Ökologisch und fair konsumieren Nachhaltig einkaufen: Die wichtigsten Fragen und Antworten

10. August 2020, 16:25 Uhr

"Der Kassenbon ist auch ein Stimmzettel", heißt es oft. Mit unseren Kaufentscheidungen bestimmen wir immer wieder, wie die Welt um uns herum aussehen soll. Doch die richtigen Entscheidungen zu treffen, ist gar nicht so leicht. Ist "Bio" wirklich besser? Und wie sinnvoll ist es, regional einzukaufen? Wir haben Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema Nachhaltigkeit.

Alisa Sonntag
Bildrechte: MDR/Martin Paul

Wann ist Konsum nachhaltig – und was bedeutet das?

Nachhaltig zu konsumieren bedeutet, bewusster und gelegentlich auch weniger zu kaufen. Wichtig ist außerdem der Blick auf die soziale und ökologische Seite der Produkte und Dienstleistungen – so definiert es der Rat für Nachhaltige Entwicklung. Wenn etwas nachhaltig produziert wird, muss es nicht nur der Umwelt, sondern auch den Arbeitern, die die Produkte herstellen, gut gehen.

Bei der nachhaltigen Produktion wird es aber schon kompliziert. Bislang gibt es keine klaren und verbindlichen staatlichen Kriterien dafür, was soziale und ökologisch verantwortungsvolle Produktion bedeutet. Verbraucher haben es im Siegel-Dschungel schwer, sich zu orientieren. Denn vieles von dem, was Hersteller über ihre Produkte erzählen, ist schlicht beschönigend und werblich motiviertes "Greenwashing".

Werden Produkte, auf denen "Bio" steht, stets nachhaltiger hergestellt?

"Bio" ist nicht gleichzusetzen mit "nachhaltig". So kann zum Beispiel ein Bio-Lebensmittel trotzdem einen weiten Transportweg hinter sich haben und dadurch für eine große Menge an klimaschädlichen Treibhausgasen verantwortlich sein. Auch Bio-Lebensmittel können aus nicht-saisonalem Anbau stammen und möglicherweise viel Energie verbrauchen, weil sie in Treibhäusern angebaut werden.

Trotzdem setzen Bio-Siegel hohe Standards für die Herstellung von pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln. Alle Bio-Lebensmittel werden zertifiziert, so dass die Produktion regelmäßig überprüft wird.

Wie unterscheiden sich Bio-Produkte von Nicht-Bio-Produkten?

Damit ein Produkt als Bio-Produkt zertifiziert werden kann, muss es viele verschiedene Bedingungen erfüllen. Das EU-Bio-Siegel beinhaltet unter anderem ökologische Aspekte oder auch die Bedingungen für Tierhaltung. Bei der Produktion von pflanzlichen Bio-Lebensmitteln ist beispielsweise die Verwendung chemisch-synthetischer Pflanzenschutz- und Düngemittel verboten.

Auch in der Produktion tierischer Bio-Lebensmittel gibt es Unterschiede zur konventionellen Erzeugung. So haben in der Rinderhaltung die Milchkühe mehr Platz zur Verfügung, Anbindehaltung ist (außer in Ausnahmen für Kleinstbetriebe, sofern zusätzlicher Weidegang ermöglicht wird) nicht erlaubt. Das Futter ist meist ökologisch und stammt teils aus dem eigenen Betrieb oder aus regionaler Erzeugung. Gentechnisch veränderte Produkte dürfen nicht eingesetzt werden.

Neben dem EU-Bio-Siegel gibt es noch weitere Bio-Siegel unter anderem von Anbauverbänden, welche nochmal höhere Standards setzen.

Bio-Produkte aus dem Discounter sind oft viel günstiger als aus dem Bioladen. Was unterscheidet sie?

Ein Mann greift nach Bio-Tomaten in einer Gemüsauslage
Produkte aus dem Bio-Markt sind teurer als Bio-Produkte beim Discounter. (Symbolbild) Bildrechte: imago/photothek

Auch Bio-Produkte im Discounter sind Produkte, die nach der EU-Öko-Verordnung produziert wurden. Verbraucher können also darauf vertrauen, dass diese auch bio sind. Ansonsten gelten für die Preisbildung genau die gleichen Gesetzmäßigkeiten wie für die konventionellen Produkte: Discounter verkaufen große Mengen von wenigen Produkten mit möglichst geringem Aufwand im Laden. Dadurch können Verarbeitungs-, Lager-, Distributions- und Verkaufskosten reduziert werden.

Die Öko-Anbauverbände gehen in der letzten Zeit zunehmend vertragliche Vereinbarungen mit Supermarkt- und Discounterketten ein, um ihren Produzenten auch diesen Vermarktungsweg zu ermöglichen und den Verbrauchern auch dort Bio-Produkte mit höherem Standard bieten zu können.

Welche Produkte werden häufig unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt?

