Wintersport und Klimawandel Zukunft ohne Schnee? Die Lage in Harz, Erzgebirge und Thüringer Wald

03. März 2020, 11:19 Uhr

Ein warmer Winter und wenig Schneefall – für viele ein untrügliches Zeichen des Klimawandels. Wird man in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen in zehn Jahren noch Skifahren können? Der MDR hat analysiert, wie sich der Winter in den letzten 50 Jahren entwickelt hat und welchen Ausblick die Wissenschaft auf die Zukunft des Wintersports gibt.

Martin Paul im Funkhaus von MDR SACHSEN-ANHALT
Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Skifahren, Rodeln, durch verschneite Wälder wandern und auf gespurten Loipen dahingleiten – ein Traum für jeden Winterfreund. Die Zahl der schneesicheren Tage wird aber aufgrund des Klimawandels sinken. Die mittleren Temperaturen in den Mittelgebirgen und im Alpenraum werden steigen. Das sagt die Wissenschaft. In einer wissenschaftlichen Arbeit aus dem Jahr 2019 haben Experten der europäischen Wetter- und Klimaforschungseinrichtungen den aktuellen Forschungsstand so zusammengefasst:

Die Ergebnisse der Klimaforscher im Einzelnen

In dem Positionspapier aus dem Jahr 2019 haben Expertenteams aus 14 europäischen Forschungseinrichtungen, darunter auch der Deutsche Wetterdienst (DWD), die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wintersport zusammengefasst. Die Arbeiten wurden in der Fachzeitschrift FD Snow 53 veröffentlicht.

  • Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erwarten einen Anstieg der Jahresmitteltemperatur in den Mittelgebirgen und im Alpenraum um mindestens zwei Grad Celsius bis zum Ende des Jahrhunderts.
  • Temperatur- und Niederschlagextreme werden bis 2050 wahrscheinlicher.
  • Die für den Schneesport geeignete durchgehend natürliche Schneedecke wird als Folge der Erwärmung zurückgehen.
  • Für Schneesportgebiete unterhalb von 1.500 Metern (mittlere Lage) wird eine dauerhafte Schneedecke zunehmend zum Ausnahmefall.
  • Gebiete über 1.500 Metern können auch noch nach Mitte des Jahrhunderts mit einer nur geringfügig verkürzten Periode der natürlichen Schneebedeckung rechnen.
  • Von den Modellen wird ein Trend zu einer stärkeren Erwärmung im Spätwinter vorhergesagt. Die Dauer der Schneebedeckung wird im Spätwinter um Wochen verkürzt.
  • Die Zunahme der Temperatur betrifft alle Jahreszeiten.
  • Anzahl und Dauer potentieller Tage für künstliche Beschneiung werden sich verringern.
  • Aussagen zur nahen Zukunft sind schwer zu treffen, da die zum Teil starken natürlichen Schwankungen (Klimavariabilität) den langfristigen Trend markant überlagern können.

Die Freude am Wintersport bei den Menschen ist aber trotzdem hoch. Folgt man der aktuellen Grundlagenstudie zum Wintersport in Deutschland, liegt der Anteil der Wintersportler im Verhältnis zur Bevölkerung in Sachsen etwas über dem bundesdeutschen Durchschnitt von 38 Prozent. Sachsen-Anhalt und Thüringen liegen darunter.

Beliebte Wintersport-Reiseziele im Vergleich

Und auch als Reiseregion gehört zumindest der Harz im gesamtdeutschen Vergleich zu den Top-5 Wintersportzielen – sowohl insgesamt, als auch bei den Sportarten Langlauf und Winterwandern. Beim Wandern im Winter ist auch das Erzgebirge unter den beliebtesten fünf Regionen in Deutschland.

Die Aussagen der Grundlagenstudie Wintersport

Die Zweite Nationale Grundlagenstudie "Wintersport Deutschland" der Deutschen Sporthochschule Köln und der Stiftung Sicherheit im Skisport wurde im Jahr 2018 veröffentlicht und soll einen repräsentativen Überblick über zentrale Aspekte des Wintersportmarktes in Deutschland und seiner sporttouristischen Bedeutung geben.

