Zukunft könne man recht verlässliche Vorhersagen machen, danach werden die Wetterprognosen jedoch ziemlich unsicher.

Das sind die Themen der Datenwoche Trockenheit

MDR SACHSEN-ANHALT sucht in der Datenwoche zum Thema Trockenheit in Sachsen-Anhalt nach Antworten, spricht mit Landwirten und Wissenschaftlern über Trockenheit und Dürre.

Über die Daten

Die Daten stammen aus den Aufzeichnungen und Zeitreihen des Deutschen Wetterdienstes. Die Werte sind laut DWD Gebietsmittel – also Mittelwerte eines Rasterfeldes mit einer Auflösung von einem Kilometer.

Um zu ermitteln, wieviel Niederschlag in einer Region oder an einem bestimmten Ort gefallen ist, werden die Messdaten der einzelnen Wetterstationen aufgezeichnet. Danach werden sie zu einem durchschnittlichen Wert für ein Rasterfeld mit einer Auflösung von einem Kilometer berechnet. Aus diesen kleinteiligen Werten können danach die durchschnittlichen Niederschlagsmengen für ein Bundesland oder ganz Deutschland errechnet werden.

Der Deutsche Wetterdienst gibt an, dass die Zeitreihen der Gebietsmittel gegenüber Zeitreihen einzelner Stationen solider und repräsentativer sind, da Messstationen in der Vergangenheit gelegentlich verlegt worden sind oder sich das Umfeld verändert haben könnte.

Laut DWD ist das Messnetz in Deutschland für die Temperatur und die Niederschlagshöhe seit Ende des 19. Jahrhunderts dicht genug, um Rasterfelder für die einzelnen Monate und daraus abgeleitete Mittelwerte zu gewinnen.

Martin Paul im Funkhaus von MDR SACHSEN-ANHALT
Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Über den Autor Martin Paul ist Teil des Online-Teams von MDR SACHSEN-ANHALT und begeistert von den Möglichkeiten und Ausdrucksformen des digitalen Journalismus - Daten und Code, Visualisierung und Video, Longread und Ticker, Social-Media und Dialog. Was ihn umtreibt? Besonders die Frage, wie man das Netz frei und offen gestalten und Teilhabe garantieren kann.

Online-Journalismus hat er im Studiengang Multimedia & Autorschaft an der Universität in Halle und bei der Mitteldeutschen Zeitung gelernt. An der Universität in Leipzig hat er Kultur- und Vergleichende Literaturwissenschaft studiert.

Quelle: MDR/mp

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 31. Mai 2020 | 19:00 Uhr

2 Kommentare

MDR-Team am 03.06.2020

Das stimmt. Es kommt immer darauf an, welchen Aspekt man wo zu welchem Zeitpunkt betrachtet. Es ist auch von Region zu Region innerhalb eines Bundeslandes unterschiedlich. Böden in der Börde können zum Beispiel gut Wasser speichern. Trotzdem kommt laut DWD aufgrund des Vb-Zyklones in Brandenburg im Durchschnitt mehr Wasser an, als in Sachsen-Anhalt. Wir haben uns für den Niederschlag entschieden, weil das die Voraussetzung überhaupt ist, dass Böden Wasser speichern können, etc. Eine Alternative wäre noch die Bodenfeuchte als Grundlage zu nehmen. Da kommt dann der Begriff Dürre ins Spiel. Da sieht man gut, wie das für die Pflanzen verfügbare Wasser in den Böden verteilt ist. Im letzten Jahr ist da Sachsen-Anhalt und Sachsen besonders betroffen gewesen (einsehbar im Dürremonitor des Helmholtz-Instituts).

Horst am 02.06.2020

Ist die Gleichsetzung von "Trockenheit" und "Niederschlagsmenge" wirklich angemessen? Es wird ja auch ein Bezug zur Landwirtschaft hergestellt. Und da dürfte - aufgrund der Bodenbeschaffenheit -, dass erwähnte Brandenburg das trockenste Bundesland sein. Waldbrände, ausgetrockene Flüsse, stark sinkende Pegel der Seen usw. scheint mir in Brandenburg ein größeres Problem zu sein als in Sachsen-Anhalt.

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