In Deutschland und der Europäischen Union gibt es rechtliche Grundlagen, um Arbeitnehmer zu schützen. Besonders bei Produkten aus Drittländern ist es aber sehr schwierig, nachzuvollziehen, unter welchen Bedingungen sie produziert wurden. Dies trifft klassischerweise auf Lebensmittel wie Kaffee, Tee, Kakao, Rohrzucker, exotische Früchte oder Palmöl, aber unter anderem auch auf Blumen zu.

Hier haben sich diverse Siegel des Fairen Handels etabliert, zum Beispiel die Label Fairtrade und GEPA. Fair gehandelte Produkte verschiedenster Firmen findet man auch in sogenannten "Weltläden".

Viele Produkte im Supermarkt werden importiert. Sind regionale Produkte besser?

Kürzere Transportwege bedeuten meist weniger Emission an Treibhausgasen. Besonders, wenn die Lebensmittel per Flugzeug transportiert werden, verursachen sie eine große Menge an Treibhausgasen. Regionale Produkte unterstützen außerdem die regionale Wirtschaft.

Im Einzelfall lässt sich aber nicht so einfach sagen, dass regionale Produkte immer auch die nachhaltigeren Produkte sind. Sowohl die Produktionsbedingungen, die Verarbeitung, Verpackung und der Vertrieb des Lebensmittels spielen eine Rolle, als auch die Jahreszeit oder das Verhalten der Verbraucher (ob sie zum Beispiel mit dem Auto zu einem weit entfernteren Hof fahren, um dort einkaufen zu können).

Es gibt Produkte, die Discounter als "regional" ausschreiben – kann man dem vertrauen?

Der Begriff "Region" ist rechtlich nicht geschützt. Auch hat sich bislang keine einheitliche Definition von "regional" etabliert. Deswegen sollten Verbraucher hier kritisch sein: Bezieht sich die Beschreibung "regional" auf den Ort der Produktion, der Verarbeitung, des Handels oder des Konsums des Lebensmittels? Und wie weit ist "regional" gefasst – Sachsen-Anhalt, 100 Kilometer Umkreis, Mitteldeutschland, oder noch weiter?

Oft wird nicht klar benannt, was genau hinter der Bezeichnung "regional" steckt. Verlässliche Information liefert hier das Siegel "Regionalfenster". Aber auch das bietet keine Garantie für ein regionales Produkt, weil die Lebensmittel deutschlandweit vermarktet werden.

Lässt sich vom Preis eines Produktes auf seine Qualität und seine Nachhaltigkeit schließen? Ist etwa Kleidung von teuren Marken nachhaltiger als günstige?

Die Herstellungsbedingungen sind bei teuren Marken genauso wenig garantiert wie bei günstigerer Kleidung; oft zahlt der Kunde für die Marke und nicht für die Qualität. Umgekehrt haben aber faire Arbeitsbedingungen und umweltgerecht hergestellte Materialien natürlich ihren (Mindest-)Preis. Billigmode kann daher gar nicht nachhaltig sein. Das heißt im Umkehrschluss nicht, dass teuer gut ist. Hier spielen viele Faktoren eine Rolle. Nicht nur der Kaufpreis, sondern auch Betriebskosten, Langlebigkeit, Qualität (z.B. auch (nicht) enthaltene Schadstoffe).

Und wie bei vielen Konsumgütern gilt auch bei der Kleidung: Weniger ist mehr. Muss es die neue Bluse oder Hose tatsächlich sein?

Wie sieht es bei Elektronikprodukten mit der Nachhaltigkeit aus?

Entscheidend ist, Produkte möglichst lange zu nutzen. Denn ein großer Teil der CO2-Emissionen entsteht bei elektronischen Produkten bei der Herstellung. Das gilt vor allem bei IT-Produkten – bei einem Smartphone etwa gehen sogar mehr als 70 Prozent der Emissionen auf die Produktion zurück. Darüber hinaus werden für elektronische Bauteile seltene Rohstoffe verwendet, deren Abbau verheerende soziale und ökologische Auswirkungen hat.

Wenn dann doch eine Anschaffung notwendig wird, sollte jeder genau prüfen, wie groß das Gerät sein muss, welche Zusatzfunktionen und wie viel Speicherplatz notwendig sind. Ist das Gerät gut reparierbar, lässt sich der Akku einfach austauschen oder gibt es Ersatzteile? Viele aktuelle Produkte sind nicht einmal reparierbar wie beispielsweise ein Pürierstab, der verschweißt ist und nicht demontiert werden kann.