  • Laut Studie gibt es in Deutschland etwa 27,7 Millionen Wintersportler im Alter über 13 Jahren. Das sind 64 Prozent der sportlich aktiven Menschen. In Sachsen sind es etwa 1,52 Millionen und damit 42 Prozent. In Sachsen-Anhalt betreiben rund 710.000, in Thüringen 530.000 Menschen Wintersport.
  • Die meisten Menschen in Deutschland betreiben Wintersport als Winterwandern, gefolgt von alpinem Skifahren, Schlittenfahren und Skilanglauf. Als Hauptsportart ist Ski Alpin und Langlauf in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt im Vergleich mit anderen Bundesländern aber nur gering vertreten.
  • Als Wintersport-Reisziele für Tagesausflüge und Urlaube können der Harz, das Erzgebirge und der Thüringer Wald nicht mit Regionen wie Allgäu, Oberbayern oder dem Schwarzwald mithalten. Trotzdem findet sich zumindest der Harz für unterschiedliche Wintersportaktvitäten fast immer unter den beliebtesten fünf Zielen aller elf aufgeführten Regionen.

Hohe Schneesicherheit im sächsischen Erzgebirge

Wie sehen die Wintersportverhältnisse im Harz, Erzgebirge und Thüringer Wald im Rückblick aus? Der Deutsche Wetterdienst (DWD) kann für knapp 50 Jahre, also seit der Wintersaison 1970/71, die Schneesicherheit an den Messstationen beschreiben.

Welche Schneehöhen braucht man für Wintersport?

Laut Umweltbundesamt ist die Höhe der natürlichen Schneedecke stark von den jeweiligen Wintersportaktivitäten abhängig. Für den Langlauf werden demnach Schneehöhen von 10 bis 15 Zentimetern als ausreichend angenommen. Um einen sicheren Skibetrieb bei alpinem Skisport mit Snowboard oder Abfahrtsski zu ermöglichen, werden 30 Zentimeter als ausreichend angenommen, um ein angenehmes Skifahren zu ermöglichen und den Untergrund ausreichend zu schützen. Die Schneehöhe hänge jedoch stark vom Untergrund ab, so das Umweltbundesamt. Bei steinigen oder felsigen Hängen sei für Pisten daher eine Schneehöhe von bis zu einem Meter erforderlich. Mit künstlicher Beschneiung könne jedoch Schneehöhe und -dauer beeinflusst werden.

Wie viele Schneetage sind wirtschaftlich?

Als Regel für den wirtschaftlichen Betrieb eines Skigebietes wird immer wieder die 100-Tage-Regel zitiert – so vom Deutschen Wetterdienst und dem Umweltbundesamt. Die Regel besagt, dass ein Gebiet als schneesicher gelten kann, wenn an 100 Tagen eine ausreichende Schneehöhe von 30 Zentimetern erreicht wird. Der sachsen-anhaltische Umweltwissenschaftler Christian Reinboth beschreibt in einer wissenschaftlichen Arbeit über die künstliche Beschneiung jedoch auch Kritik an dieser Regel. So werde unter anderem argumentiert, um Wirtschaftlichkeit und Schneesicherheit von kleineren Skigebieten in Mittelgebirgsregionen zu beschreiben, müsse eigentlich eine 60-Tage-Regel oder eine 80-Tage-Regel gelten.

Was ist künstliche Beschneiung?

Laut Deutschem Skiverband (DSV) sind Beschneiungsanlagen erstmals 1970 in den Alpen eingesetzt worden. Unterschieden wird in Niederdruckdüsen wie bei Schneekanonen und Hochdruckdüsen bei Schneelanzen.

Der Einsatz von Technik für die künstliche Beschneiung ist erst ab einer Temperatur von minus 2 bis minus 3 Grad Celsius und einer geringen Luftfeuchtigkeit (unter 80 Prozent) sinnvoll. In Deutschland sind laut Deutschem Skiverband biologische oder chemische Zusätze verboten.

Für die Herstellung von Kunstschnee benötigt man bis zu bis 350 Liter Wasser pro Kubikmeter. Bei einer Schneehöhe von 30 Zentimetern und einer Skipiste, die 30 Meter breit und 400 Meter lang ist, wäre bei reiner künstlicher Beschneiung rund eine Million Liter Wasser notwendig, rechnet der DSV vor.

Über die Auswirkungen von künstlicher Beschneiung auf die Umwelt schreibt Christian Reinboth in seiner wissenschaftlichen Arbeit zur Zukunft der künstlichen Beschneiung in Mitteleuropa.

Das Ergebnis: Die höchste Schneesicherheit der Mittelgebirgsregionen in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen ist im Erzgebirge gegeben. Das beschreibt der Wissenschaftler Uwe Böhm vom DWD. Im Durchschnitt werden an den Messstationen auf dem sächsischen Fichtelberg und im Kurort Oberwiesenthal 95 Tage pro Wintersaison erreicht, die eine Schneedecke von 30 Zentimetern aufweisen – also ausreichend für alpinen Wintersport wie Abfahrtsski oder Snowboarden.

Wenn man den Beginn der Datenreihe mit den letzten Werten vergleicht und einen linearen Trend bildet, sieht man, dass im Winter 1970/71 im Schnitt 102 schneesichere Tage erreicht wurden. Im Winter 2018/19 waren es im Mittel nur noch 88 Tage. "Diese Abnahme ist allerdings statistisch nicht signifikant", erklärt Uwe Böhm vom Deutschen Wetterdienst. Die jährlichen Unterschiede und Schwankungen bei den schneesicheren Tagen seien so groß, dass eine abnehmende Tendenz Zufall sein könne. "Man muss deshalb sagen, dass im Untersuchungszeitraum keine Abnahme der Schneesicherheit im Erzgebirge nachweisbar ist", so Böhm.

Das Skigebiet Fichtelberg und Klínovec/Keilberg

Das Skigebiet Fichtelberg und Klínovec/Keilberg im benachbarten Tschechien hat eine mittlere Höhe von 1052 Metern. Der Fichtelberg ist 1213 Meter hoch und der Klínovec 1244 Meter. Gemeinsam bilden beide Skigebiete eine grenzübergreifende Skiregion, verbunden durch regelmäßige Skibusse. Eine der beiden DWD-Stationen für Schneemengen steht in Oberwiesenthal auf 850 Metern Höhe, die andere auf dem Fichtelberg.

Mittlere Schneesicherheit im Thüringer Wald

Für den Thüringer Wald lässt sich laut DWD eine deutlich geringere Schneesicherheit erkennen. Hier werden im Durchschnitt an nur rund 41 Tagen in der Wintersaison vom November bis April Schneehöhen von 30 Zentimetern gemessen. Die besten Wintersport-Bedingungen habe es in den Wintern 1986/87 mit 93 schneesicheren Tagen, 2005/06 mit 92 Tagen und 1983/84 mit 91 Tagen gegeben.

Das Skigebiet im Thüringer Wald

Im Thüringer Wald gibt es mehr als 20 Skigebiete, in den alpiner Wintersport möglich ist – von der Skiarea Heubach über Oberhof und der  Alpinskiarena Silbersattel in Steinach bis zu Schmiedefeld am Rennsteig. Die Skigebiete im Thüringer Wald verteilen sich über mehrere Gemeinden, die oft nicht aneinandergrenzen.

Das Skigebiet hat eine durchschnittliche Höhe von 725 Metern über dem Meeresspiegel und erstreckt sich von 550 Metern bis zu 900 Metern Höhe.

Wenn man nicht die Tage der einzelnen Jahre, sondern einen linearen Trend abbildet, zeigt sich, dass es im Winter 1970/71 noch im Mittel 45 schneesichere Tage gab. Im Winter 2018/19 waren es nur noch durchschnittlich 37 schneesichere Tage. DWD-Experte Uwe Böhm betont jedoch auch hier: "Die Variabilität von Jahr zu Jahr ist so hoch, dass sich dieser Trend nicht statistisch sichern lässt und deshalb im Untersuchungszeitraum auch hier keine Abnahme der Schneesicherheit belegbar ist."

Geringste Schneesicherheit im Harz

Die geringste Schneesicherheit der Wintersportgebiete in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen liegt laut DWD im Harz mit durchschnittlich 36 Tagen mit mindestens 30 Zentimetern Schneehöhe. Die Skigebiete mit Möglichkeiten für alpinen Sport liegen alle in Niedersachsen und nicht in Sachsen-Anhalt.

Nur im Winter 1986/87 sind genau 100 schneesichere Tage erreicht worden. Danach kommen 87 Tage im Winter 1983/84 und 85 schneesichere Tage im Winter 1978/79. Eine besonders schneearme Zeit gab es in den 15 Jahren zwischen dem Winter 1988/89 und dem Winter 2003/04, erklärt der. Die sei ähnlich zu der Entwicklung im Thüringer Wald.