Neue Geräte sind zwar meist effizienter als ihre Vorgänger, jedoch auch oft größer und technisch aufwändiger. Das ist von der Waschmaschine über den Fernseher bis zum Smartphone über fast alle Produktgruppen zu beobachten. Das kostet Rohstoffe, Energie und damit werden Effizienzgewinne schnell wieder "aufgefressen" – der Stromverbrauch kann damit unterm Strich am Ende sogar höher sein als beim Vorgängergerät. Erkennbar ist das auf dem EU-Effizienzlabel, das für viele Geräte verpflichtend ist. Hier ist es wichtig, auf den absoluten Stromverbrauch zu achten und nicht nur auf die Effizienzklasse.

Wie viel kann der Einzelne mit seiner Kaufentscheidungen überhaupt verändern – und wie viel Verantwortung liegt bei der Politik?

Damit Verbraucher überhaupt nachhaltig konsumieren können, muss die Politik dafür die Weichen stellen. Die Verbraucher können den Lebensmittelmarkt durch ihre Nachfrage nur begrenzt gestalten. Zeit-Redakteur Bernd Ulrich schreibt: "Solange man für 30 Euro nach Rom fliegen kann, bedarf es eines gewissen asketischen Heldentums, darauf zu verzichten."

Akteure wie die Verbraucherzentralen fordern die Politik auf, Anreize zu schaffen, damit sich der Markt gemäß dem Motto "die nachhaltige Variante muss die einfache sein" entwickeln kann. Die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt beschreibt, was es dafür bräuchte:

  1. Einheitliche Kriterien, um nachhaltigen Konsum messbar und überprüfbar zu machen.
  2. Mehr Transparenz, indem Produktionsweisen und Lieferketten offengelegt werden (verschiede Organisationen engagieren sich aktuell auch für ein Lieferkettengesetz).
  3. Bessere Informationen für die Verbraucher, unter anderem durch wenige und glaubwürdige Label.
  4. Eine bessere Verfügbarkeit und Sichtbarkeit der nachhaltigen Alternativen.

Welche Tipps gibt es für Menschen, die beim Einkauf auf Nachhaltigkeit achten wollen?

Generell ist es wichtig, Angaben auf Lebensmitteln oder von Herstellern zu hinterfragen – denn "nachhaltig" ist kein geschützter Begriff und nicht klar definiert. Bezogen auf den Lebensmittelbereich können Verbraucher dann einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Lebensweise leisten, wenn sie regionale, saisonale und fair gehandelte Produkte bevorzugen und versuchen, Lebensmittelverluste sowie anfallenden Verpackungsmüll gering zu halten.

Der BUND hat für Sachsen-Anhalt einen " öko-schlauen Konsumratgeber" erstellt, der außerdem simple Tipps in petto hat. Auch für Halle, Magdeburg, Lutherstadt und Landkreis Wittenberg, Dessau-Roßlau, den Altmarkkreis Salzwedel, den Landkreis Stendal, Wernigerode, Quedlingburg und Umgebung, Falkenstein im Harz und Staßfurt gibt es spezielle Einkaufsführer von dem Eine-Welt-Netzwerk Sachsen-Anhalt.

Bei den Antworten auf die Fragen haben uns die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt, Referat Lebensmittel, die Umweltschutzorganisation BUND, die Biohöfegemeinschaft Sachsen-Anhalt und Dr. Hartwig Haase von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg unterstützt.

Alisa Sonntag
Bildrechte: MDR/Martin Paul

Über die Autorin Neugierig ist Alisa Sonntag schon immer gewesen – mit Leidenschaft auch beruflich. Aktuell beendet sie ihre Master in Multimedia und Autorschaft in Halle. Dabei schreibt sie außer für den MDR SACHSEN-ANHALT unter anderem auch für die Journalismus-Startups Buzzard, Veto-Mag und Krautreporter.

Quelle: MDR/aso

2 Kommentare

Magdeburg1963 am 10.08.2020

Ich befürworte grundsätzlich alle Maßnahmen zur Klimaverbesserung, jedoch stellt sich die Frage nach der Finanzierbarkeit durch den Bürger. Man suggeriert, gib mehr Geld für Bioprodukte aus, gib mehr Geld für nachhaltig hergestellte Kleidung aus, steig auf E-Mobilität um, nimm nicht den Billigflieger u.s.w. ...jeder gesellschaftliche und/oder industrielle Zweig macht seine eigenen Forderungen auf. Leider sind jedoch meine finanziellen Ressourcen genauso endlich wie unsere Naturressourcen.

Atheist am 09.08.2020

Ich habe lange genug den Dederonbeutel getragen, da will ich nicht wieder zurück.
Und wer das Klima retten will verzichtet auf noch mehr Menschen.
Wie sollen denn bald 10 Milliarden Menschen ernährt werden?
Biologisch jedenfalls nicht. Und selbst wenn 10 Milliarden Menschen nur noch Insekten essen, was essen dann 20 Milliarden?
Wir sollen uns weiter einschränken während wo anders in der Welt besonders Afrika die Bevölkerung explodiert- mit mir nicht, jedes angebliche Ökoprodukt empfinde ich als Gängelungen und Bevormundung!

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