Wurmberg und Schulenberg – Skigebiete im Harz

Im Harz gibt es 14 Skigebiete und Liftanlagen für den alpinen Skisport. Nur eine davon, die Liftanlage im Zwölfmorgental bei Wernigerode, liegt in Sachsen-Anhalt.

Der höchste Ort im niedersächsischen Harz mit Skipisten ist der Wurmberg in der Gemeinde Braunlage mit einer Höhe von 971 Metern über dem Meeresspiegel. Am niedrigsten liegt der Schulenberg in der Gemeinde St. Andreasberg mit einer Höhe von 490 Metern.

Insgesamt gibt es in mehr als 30 Orten im Harz Möglichkeiten zum Winterwandern, für den Langlauf oder zum Rodeln.

Beim Vergleich der Werte der knapp 50 Jahre (vom Winter 1970/71 bis zum Winter 2018/19) kann man einen Rückgang der schneesicheren Tage erkennen. Bildet man einen linearen Trend, so kann man ab Winter 1970/71 von durchschnittlich 43 Tagen mit einer Schneehöhe von 30 Zentimetern ausgehen. Im Winter 2018/19 sind es nur noch 28 Tage im Durchschnitt. Aber auch hier gilt laut DWD die Einschränkung, dass es für die Wissenschaftler nicht möglich ist, aus diesen Daten mit statistischen Mitteln einen Trend zu identifizieren. Die Schwankungen innerhalb der einzelnen Jahre sind zu hoch. Eine Abnahme der Schneesicherheit sei damit nicht nachweisbar, so DWD-Klimaexperte Uwe Böhm.

Zur Methode

Die Analysen des Deutschen Wetterdienstes umfassen den Zeitraum Winter 1970/71 bis Winter 2018/19 und in der jeweiligen Winterperiode die Monate November bis April. Es wurde die Anzahl der Tage mit einer Schneehöhe von mindestens 30 cm in diesem Zeitraum untersucht (Indikator TOU-I-4). Ausgewertet wurden die Schneehöhen im Hinblick auf den alpinen Skisport.

Martin Paul im Funkhaus von MDR SACHSEN-ANHALT
Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Über den Autor Martin Paul ist Teil des Online-Teams von MDR SACHSEN-ANHALT und begeistert von den Möglichkeiten und Ausdrucksformen des digitalen Journalismus - Daten und Code, Visualisierung und Video, Longread und Ticker, Social-Media und Dialog. Was ihn umtreibt? Besonders die Frage, wie man das Netz frei und offen gestalten und Teilhabe garantieren kann.

Online-Journalismus hat er im Studiengang Multimedia & Autorschaft an der Universität in Halle und bei der Mitteldeutschen Zeitung gelernt. An der Universität in Leipzig hat er Kultur- und Vergleichende Literaturwissenschaft studiert.

Quelle: MDR/mp

9 Kommentare

MDR-Team am 04.03.2020

Die Analyse geht auf wissenschaftliche Untersuchungen zur Schneehöhe in dem alpinen Raum und in Mittelgebirgen zurück. Dabei müssen die Vergleichbarkeit der Daten und auch die Qualität der Messdaten beachtet werden. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es die regionalen Schwankungen und die Modellierung eines mittleren langjährigen Klimatrends bis 2050/2100 - bei der die regionale Variabilität den Trend markant überlagern kann.

MDR-Team am 04.03.2020

Eine der beiden DWD-Messstation für Schneemessungen liegt laut Deutschem Wetterdienst auf 850 Metern Höhe, die andere auf dem Fichtelberg auf 1213 Metern Höhe. Das war im Text nicht so benannt und wird geändert. Danke für den Hinweis.

Matthias 7 am 04.03.2020

Warum zeigt man uns die Statistik der Schneedeckentage erst ab 1970?
Die Aufzeichnungen reichen auf dem Fichtelberg bis mindestens 1915 zurück!
Damit würde die sehr große Variabilität noch unterstrichen und ein Klimawandel hinsichtlich der Schneetage bis heute nicht erkennbar!
Die Panikmache insbesondere unserer Grünen,ja selbst manche Meteorologen somit nicht gerechtfertigt

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